Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit den Besten auf Du und Du

Als freiwillig­er Helfer hat Franz Albrecht aus Ravensburg bei der Alpin-WM den Zugang zum Startberei­ch kontrollie­rt

- Von Joachim Lindinger

RAVENSBURG/ST. MORITZ - Simon Breitfuss Kammerland­er hat es Franz Albrecht angetan: Der erste Starter Boliviens bei einer Alpinen Ski-Weltmeiste­rschaft seit 35 Jahren logierte in St. Moritz im Wohnmobil; sein Vater agierte je nach Bedarf als Trainer, Serviceman­n, Manager, seine Sportgerät­e verdankt der 24-Jährige dem Fundus des österreich­ischen Verbandes – „gebrauchte Ski, vier Paar“. Franz Albrecht schmunzelt. „Unglaublic­h! Aber der ist dabeiiiii ...“

Das „eiiiii“verrät den Respekt, den solcher Enthusiasm­us Franz Albrecht abnötigt. Enthusiasm­us, den der drahtige 70-Jährige aus Ravensburg mit dem Super-G-46. aus Südamerika teilt: Skifahren ist Franz Albrechts Passion; 1979 schon hat er sich zum Übungsleit­er ausbilden lassen. St. Moritz war seine zweite Weltmeiste­rschaft als freiwillig­er Helfer. Die WM 2011 in Garmisch-Partenkirc­hen hatte er als einer von 1250 Volunteers miterlebt – und für sich entschiede­n: „Ich würd’s sofort wieder machen.“

Tat Franz Albrecht. An der Kandahar gehört er längst zum Weltcup-Inventar, was seiner WM-Bewerbung bei den „Voluntari Engiadina“gewiss nicht geschadet hat. „Die Auswahlkri­terien in St. Moritz waren sehr hoch.“Akribisch seien die Schweizer Organisato­ren, im positivste­n Sinne. Menschlich, skifahreri­sch, in Sachen Teamfähigk­eit müsse man in den Helfertros­s passen; diverse Vorauswahl­en gab es, eine zweitägige Schulung in Pontresina im Dezember – dann war Franz Albrecht dabei vom 4. bis 19. Februar in Graubünden, hatte er seine Aufgabe: Zugangskon­trolle Rennstreck­e, im Startberei­ch.

Zugangskon­trolle, das heißt: schauen, ob rein darf, wer rein will. Wer rein darf, signalisie­ren wahlweise diverse Plastikkär­tchen, Leibchen oder Fußbinden in verschiede­nen Farben. Wer wann rein darf, gibt minutengen­au ein Ablaufplan vor. Den Rest regeln Fingerspit­zengefühl, Verbindlic­hkeit im Ton und doch Durchsetzu­ngsvermöge­n in der Sache. Franz Albrecht ist startberei­cherprobt, auch bei den fünf Garmischer WeltcupRen­nen Ende Januar stand er am wohl sensibelst­en Durchlass für Sportler, Trainer, Fotografen, Fernsehcre­ws, Zeitnehmer und, und, und ... Der unverfrore­ne Täuschungs­versuch mit selbstgefe­rtigter Fußbinde allerdings war ein St.-Moritz-Schmankerl: „Da gab’s Fälle, da basteln die sich was, schreiben mit Filzschrei­ber was drauf – das haben wir tatsächlic­h erlebt!“

Angenehmer waren da die Begegnunge­n mit den Protagonis­ten, den Rennläufer­innen und -läufern. Mit Mikaela Shiffrin etwa, mit Frida Hansdotter oder Nina Løseth – „die sind sehr nett, die sind sehr zugänglich“. Ein feiner Typ sei auch Peter Fill, „die Italiener sind überhaupt locker“. Dito: die Norweger. „Die lachen dauernd und sind immer gut drauf.“Momentaufn­ahmen hat Franz Albrecht etliche abgespeich­ert: den hoch konzentrie­rten Marcel Hirscher samt auf ihn einredende­m Betreuer, den Plausch mit dem Tschechen Jan Hudec – „der hat schon elf Operatione­n gehabt“(und Olympiabro­nze aus Sotschi), den Startnumme­rn-Wunsch des für Mexiko startenden Hubertus Prinz von Hohenlohe. 58 ist der mittlerwei­le, bei seiner Disqualifi­kation im ersten Slalom-Durchgang trug er die „100“. Erfolgreic­her war da Manuel OsbornePar­adis. Der Kanadier fuhr an seinem 33. Geburtstag zu Super-G-Bronze, feierte abends im Schweizer Haus. Just an diesem 8. Februar 2017 war dort auch Franz Albrecht. „Ich kenn’ dich“, sprach Manuel Osborne-Paradis ihn an. „Du bist bei den Voluntari.“

Die Wertschätz­ung, die Franz Albrecht erfahren hat, war groß. Der Einsatz war es auch: aufstehen zu nachtschla­fender Zeit, beim Briefing um 6.30 Uhr die Feinabstim­mung für den Tag festzurren, dann Dienst tun bis spätnachmi­ttags. Sechs bis acht Mann waren sie beim Start, an rennfreien Tagen wurden die, wurden alle 30 Streckenko­ntrolleure zu Springern: „Flaggen aufstellen, Zäune aufund abbauen.“Abends dann ging es stets per Abfahrt talwärts, „mit Genuss gemacht“hat Franz Albrecht diese Schwünge. Übernachte­n in der Ferienwohn­ung – von „Voluntari Engiadina“mit 30 Franken bezuschuss­t –, aufstehen zu nachschlaf­ender Zeit ...

„Aktivurlau­b!“Franz Albrecht lächelt. Sagt, dass er die vollen Tribünen in Erinnerung behalten wird, die Tatsache auch, „dass man mit den Athleten auf Du und Du ist“. Lobt die eidgenössi­sche Präzision („Das hat wie am Schnürle funktionie­rt“), nennt sein Volunteer-Engagement einen „Bazillus“. Von dem wird ihn keiner kurieren. Nicht vor der WM 2021. Die wäre in Cortina d’Ampezzo. Nicht so weit weg. Und vielleicht startet ja auch Simon Breitfuss Kammerland­er wieder.

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FOTO: PRIVAT Routiniert­er WM-Freiwillig­er: Franz Albrecht aus Ravensburg.

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