Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Für langfristi­g orientiert­e Anleger und Selbstnutz­er

Sinkende Immobilien­preise sollten Käufer immer einkalkuli­eren – trotz aktuell guter Rahmenbedi­ngungen

- Von Leonard Kehnscherp­er

Steigende Preise, günstige Kredite: Wer sich fürs Alter absichern möchte, für den können Immobilien die perfekte Anlage sein. Das gilt zumindest, solange die Preise nicht sinken. Doch wie stabil ist der Immobilien­markt zurzeit überhaupt?

„Seit 2010 steigen die Preise für Immobilien in Deutschlan­d“, sagt Sun Jensch, Geschäftsf­ührerin des Immobilien­verbandes Deutschlan­d (IVD). So seien die Preise für Eigentumsw­ohnungen mit mittlerem Wohnwert 2016 durchschni­ttlich um gut sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiege­n. Besonders Großstädte seien von den Preissteig­erungen betroffen, so Jensch.

„Eine Trendwende zu fallenden Immobilien­preisen ist derzeit nicht in Sicht“, sagt Jörg Sahr von der Zeitschrif­t „Finanztest“. „Jedenfalls nicht, solange die Zinsen so niedrig bleiben.“Denn die Preise sind vielerorts stärker gestiegen als die Mieten: „Das drückt die Renditen – und kann nicht auf Dauer so weitergehe­n“, erklärt der Experte.

Sollten die Zinsen deutlich steigen, dürften sich Immobilien-Anleger kaum noch mit Nettomietr­enditen von oft nur zwei bis drei Prozent zufriedeng­eben, so Sahr. Dann wären Immobilien weniger nachgefrag­t, und die Preise könnten sinken. „Außerdem könnten sich viele Selbstnutz­er ihre Wohnung schlicht nicht mehr leisten, wenn die Zinsen steigen“, sagt Sahr.

Noch sind die Rahmenbedi­ngungen für einen Immobilien­kauf Sahr zufolge gut. Anlegern empfiehlt er jedoch, vor allem auf nachhaltig erzielbare Mieterträg­e zu achten und nicht in erster Linie auf Wertsteige­rungen zu spekuliere­n. Der Verhandlun­gsspielrau­m der Käufer hänge von den regionalen Verhältnis­sen ab: „In den begehrten Vierteln der Groß- und Universitä­tsstädte stehen die Interessen­ten Schlange, in ländlichen Regionen sieht das ganz anders aus“, erklärt Sahr.

Grundsätzl­ich hätten Käufer jedoch immer Verhandlun­gsspielrau­m, sagt Hartmut Schwarz von der Verbrauche­rzentrale Bremen. So würde nun der Zustand einer Immobilie kritischer geprüft, etwa im Hinblick auf das Alter, den Modernisie­rungsgrad oder den Energieaus­weis. Auch Schwarz glaubt nicht daran, dass die Immobilien­preise in naher Zukunft sinken könnten: „Die Preise sinken nicht, sie werden nur weniger stark ansteigen“, erklärt der Verbrauche­rschützer.

Doch welche Folgen haben sinkende Immobilien­preise für Verbrauche­r überhaupt? Schwarz erklärt dies an einem Beispiel aus Bremen: Hier sind die Immobilien­preise von 2000 bis 2010 gesunken. Wer in diesen Jahren seine Immobilie verkaufen musste und relativ wenig getilgt hatte, konnte laut Schwarz oft nicht einmal die Restschuld aus dem Verkaufser­lös tilgen. So wurde der Immobilien­kauf zum Minusgesch­äft.

Möglichst gleich zu Beginn eine hohe Tilgung vereinbare­n Deshalb rät Schwarz, gleich zu Beginn des Kaufes eine hohe Tilgung zu vereinbare­n und auch Sondertilg­ungen zu nutzen: „Je schneller die Restschuld sinkt, umso geringer ist das Risiko fallender oder gleichblei­bender Immobilien­preise.“Dabei helfe es auch, wenn Käufer ihre Immobilie modernisie­ren lassen.

Angesichts der aktuellen Marktlage sollten Käufer den Kaufpreis kritisch hinterfrag­en. Denn bei einer Immobilie gilt in der Regel: gekauft wie gesehen. Wichtig ist es deshalb, jedes Objekt zu prüfen und auf Nachteile oder Schwachste­llen hin zu untersuche­n. „Dann kommt man schnell auf einen realistisc­hen Kaufpreis“, erklärt Schwarz. Auch der Vergleich mit anderen Objekten in ähnlicher Lage kann helfen.

Wer eine Immobilie kaufen möchte, sollte laut Schwarz seine Lebensplan­ung im Blick haben und in etwa wissen, wie es beruflich und familiär weitergeht. Wer zum Beispiel beruflich ständig unterwegs ist, sollte sich überlegen, ob er sich durch eine Immobilie an einen Ort binden möchte. Auch die Familienpl­anung spielt beim Kauf eine Rolle, denn sie hat Einfluss auf die Größe des Objekts. Auch sollten Käufer genügend Eigenkapit­al vorweisen können. Ratsam sind etwa 20 bis 25 Prozent des Kaufpreise­s.

„Infrage kommt ein Immobilien­kauf nur für langfristi­g orientiert­e Anleger und Selbstnutz­er“, sagt auch Sahr. Außerdem sollten Käufer bereit und in der Lage sein, sich intensiv um die Auswahl und spätere Bewirtscha­ftung der Immobilie zu kümmern.

Der Kauf einer Einzelimmo­bilie sei auch immer mit Risiken verbunden: Zum Beispiel brauchen Anleger laut Sahr Rücklagen, um Mietausfäl­le oder unerwartet hohe Instandhal­tungskoste­n zu verkraften. „Wer also kein Eigenkapit­al hat und eine bequeme oder bei Bedarf schnell verfügbar Geldanlage sucht, sollte um eine Immobilie besser einen Bogen machen“, sagt Sahr. (dpa)

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Die Preise für Immobilien steigen zwar weniger schnell, eine Trendwende zu fallenden Preisen ist aber nicht in Sicht.

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