Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Autor von 1800 Biografien
Berthold Erb arbeitet seit 1988 als Sportredakteur fürs Munzinger-Archiv in Oberzell
RAVENSBURG - Das Munzinger-Archiv in Oberzell publiziert jährlich allein im Sport 600 Biografien. Einer, der seit 1988 dabei ist, ist Berthold Erb. 15 000 Biografien hat er redigiert, davon etwa 1800 selbst geschrieben. Nun geht er bald in den Ruhestand.
„Melanie Leupolz hätte ich damals gerne zum TSB Ravensburg geholt“, sagt Berthold Erb. Der Sportredakteur des renommierten Munzinger-Archivs war in der Blütezeit des TSBMädchenfußballs ab 2002 auch als „Scout“tätig und wollte die talentierte Jugendspielerin des TSV Ratzenried, seit 2015 erfolgreiche Nationalspielerin des FC Bayern München, ab 2006 für die damals in der Oberliga BadenWürttemberg spielenden B-Juniorinnen des TSB verpflichten.
Doch das große Talent Melanie Leupolz wechselte zu den damals erfolgreicheren Fußballerinnen des TSV Tettnang, danach zum SC Freiburg und schließlich 2014 nach München. Für die TSB-Mädchen hatte sich Berthold Erb, der 1988 aus beruflichen Gründen nach Ravensburg gekommen war, auch als Öffentlichkeitsarbeiter und Sportberichterstatter engagiert. „Diese Zeit hat mein Verhältnis zum Mädchen- und Frauenfußball geprägt“, blickt Erb zurück.
Tochter Leona spielte ab 2002 beim TSB, dessen B-Juniorinnen Gründungsmitglied der Oberliga Baden-Württemberg waren und gegen Mannschaften wie Freiburg, Karlsruhe, Sindelfingen und Crailsheim antraten. Sohn Benjamin stand in jungen Jahren im Tor von Jugendmannschaften des FV Ravensburg. Außerdem begleitete Berthold Erb die Fußballerinnen des Welfen-Gymnasiums auf ihrem Weg zur Landesmeisterschaft 2005 und zum 4. Platz beim Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“in Berlin.
Lohn des sportlichen Erfolgs waren Einladungen zum Neujahrsempfang 2006 in Stuttgart bei Ministerpräsident Oettinger sowie in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel. Berthold Erb, aufgewachsen in einem Dorf bei Fulda als Sohn einer Bauernfamilie, arbeitete nach Abschluss seines Studiums der Germanistik, Soziologie und Politischen Wissenschaft in Bonn zunächst als freier Mitarbeiter für das MunzingerArchiv, wobei er vor allem Sportbiografien verfasste.
Ernst Munzinger holte ihn 1988 kurz vor der Wende als ersten Redakteur nach Ravensburg in sein Archiv, wo er von Beginn an für den Sport zuständig war. „Diese Arbeit war und ist mein absoluter Traumjob“, sagt Erb. Wöchentlich erscheinen unter seiner Verantwortung zwölf Biografien nationaler und internationaler Sportgrößen aller Sportarten, die das Munzinger-Archiv den Medien und anspruchsvollen Nutzern anbietet.
Das dazu notwendige Material hat Erb zusammengetragen und bearbeitet. In dem kurzlebigen Metier entscheidet Erb, über wen eine Biografie erscheint und wessen Biografie aktualisiert werden muss. „Alles muss sehr rasch gehen“, betont Erb, denn der Wettbewerb ist groß. Munzinger-Biografien waren Jahrzehnte lang nahezu konkurrenzlos, müssen sich inzwischen aber gegen neue Recherchemöglichkeiten im Internet behaupten. Das gelingt dem renommierten, weltweit bekannten Unternehmen, das jährlich allein im Sport 600 Biografien publiziert.
Bisher hat Berthold Erb über 15 000 Biografien redigiert, davon etwa 1800 selbst geschrieben. Derzeit zehn Mitarbeiter schreiben auf der Grundlage der von Erb und seinem Team zusammengestellten „Dossiers“die Porträts über Sportler, Trainer oder wichtige Funktionäre . Seine Autoren kommen fast alle aus dem journalistischen Bereich. Sie haben sich auf bestimmte Sportarten spezialisiert und längst verinnerlicht, worauf es beim Schreiben ankommt.
Nicht ohne Stolz verweist Berthold Erb auf sein privates Fußball-Archiv. Im Keller seines Wohnhauses stehen über 2500 Bücher über Fußball, darunter WM-Bücher, Chroniken, Jahrbücher, Biografien, eine Sondersammlung „Fußball und Literatur“sowie rund 8000 Zeitungen und Zeitschriften.
Berthold Erb kann außerdem auf eine im Munzinger-Archiv erstellte Datenbank mit über 10 000 Quellenverweisen zurückgreifen, eine Grundlage, die den Munzinger-Biografien immer einen enormen Qualitätsvorsprung verschafft. Hat ihm das Zusammentragen seiner Privat-Bibliothek Jahre lang große Freude gemacht, erfüllt sie ihn inzwischen auch mit etwas Sorge. „Wenn wir mal umziehen müssten, hätte ich ein echtes Problem – wohin mit den Büchern?“
Dem HSV treu ergeben Seit 40 Jahren ist der Sportredakteur Berthold Erb, der als Kind gerne in der Landwirtschaft seiner Eltern mithalf und sich für Traktoren begeisterte, Mitglied des Hamburger SV und Träger der Silbernen Ehrennadel. Er besitzt bis auf eine Chronik von 1937 alle Bücher, die jemals über den einst ruhmreichen HSV und Uwe Seeler erschienen sind.
Für seine bevorstehende Zeit als Rentner möchte Erb gerne ein „biografisches Buch über die großen HSVSpieler“schreiben. „Lieber als bei Munzinger hätte ich höchstens noch als HSV-Archivar gearbeitet“, blickt er auf sein berufliches Leben zurück.
In Ravensburg fühlt sich Erb mit seiner Familie längst heimisch. Die „Räuberhöhle“, in die er bei seinem ersten Besuch in Ravensburg vor bald 30 Jahren zufällig geraten war, ist immer noch seine Stammkneipe. Erb ist deshalb Mitglied bei den „Freunden der Räuberhöhle“. Seine „Fußballkneipe“ist jedoch die „ Ratsstube“am Marienplatz.