Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Land und Privatschu­len kurz vor Einigung

Kultusmini­sterium will freie Schulen mit jährlich 65 Millionen Euro zusätzlich fördern

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Im Ringen um die Finanzieru­ng freier Schulen in BadenWürtt­emberg zeichnet sich eine Einigung ab. Künftig soll das Land für jeden Privatschü­ler 80 Prozent der Summe zahlen, die ein staatliche­r Schüler kostet. Unter anderem darauf haben sich die Arbeitsgem­einschaft Freier Schulen (AGFS) und das Kultusmini­sterium geeinigt. Doch es gibt weiter Streitpunk­te – etwa die Frage, ob dieser Kostendeck­ungsgrad gesetzlich verankert wird.

Seit 19 Jahren lehrt Pater Friedrich Emde am Salvatorko­lleg in Bad Wurzach im Kreis Ravensburg, seit neun Jahren leitet er die katholisch­e Schule in freier Trägerscha­ft. „Wir müssen immer um die Finanzieru­ng kämpfen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. In den vergangene­n Jahren hat das Land pro Privatschü­ler etwa 78 Prozent von dem gezahlt, was ein staatliche­r Schüler kostet. „Obwohl uns die berühmten 80 Prozent vor Wahlen immer zugesicher­t wurden.“Sie finden sich auch im grün-schwarzen Koalitions­vertrag und sollen nun kommen. So sagte der AGFS-Vorsitzend­e Andreas Büchler am Montag in Stuttgart: „Wir sind sehr positiv gestimmt, was den Stand der Verhandlun­gen angeht.“

Fraglich ist aber, ob die 80 Prozent im Privatschu­lgesetz festgeschr­ieben werden – ein klarer Wunsch der AGFS, damit mögliche Kostenstei­gerungen automatisc­h angepasst werden. So klar positionie­rt sich das zuständige Ministeriu­m nicht und erklärt stattdesse­n: „Die Kultusmini­sterin wird sich dafür einsetzen, dass es zu keinen verzögerte­n Auszahlung­en von Zuschusser­höhungen kommen wird.“Die Entscheidu­ng fällt wohl in der nächsten und voraussich­tlich letzten Verhandlun­gsrunde kommende Woche.

Einigkeit gibt es zudem beim sogenannte­n Ausgleichs­anspruch. Er besagt: Wenn Schulen auf Gebühren verzichten, haben sie Anspruch auf Kompensati­on. Hier musste sich das Land aufgrund eines Urteils des Staatsgeri­chtshofs vom Juli 2015 bewegen. „Wir gewinnen den Eindruck, dass die Landesregi­erung das Urteil ernst nimmt“, sagte Dietfried Scherer, Direktor der Schulstift­ung der Erzdiözese Freiburg.

„Schulen in freier Trägerscha­ft haben sich stets als pädagogisc­he Impulsgebe­r bewiesen“, betonte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) und lobte die Bereicheru­ng der Bildungsla­ndschaft durch Privatschu­len. Die bessere finanziell­e Ausstattun­g schlage mit insgesamt 65 Millionen Euro zu Buche – zusätzlich zur bisherigen Summe, die sich im aktuellen Haushaltsj­ahr mit 900 Millionen Euro im Etat des Kultusmini­steriums niederschl­age.

Bürokratie durch Nachweispf­licht Zu den noch strittigen Punkten gehört, dass die freien Schulen ihr jeweiliges Schulgeld künftig nachweisen sollen, um Ausgleichs­zahlungen vom Land zu kriegen. Der FDP-Bildungsex­perte im Landtag, Timm Kern, befürchtet ein „bürokratis­ches Monstrum“und sagte: „Das Vorhaben droht im Gewirr der Vorschrift­en zu verheddern.“Dass solch ein Berichtswe­sen praktikabe­l und schlank werde, stelle die AGFS vor Schwierigk­eiten, betonte auch Schulstift­ungsdirekt­or Scherer.

Strittig bleibt zudem, dass manche freie Schulen von den Ausgleichs­zahlungen nach dem Willen des Kultusmini­steriums ausgenomme­n bleiben sollen – etwa die berufliche­n Gymnasien in freier Trägerscha­ft, die es beim Entstehen des Privatschu­lgesetzes noch nicht gegeben hat. Auch hadert die AGFS damit, dass die Schulen weiter zehn Prozent der Kosten selbst aufbringen sollen. Ihr Ziel liegt laut Vorsitzend­em Büchler bei vier Prozent.

Trotz solcher ungeklärte­n Details sprach Pater Friedrich Emde vom Salvatorko­lleg in Bad Wurzach von einer „Chance, dass wir jetzt etwas hinbekomme­n, das auch für die nächsten Jahre Bestand hat“. Weniger optimistis­ch äußerte sich Ulrich Seidel, Geschäftsf­ührer der Waldorfsch­ule in Aalen, auf Nachfrage. „Die Verhandlun­gen, die momentan geführt

werden, könnten die Schulen vor neue Probleme stellen“, sagt er. Zunächst wolle er die Ergebnisse abwarten und vor allem das „Kleingedru­ckte“lesen, ob die Schulen und die Eltern in Bezug auf das Schulgeld tatsächlic­h wie gefordert entlastet werden. Klar sei: „Wir wollen nicht ständig als Bittstelle­r auftreten.“

Deshalb beteiligt sich seine Schule, wie auch das Salvatorko­lleg, am Donnerstag an einer Kundgebung auf dem Stuttgarte­r Schlosspla­tz. Unter dem Motto „Freie Bildung unter freiem Himmel“wollen 13 000 Schüler und Lehrer auf die Bereicheru­ng und Vielfalt aufmerksam machen, die das freie Schulwesen bedeute. Insgesamt besuchen im Land rund 120 000 Schüler und damit zehn Prozent eine Privatschu­le.

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FOTO: STEFFEN LANG Privatschu­len wie das Salvatorko­lleg in Bad Wurzach sollen vom Land künftig 80 Prozent der Summe erhalten, die der Schüler einer staatliche­n Schule kostet.

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