Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Großauftrag für Ravensburger Turbinenwerk
Andritz Hydro saniert Wasserkraftwerk in der Ukraine
RAVENSBURG - Es ist der erste Großauftrag aus der Ukraine für einen westeuropäischen Turbinenhersteller: Der österreichische Anlagenbauer Andritz Hydro soll für 58 Millionen Euro Bauteile des ältesten ukrainischen Wasserkraftwerks „Dnipro 1“am Fluss Dnjepr erneuern. Vorgesehen ist die Fertigung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von drei Turbinen und Generatoren bis 2021.
Dass Andritz Hydro den Zuschlag bekommen hat, freut besonders die 460 Mitarbeiter am Standort Ravensburg. Denn dort liegt nicht nur die Gesamtprojektleitung des Umbauvorhabens, sondern werden auch die drei sogenannten Francisturbinen mit einem Laufraddurchmesser von fast sechs Metern entstehen. Die drei Generatoren mit einem Rotordurchmesser von elf Metern liefert das Werk im österreichischen Weiz.
Große Chance „Es ist nicht der größte, aber ein ansehnlicher Auftrag, der Arbeitsplätze sichert“, sagt der Ravensburger Geschäftsführer Peter Magauer. Bisher hätten hauptsächlich ukrainische Firmen Aufträge dieser Art erhalten. „Wir sehen darin eine große Chance für uns“, ergänzt er. Sein Unternehmen habe Interesse an zwei weiteren Projekten in dem Land geäußert.
Für die Ukrainer war nicht allein der Preis ausschlaggebend: „Uns hat auch der ehrliche und transparente Ausschreibungsprozess überzeugt“, sagt Ihor Syrota, Generaldirektor des staatlichen Wasserkraftwerkbetreibers Ukrhydroenergo im Ravensburger Werk, das er am Mittwoch mit einer 15-köpfigen ukrainischen Delegation besuchte. „Ich möchte unser staatliches Unternehmen auf europäisches Niveau bringen“, erklärt der 57-Jährige.
Der Betreiber modernisiert seit einigen Jahren seine neun Wasserkraftwerke an den Flüssen Dnjepr und Dnjestr mit einer Gesamtleistung von 5700 Megawatt. Ziel ist es, deren Leistung, Sicherheit und Zuverlässigkeit zu verbessern. Insgesamt werden noch 28 Wasserturbinen in sechs Kraftwerken umgebaut. Finanziert wird das Projekt durch Eigenkapital und Darlehen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie der Europäischen Investitionsbank (EIB).
Weniger Kohlestrom Mithilfe der neuen Technik und zwei geplanten Pumpspeicherkraftwerken soll der Anteil der Wasserkraft zur Stromlieferung im Land ansteigen – von derzeit rund acht auf 15 Prozent im Jahr 2026. Zugleich will das Land auf diese Weise den Anteil thermischer Energieträger am Mix verringern. Diese machen noch rund ein Drittel der Stromerzeugung aus, die andere Hälfte ist Atomstrom.
In den Kohlekraftwerken wird hochwertiges Anthrazit verfeuert, das aus dem Donbass in der Ostukraine stammt. Dort schwelt jedoch nach wie vor ein kriegerischer Konflikt mit Russland, der zuverlässige Lieferungen erschwert. Hinzu kommt, dass die Ukrainer mit den Russen keinen Rohstoffhandel betreiben wollen. „Wir werden aus Russland nichts kaufen“, bekräftigt auch Ihor Syrota. Das seltene Anthrazit extra aus Australien oder Südafrika zu importieren, sei einfach zu teuer.
Damm und Kraftwerk „Dnipro 1“wurden zwischen 1927 und 1932 unter dem Sowjetregime gebaut. Damals war es die leistungsstärkste Anlage in der Sowjetrepublik. Amerikanische Firmen lieferten die Generatoren. Im Weltkrieg beschädigt, wurden Krafthaus und Staudamm bis 1949 wieder aufgebaut.