Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gotthilf Fischer
Mit nur 14 Jahren hat er das Dirigieren angefangen – 75 Jahre später schwingt Gotthilf Fischer immer noch den Taktstock und sagt: „Mit 90 geht es erst richtig los.“Das wäre dann nächstes Jahr. 2016 bereits blickte der Anwalt des deutschen Liedgutes auf 70 Jahre Tonaufnahmen zurück. Sogenannte Homestorys macht er seit dem Tod seiner geliebten Frau Hilde nicht mehr. Sie starb 89-jährig im Dezember 2008. Ein Schock für Fischer, den er inzwischen überwunden hat. Aber er erinnert sich gern. Seine Frau Hilde hatte den kleinen Sohn Herbert damals mit in die Ehe gebracht, erzählt der 89Jährige. In jener Zeit sei solch eine Beziehung eine kleine Sensation gewesen. „Hildes Mann war im Krieg gefallen. Und ich sah sie zum ersten Mal an einem Holzzaun stehen. Mein Herz begann zu rasen.“
Er selbst fühle sich noch fit. Nach einer schweren Operation an der Halsschlagader im Jahr 2012 ist er vollständig genesen. Rosig das Gesicht, schlohweiß das Haar – so kennt man ihn, und das hat sich nicht geändert. Seine Karriere begann Fischer als 14-Jähriger an seiner Schule in Plochingen bei Stuttgart, das war 1942, während des Krieges. Und schon bald sorgte der Nachwuchsdirigent für Furore. 30 Sänger folgten Fischers Einladung zu einer ersten Chorprobe in Deizisau (Kreis Esslingen). Der Kreis wuchs und wuchs: Beim zweiten Treffen waren es 80 Sänger, und Wochen später hatten sich schon sechs Chöre gebildet.
Die Zeit der großen Welttourneen mit seinen FischerChören, überfüllten Hallen und Stadien ist zwar längst vorbei. Aber noch heute dirigiert Fischer fast täglich einen anderen Chor: Dienstags ist er in Stuttgart, mittwochs in Schwaikheim, donnerstags in Bönnigheim und freitags im Fellbacher Stadtteil Schmiden. „Ein Leben ohne Musik kann ich mir nicht vorstellen. Melodien sind alles“, sagt er. Tatjana Bojic, dpa