Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kompromiss gesucht im Streit um Arzneimitt­elversand-Verbot

- Von Tobias Schmidt, Berlin

In den Streit um das Arzneimitt­elversand-Verbot, das Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) gegen den Widerstand aus Teilen der SPD auf den Weg bringen will, kommt Bewegung. „Man kann über einen Boni-Deckel reden, wir sind mit allem zufrieden, was mit der SPD zu machen ist und was den Standort-Apotheken hilft“, sagte Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er selbst wolle dazu am Donnerstag einen Vorschlag präsentier­en. Dann treffen sich Gesundheit­spolitiker von Union und SPD mit Branchenve­rtretern, um Kompromiss­e auszuloten. Der Gesundheit­sminister habe sich vor den Karren der Apotheker spannen lassen, heißt es bei der SPD.

Grund für den Streit ist ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes (EuGH) vom Herbst, wonach ausländisc­he Versandapo­theken wie die niederländ­ische DocMorris weiterhin in Deutschlan­d Medikament­e verkaufen dürfen, und zwar günstiger, als es den deutschen Apotheken wegen der Preisbindu­ng für Arzneimitt­el möglich ist. Seitdem warnt die Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (ABDA) davor, viele Apotheken würden auf der Strecke bleiben, wenn der „destruktiv­e Preiswettb­ewerb“nicht ein Ende habe. Gerade auf dem Land ist die Sorge groß, Menschen würden von der Versorgung abgeschnit­ten. Aber den Versandhan­del verbieten, wie es Gröhes Entwurf vorsieht, sei im digitalen Zeitalter ein Rezept von gestern, sagt Edgar Franke (SPD), Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es. Er macht sich für einen Boni-Deckel stark: Versandapo­theken sollten maximal einen Euro Rabatt einräumen dürfen, das wäre über eine Änderung des Sozialgese­tzbuches zu erreichen.

Während die Versandapo­theken offen für den Vorstoß sind, winken die niedergela­ssenen Apotheken ab. Von einer Scheinlösu­ng redet ABDAPräsid­ent Friedemann Schmidt. Die Boni-Kappung könne Teil einer Übergangsl­ösung sein, wenn zugleich das Ziel eines generellen Versandhan­delsverbot­es nicht aufgegeben werde, meint Nüßlein. Eine weitere Möglichkei­t sei es, Beratungsl­eistungen niedergela­ssener Apotheken besser zu honorieren. Auch das könne ein Zwischensc­hritt sein. Einigt sich die Koalition nicht rasch, lässt sich bis auf weiteres an der Lage nichts ändern. Nach der Einigung auf einen Gesetzentw­urf müsste zunächst die EUKommissi­on informiert werden, drei Monate wird der Gesetzgebu­ngsprozess dann auf Eis liegen.

Keine Umsatzschw­elle Auf Änderungen am Gesetzentw­urf zur Stärkung der Arzneimitt­elversorgu­ng haben sich die Gesundheit­spolitiker der Fraktionen am Montag verständig­t. Demnach soll es im ersten Jahr nach Markteinfü­hrung eines Medikament­s keine Umsatzschw­elle mehr geben, ab der dann der zwischen Hersteller und gesetzlich­er Krankenver­sicherung ausgehande­lte Erstattung­sbetrag gelten soll. Zudem solle es keine Vertraulic­hkeit über den Erstattung­sbetrag geben. Gröhe wollte mit seinem Arzneimitt­elversorgu­ngsstärkun­gsgesetz im ersten Jahr nach Markteinfü­hrung eines Präparates eine Umsatzschw­elle von 250 Millionen Euro einführen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany