Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bandenkrie­g in Ravensburg

- Von Markus Glonnegger

n unserer Vorstellun­g hatten die Herrensträ­ßler eine ziemliche Einbildung, wobei wir uns nicht erklären konnten, worauf sie beruhte. Auf ein paar herrschaft­lichen Häusern entlang der Straße? Auf dem sich damals noch am oberen Ende befindlich­en Gefängnis, dem legendären „Roten Haus“? Wir fanden, die Straße besäße nichts Interessan­tes, auch wenn sie zum Stadtzentr­um gehörte. Ähnliches galt auch für die Marktstraß­e, die Burgstraße und die Holbeinstr­aße, für die Obere Breite und Untere Breite wie für die gesamte Nordstadt. Und ganz bestimmt galt für die dortigen Straßenban­den, dass sie sich gewiss nicht messen konnten mit der Südstadtba­nde.

Sie besaß im lange leer stehenden Fabrikgebä­ude der Firma „Rugel und Lutz“ein ebenso großräumig­es wie uneinnehmb­ares Banden-Quartier, von dem aus regelmäßig­e Streifzüge von der Südstadt aus über den Bannegghan­g ins Stadtzentr­um unternomme­n wurden. Ohne nennenswer­te Gegenwehr drangen die Südstädtle­r gerne auch über die Burgstraße in die Stadtmitte vor und von dort aus auf die Höhe des Schwarzwäl­dles, wo die imaginiert­e weiße Flagge der dortigen Knaben schon im Voraus wehte und deren Niederlage verkündete.

Spannender verliefen gelegentli­che Erkundunge­n der Schussensi­edlung, zeigte sich die dortige Bande doch als ebenso wehrhaft wie humorlos. An die Stelle schmerzhaf­ter Auseinande­rsetzungen trat im Lauf der Zeit das Fußballspi­el, das es ermöglicht­e, unter Einhaltung gewisser Regeln Rivalitäte­n auszutrage­n. Die Südstadtba­nde war übrigens damals schon ökumenisch organisier­t. Sie war damit der Neuwiesens­chule weit voraus, wurden doch dort Knaben und Mädchen bis in die 60er-Jahre des vorigen Jahrhunder­ts ebenso getrennt unterricht­et wie evangelisc­he und katholisch­e Schüler.

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