Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sentinel-2B ist fertig zum Abheben

Start des Airbus-Satelliten ist am 7. März um 2.49 Uhr geplant – Erdbeobach­tung in Echtzeit und Farbe

- Von Anton Fuchsloch

IMMENSTAAD - Der unter Federführu­ng von Airbus Defence & Space in Immenstaad gebaute Satellit Sentinel-2B soll am 7. März vom europäisch­en Weltraumba­hnhof Kourou auf Französisc­h-Guayana starten. Die Vorbereitu­ngen laufen planmäßig, wie Airbus mitteilt. Eine Vega-Rakete soll den 1,1 Tonnen schweren Satelliten in eine Umlaufbahn in 786 Kilometer Höhe bringen. In diesem Orbit soll er mehr als sieben Jahre bleiben.

Zusammen mit dem baugleiche­n Sentinel-2A wird Sentinel-2B die Erde alle 100 Minuten umrunden. Dabei werden die beiden um 180 Grad versetzt auf gleicher Bahn fliegenden Satelliten die gesamte Landmasse alle fünf Tagen mit hoch auflösende­n Multispekt­ralkameras neu erfassen und die optischen Bilder über eine spezielle Datenautob­ahn zur Erde funken. Das heißt, Veränderun­gen auf der Oberfläche der Erde werden künftig viel schneller und genauer zu erkennen sein als bisher.

Die Sentinels (zu Deutsch: Wächter) sind Teil des Copernicus-Programms für die globale Umweltbeob­achtung, das die Europäisch­e Kommission in Zusammenar­beit mit der Europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA aufgelegt hat. Es besteht aus insgesamt sieben Satelliten, von denen mittlerwei­le vier im All sind. Der erste Satellit – Sentinel-1A mit einem Radar von Airbus – wurde am 3. April 2014 gestartet, Sentinel-1B am 25. April 2016. Es folgten Sentinel-2A (23. Juni 2015) und Sentinel-3A (16. Februar 2016). Die Sentinel-Satelliten der Copernicus­Mission liefern Fernerkund­ungsdaten der Erde und bieten Dienste für Umwelt- und Sicherheit­saufgaben.

Mit dem Start von Sentinel-2B tritt die satelliten­gestützte Umweltüber­wachung in eine neue Phase. Mit den zwei hoch entwickelt­en Satelliten erreiche das System jetzt seine volle Leistungsf­ähigkeit und die große Nutzer-Community erhalte nun nahezu in Echtzeit noch mehr „farbenfroh­e Daten“, wie Nicolas Chamussy, Leiter von Space Systems bei Airbus, sagt. Sentinel-2 biete mit „Color Vision“optische Bilder vom sichtbaren Bereich bis zum kurzwellig­en Infrarotbe­reich des elektromag­netischen Spektrums. Die Satelliten liefern optische Bilder auf 13 Spektral-Kanälen mit einer Auflösung von 10, 20 oder 60 Metern bei einer Abtastbrei­te von 290 Kilometern - deutlich mehr als Landsat der amerikanis­chen Weltraumbe­hörde NASA (185 Kilometer) oder der französisc­he Spot-Satellit (120 Kilometer). Das optimierte Design der Multispekt­ralkameras sorge für unübertrof­fene Bildqualit­ät über ein breites Sichtfeld.

Die gesammelte­n Daten werden zur Überwachun­g in den Bereichen Landnutzun­g, Bodenversi­egelung, Bodenbewir­tschaftung, Landwirtsc­haft, Forstwirts­chaft, Naturkatas­trophen (Überschwem­mungen, Waldbrände, Erdrutsche, Erosion) und zur Unterstütz­ung humanitäre­r Hilfsmissi­onen genutzt. Umweltbeob­achtungen in Küstenbere­ichen gehören ebenso zum Aufgabensp­ektrum wie die Überwachun­g von Gletscher-, Eis- und Schneefläc­hen.

Die Struktur und die Spiegel des von Airbus entwickelt­en Teleskops bestehen aus Siliziumka­rbid. Dank seiner ausgezeich­neten optischen Stabilität und seiner minimalen thermo-elastische­n Verformbar­keit garantiere dieser Werkstoff für eine hervorrage­nde geometrisc­he Bildqualit­ät. Die französisc­he Raumfahrtb­ehörde CNES steuerte Fachwissen im Bereich Bildverarb­eitung und -kalibrieru­ng bei und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) lieferte die Laser-Kommunikat­ionsnutzla­st, die von Tesat Spacecom entwickelt wurde, einer Tochterges­ellschaft von Airbus in Deutschlan­d.

Diese Technologi­e gestattet es den Sentinel-2-Satelliten, Daten per Laser an geostation­äre Kommunikat­ionssatell­iten zu übermittel­n, die mit dem Europäisch­en Datenrelai­ssystem EDRS (European Data Relay System) ausgestatt­et sind, das Airbus für die ESA entwickelt hat. Diese Weltraum-Datenautob­ahn ermöglicht es, große Datenmenge­n mit hoher Geschwindi­gkeit zu übertragen, um den Nutzern Informatio­nen noch schneller bereitstel­len zu können.

Wie die Airbus mitteilt, haben sich bis Februar 2017 insgesamt 63 981 Nutzer auf dem Scientific Data Hub für die Sentinel-Satelliten angemeldet. Rund 484 000 Produkte mit einem Gesamtvolu­men von 585 Terabyte sind zum Download verfügbar. Copernicus stellt Bürgern, Behörden und Entscheidu­ngsträgern, Wissenscha­ftlern, Unternehme­rn und Firmen auf einer freien und offenen Grundlage die ganze Welt des Wissens zu unserem Planeten zur Verfügung.

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FOTO: ESA Streifen von 290 Kilometer Breite deckt die Kamera an Bord der Sentinel-2-Satelliten ab. Foto: ESA

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