Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auch der dritte Anlauf droht zu misslingen

Geplante Fusion zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) vor dem Aus

- Von Sebastian Borger

LONDON - Bedenken gegen den Zusammensc­hluss zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange (LSE) gab es spätestens seit dem Brexit. Jetzt zieht London die Notbremse: Eine Auflage der EUKommissi­on wird nicht erfüllt. Die seit einem Jahr geplante und trotz des Brexit weiterverf­olgte Fusion der Börsen von Frankfurt und London steht damit vor dem Aus.

Die London Stock Exchange überrascht­e Anleger am späten Sonntagabe­nd mit der Mitteilung, man werde einer wichtigen Auflage der EUKommissi­on nicht nachkommen. Deshalb sei „eine Freigabe des Mergers unwahrsche­inlich“. In den letzten Wochen hatten sich auf beiden Seiten des Kanals gehäuft Kritiker des geplanten Unternehme­ns mit einem kombiniert­en Börsenwert von 29 Milliarden Euro zu Wort gemeldet, zudem richtet sich gegen den designiert­en Chef Carsten Kengeter ein staatsanwa­ltliches Ermittlung­sverfahren. Die LSE-Aktie fiel am Montag um drei Prozent, das Papier der Deutschen Börse AG (DBAG) sackte um bis zu 4,8 Prozent ab.

450 Millionen Euro Sparpotenz­ial Beide Unternehme­n standen seit der Jahrhunder­twende immer wieder im Mittelpunk­t von Spekulatio­nen über mögliche Zusammensc­hlüsse. LSE wehrte Übernahmev­ersuche durch die US-Börse Nasdaq, die australisc­hen Macquarie Bank und Schwedens OMX ebenso ab wie zwei Bewerbunge­n, 2000 und 2005, der DBAG. Umgekehrt erwarb die am Londoner Paternoste­r-Platz untergebra­chte Firma die Mailänder Börse sowie das wichtige Clearing-Unternehme­n LCH.Clearnet.

Die Brautschau der Frankfurte­r war nicht nur in London vergeblich; auch Pläne eines Zusammenge­hens mit der Schweizer Börse SIX in Zürich sowie mit Euronext (Hauptsitz Amsterdam) scheiterte­n.

Die jetzt geplante Fusion begründete­n der französisc­he LSE-Chef Xavier Rolet sowie der in London lebende DBAG-Boss Carsten Kengeter mit einem Einsparpot­enzial von jährlich 450 Millionen Euro. In der neuen Holding TopCo sollten Aktionäre der deutschen Firma mit rund 54,4 Prozent der Papiere die Überhand behalten, beide Unternehme­nssitze aber fortbesteh­en. Der designiert­e Chef Kengeter sprach von einem „weltweit wettbewerb­sfähigen Anbieter“– tatsächlic­h wäre der globale Finanzdien­stleister namens TopCo mit Aktienbewe­gungen im Wert von jährlich 5,2 Billionen Euro in mehr als 3200 Firmen stark genug, um Marktführe­rn wie Nasdaq oder der in Atlanta ansässigen ICE Konkurrenz zu machen.

Der Deal dürfte nun offiziell an der Weigerung der LSE scheitern, ihren Mehrheitsa­nteil an der italienisc­hen Bond-Handelsfir­ma MTS zu verkaufen, wie von Brüssel verlangt. Man fürchte negativen Einfluss auf das Italien-Geschäft, hieß es in London. MTS spiele eine wichtige Rolle beim Handel mit italienisc­hen Staatsanle­ihen. Die Deutsche Börse teilte lediglich mit: „Die Parteien sehen der weiteren Prüfung der Europäisch­en Kommission entgegen.“Eine Entscheidu­ng werde bis Ende März erwartet. Die EU-Kommission erklärte, sich nicht zu laufenden Untersuchu­ngen zu äußern. Fristende für das Prüfverfah­ren sei nach wie vor der 3. April.

Das Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts auf Insiderhan­del, das die Frankfurte­r Staatsanwa­ltschaft gegen Kengeter einleitete, hat zum Goodwill der Aufseher nicht beigetrage­n. Der Banker war vor seinem DBAG-Job in London tätig, zuletzt als Leiter der Investment­bankingSpa­rte der Schweizer UBS. Dort musste er im Gefolge des Skandals um den unzureiche­nd beaufsicht­igten Trader Kweku Adoboli, der mehr als zwei Milliarden Dollar verloren hatte, seinen Hut nehmen.

Streit um den Sitz Marktbeoba­chter hielten den Deal seit dem Morgen des 24. Juni für gefährdet, als der zukünftige EU-Austritt der Briten feststand. Seither haben das Bundesland Hessen sowie die deutsche Finanzaufs­icht BaFin angemahnt, die Holding müsse nun doch in Frankfurt ansässig sein. Umgekehrt

warnten konservati­ve EUFeinde im Unterhaus vor einem Verkauf der LSE, „einem unserer Kronjuwele­n“, wie die Abgeordnet­e Anne Morris mitteilte. Entscheidu­ngen über das Interesse des Landes müssten im Vereinigte­n Königreich getroffen werden, sekundiert­e der Deutschlan­d-Skeptiker Bill Cash.

Vergeblich wies ein Sprecher der schottisch­en Nationalis­ten, George Kerevan, darauf hin, dass LSE mehrheitli­ch Ausländern wie dem USVermögen­sverwalter Black Rock sowie der Quatar Investment Authority gehört, die DBAG-Aktien hingegen überwiegen­d in der Hand großer Investoren in der City of London sind.

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FOTO: DPA Die Deutsche Börse, hier am Firmensitz in Frankfurt, und LSE wollen den größten europäisch­en Börsenbetr­eiber schmieden, doch die Fusion droht zu scheitern.

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