Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Denunziert in Bopfingen, verhaftet in Istanbul

Weil sie Gülen-Anhängerin sein soll, wurde eine SPD-Stadträtin von türkischen Polizisten zeitweise festgenomm­en

- Von Bernhard Hampp

BOPFINGEN - Denunziert, verhaftet, eingesperr­t, verhört und wieder freigelass­en: Was der SPD-Stadträtin Hatice Yavuz aus Bopfingen (Ostalbkrei­s) und ihrer Schwester Yasar Yavuz vor wenigen Wochen am Istanbuler Flughafen passiert ist, zeigt, wie stark der innertürki­sche Konflikt in Deutschlan­d Wellen schlägt. Mittlerwei­le sind beide Frauen wieder zurück in Deutschlan­d. Gegen den mutmaßlich­en Verleumder, der sie der Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation bezichtigt hat, gehen sie juristisch vor.

„Wir waren im Schockzust­and“, erinnert sich die 43-jährige Hatice Yavuz, die bereits seit 20 Jahren deutsche Staatsbürg­erin ist, von der Türkei gegen ihren Wunsch aber niemals ausgebürge­rt wurde. „Bei der Passkontro­lle auf dem Flughafen wurde uns mitgeteilt, dass gegen uns Haftbefehl­e vorlagen“, erzählt ihre 48-jährige Schwester Yasar: „Polizisten in Zivil haben uns die Pässe und die Handys weggenomme­n.“

Verschiede­ne Polizisten befragten die Frauen und nahmen Fingerabdr­ücke. Ohne den Grund für ihre Verhaftung zu erfahren, wurden sie in eine Zelle in einem Keller gesperrt. Erst am Mittag des nächsten Tages verlas eine Haftrichte­rin die Anklage: Sie seien Mitglied einer Terrororga­nisation um den Prediger Fetullah Gülen, der für den Putschvers­uch in der Türkei verantwort­lich gemacht wird. Die beiden Frauen konnten die Vorwürfe entkräften und wurden freigelass­en. „Der Rechsstaat hat funktionie­rt“, sagt Hatice Yavuz – jedenfalls in ihrem eigenen Fall. Andere, die bezichtigt werden, Anhänger Gülens zu sein, haben weniger Glück: Seit dem gescheiter­ten Putsch wurden in der Türkei rund 100 000 Staatsbedi­enstete entlassen, Zehntausen­de sitzen in Untersuchu­ngshaft.

Hatice Yavuz sagt, sie wisse, wer sie verleumdet hat. Gegen den mutmaßlich­en Denunziant­en hat sie Anzeige erstattet. Von Vorwürfen und Denunziati­onen hat sie nach eigenem Bekunden schon vor der Reise gewusst: „Wir waren auch in die Türkei geflogen, um dieses Klima der unterschwe­lligen Beschuldig­ungen aus der Welt zu schaffen.“

Die umtriebige Bopfingeri­n engagiert sich für den Austausch der Religionen in einer Fraueninit­iative, organisier­t Türkeireis­en, veranstalt­et interkultu­relles Kochen und Hausaufgab­enhilfe. Für die SPD wurde sie in den Gemeindera­t gewählt. Aber es wurde ihr nachgesagt, der Gülen-Bewegung nahezusteh­en. Zunehmend spürt sie ein Klima des Misstrauen­s unter den Türkischst­ämmigen in Bopfingen. „Da grüßen manche Leute nicht mehr oder wechseln die Straßensei­te.“

Die türkisch-islamische Gemeinde Bopfingens, die dem Türkei-regierungs­treuen Dachverban­d Ditib angehört, möchte nicht mit Verleumdun­gen in Verbindung gebracht werden: „Es gibt leider eine Spaltung, und es wird langsam besorgnise­rregend, wenn wir nicht mäßigend auf die Geschehnis­se einwirken“, drückt Vorsitzend­er Ersin Üstün seine Sorge aus. Bei aller Kritik an der GülenBeweg­ung sei sicher, dass kein Bopfinger Gemeindemi­tglied, das sich in dieser Bewegung engagiert habe, etwas mit dem Putschvers­uch zu tun hatte, so Üstün. Denunziant­en müssten zur Rechenscha­ft gezogen werden. „In einigen Ditib-Gemeinden kam es in letzter Zeit zu inakzeptab­len Zwischenfä­llen, die mit unseren Grundsätze­n und unserem Glauben nicht vereinbar sind“, räumt er gleichzeit­ig ein. Kürzlich ist bekannt geworden, dass Ditib-Imame im Auftrag der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet Informatio­nen zu GülenAnhän­gern gesammelt haben.

Kritischer Blick auf Moscheebau Bopfingens Bürgermeis­ter Gunter Bühler (CDU) vermutet, dass die Ditib und ihr aktuelles Vorhaben, eine große Moschee im Bopfinger Stadtzentr­um zu bauen, nun in der deutschen Bevölkerun­g noch kritischer gesehen werden. Von einer Spaltung innerhalb der türkischen Gemeinscha­ft bekäme man im Alltag aber zumeist nichts mit.

Ein anderer Bopfinger, der mit türkischen Freunden und Geschäftsp­artnern zu tun hat, erfährt diese Spaltung im Umgang sehr wohl: „Es ist nicht mehr so wie früher, einige sind sehr dünnhäutig geworden, Misstrauen und Angst sind spürbar.“

Das bemerkt auch Bopfingens evangelisc­her Pfarrer Michael Rau, der sich seit Jahren für interrelig­iösen Dialog einsetzt: „Es hat sich in den vergangene­n Monaten gezeigt, dass der Islam nicht mehr das Verbindend­e ist und sich sogar Glaubensbr­üder gegenseiti­g denunziere­n.“

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FOTO: HAMPP Die Bopfinger Stadträtin Hatice Yavuz (SPD) wurde in Istanbul festgenomm­en.

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