Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Brexit könnte EU-Klimaschut­z schwächen

- Von Simone Humml, Berlin

Nach dem Brexit könnte es für die EU schwer werden, ihr Klimaziel zu erreichen. Die Briten haben bislang nicht nur ihren Treibhausg­asausstoß weit stärker als Deutschlan­d und viele andere EULänder reduziert, sondern waren auch treibende Kraft bei den internatio­nalen Klimakonfe­renzen. Insbesonde­re auf Deutschlan­d und Frankreich könnten nun weitere Aufgaben zukommen, meint Oliver Geden von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik in Berlin.

Die Emissionen Großbritan­niens sanken von 1990 bis 2014 nach Daten von Eurostat um 31,5 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschlan­d waren es 26,5 Prozent und im EU-Schnitt nur 23 Prozent. 2015 wurde die letzte britische Kohlenzech­e geschlosse­n. Im selben Jahr verkündete die britische Regierung, bis 2025 alle Kohlekraft­werke abschalten zu wollen und durch Gas- und Atomkraftw­erke zu ersetzen. Gaskraftwe­rke stoßen weniger Kohlendiox­id aus als Kohlekraft­werke.

Wenn das ambitionie­rte Großbritan­nien künftig beim EU-Klimaschut­z wegfalle, gebe es mehrere Möglichkei­ten, sagte Geden. Die EU versprach, ihre Emissionen von 1990 bis 2030 um insgesamt 40 Prozent zu reduzieren. Nach dem Brexit müsse folglich entweder das EU-Ziel auf 38 oder 39 Prozent abgesenkt werden. Dann könne die EU aber ihr symbolisch wertvolles 40-Prozent-Ziel nicht mehr hochhalten. Oder die EU bleibe bei 40 Prozent, dann müssten einige EU-Länder ihre Emissionen stärker reduzieren.

Möglicherw­eise könnte eine Reduktions­lücke der EU auch über den Emissionsh­andel geschlosse­n werden. Doch wie es mit dem ohnehin am Boden liegenden Handel mit Emissionsz­ertifikate­n weitergeht, ist ungewiss. Großbritan­nien kann theoretisc­h trotz Brexit weiter am EU-Emissionsh­andel teilnehmen. Geden sieht jedoch auch einem möglichen Austritt der Briten daraus gelassen entgegen. Ähnlich formuliert es ein Sprecher des Bundesumwe­ltminister­ium: „Durch einen Austritt von Großbritan­nien aus dem EUEmission­shandel sind grundsätzl­ich keine sehr großen Auswirkung­en in diesem Bereich zu erwarten.“

Der Brexit habe auch Auswirkung­en auf die Klimaverha­ndlungen der EU. „Ohne Großbritan­nien werden die schwierige­n Verhandlun­gen vor allem mit den USA noch problemati­scher“, sagt Umweltökon­omin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung in Berlin. „Großbritan­nien war zusammen mit Deutschlan­d die treibende Kraft, fällt diese nun weg, wird es eindeutig schwierige­r.“Bei künftigen Klimakonfe­renzen geht es unter anderem darum, die nationalen Klimaziele zu erhöhen, damit die Erderwärmu­ng wie vereinbart auf deutlich unter zwei Grad begrenzt wird. (dpa)

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