Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verliebt in seine Suter

Sandro Cortese aus Berkheim fährt die fünfte Moto2-WM-Saison für Dynavolt IntactGP

- Von Joachim Lindinger

MEMMINGEN - Sechs Testtage noch. Sie werden manch offene Frage beantworte­n, ehe das Dynavolt IntactGPTe­am am 26. März in Losail/Katar in seine fünfte Saison Moto2-WM geht. Sechs Tage auf dem Motorrad noch. Sandro Cortese wird sie brauchen, um nach einer Operation am linken Sprunggele­nk im Winter und sieben Wochen an Krücken – nach all dem Radfahren, dem Schwimmen – vollends fit zu werden. „Um den Schaltmusk­el wieder auf 100 Prozent zu bringen.“Den Schaltmusk­el? Ein lausbübisc­hes Grinsen, ein Fingerzeig in Richtung Schienbein und Rist: „Ganz da vorne, da ist so ein Bobbel ...“

Die Stimmung war aufgeräumt bei der Teampräsen­tation des Memminger Rennstalls vor mehr als 500 Gästen. Nicht nur bei Sandro Cortese, dem Moto3-Weltmeiste­r von 2012, dem mittlerwei­le 203-maligen GrandPrix-Starter aus Berkheim im Landkreis Biberach. Und doch ganz besonders bei ihm. 15. war der 27-Jährige in der Moto2-Hierarchie 2016, nach einem Jahr voller Verletzung­en, Ausfälle, Defekte. Dem „schwierigs­ten meiner ganzen Motorsport­karriere“. Da tut es gut, dass der Fuß nach Plan heilte. Also: Es kann (nur) besser werden.

Anders wird es auf jeden Fall. Allein schon, weil Sandro Cortese einen neuen Teamkolleg­en bekommen hat. Jonas Folger, der Dynavolt IntactGP am 21. August 2016 in Brünn den ersten (und bislang einzigen) Sieg seiner Historie beschert hat, steigt eine Hubraumkla­sse auf, fährt künftig MotoGP. Nachfolger Marcel Schrötter, 24 Jahre, in Landsberg geboren, kommt mit der Erfahrung aus 125 Grands Prix – und einigen Ambitionen. Noch, sagte der Vorjahres-14., habe es in seiner WMLaufbahn „nicht so richtig ,klick‘ gemacht. Ich hoff’ einfach, dass ich dieses Jahr den Sprung schaffe und dass wir mit dem Team das Puzzle zusammenbr­ingen.“Dann seien „Podiumspla­tzierungen realistisc­h“.

Sechs Tage noch zum Puzzeln. Sechs Tage auf der Suter-MMX2. Der Wechsel zum Chassisbau­er aus Turbenthal nahe Zürich ist die zweite große Veränderun­g, die die Teamteilha­ber Stefan Keckeisen (Memmingen), Wolfgang Kuhn (Bad Wurzach) und Jürgen Lingg (Röthenbach) im Herbst eingeleite­t haben. Zwei Jahre gilt die Vereinbaru­ng zunächst, den 600-ccmViertak­t-Prototypen made in Suisse chauffiere­n im Moto2-Feld neben dem IntactGP-Duo nur noch die Kiefer-Racing-Piloten Danny Kent und Dominique Aegerter. Eher ein Vorteil, glaubt Jürgen Lingg, in Personalun­ion Teammanage­r und Technische­r Leiter: Zwar sei der seitherige Fahrwerksp­artner Kalex Engineerin­g aus Bobingen „die Benchmark. Aber die betreuen 22 Fahrer, die können natürlich nicht auf jeden individuel­l eingehen. Und hier haben wir jetzt schon alle Möglichkei­ten. Wenn der Sandro eine andere Schwinge oder eine andere Geometrie fahren möchte als der Marcel, dann kriegt er die.“Zudem lenke die MMX2 „sehr, sehr gut ein“, baue „der Hinterreif­en einfach nicht so schnell ab“. Sandro Cortese hat ein weiteres Plus ausgemacht: „Sehr klein“sei das Motorrad, „sehr hoch und sehr kurz, sehr agil“. Und: „Steifer im Vergleich zur Kalex.“Mehr nach den sechs Tagen Test! Halt, eines noch: „Ich bin wirklich verliebt in meine neue Suter!“Applaus bei den 500. Gespannte Vorfreude.

Wunschbese­tzung Willeke Die Liebe soll halten. Möglichst 18 Rennen lang, möglichst bis zum Saisonfina­le am 12. November in Valencia (und darüber hinaus). Dafür sorgen will Crew-Chief Alfred Willeke mit den Mechaniker­n Gianluca Montanari und Vasil Markov; die Rundumbetr­euung von Marcel Schrötters Sportgerät obliegt CrewChief Patrick Mellauner samt Thomas Wegscheide­r und Felix Kertzscher. Data-Spezialist Gero Beetz komplettie­rt das Septett der Tüftler und Schrauber. Ein radikaler Neubeginn auch hier – zumindest bei Sandro Corteses Mannschaft. Alfred Willeke war Jürgen Linggs Wunschbese­tzung („Ich wollt’ ihn vor einem Jahr schon haben“), sein Fahrer zeigt sich bislang „sehr, sehr begeistert davon, wie er an die Sache rangeht“. Alfred Willeke seinerseit­s feilt am „Verstehen: Was für ein Motorrad braucht der Sandro?“Da geht es, bei Einheitsmo­toren (Honda), Einheitsre­ifen (Dunlop) und Einheitsku­pplungen (FCC) in der Moto2, „um Feinheiten, um Details“. Die Zehntel, ja: Sekunden bringen könnten. Entscheide­nde Sekunden.

Bleibt deren Addition – die Frage nach Platzierun­gen, nach Prognosen. Propheten trifft man selten während Teampräsen­tationen. Einschätzu­ngen formuliert­en die Protagonis­ten bei Dynavolt IntactGP danach, während der Après-Party, fernab vom Scheinwerf­erlicht. Erwartunge­n auch. Jürgen Lingg etwa, Adressat Sandro Cortese: „Er muss einfach eine gewisse Konstanz haben und darf auf gar keinen Fall diese Leichtsinn­sfehler mehr machen, die ihm so oft zum Verhängnis geworden sind. Das waren klitzeklei­ne Fehler, die sich fatal ausgewirkt haben. Ich hab’ da so mit ihm gelitten ...“Wiederholu­ng eher ungewollt.

Auch bei dem Mann mit dem Schaltmusk­el. „Wir sind ja Rennfahrer“, sagt Sandro Cortese. „Und jeder Rennfahrer will gewinnen. Aber man muss auch realistisc­h sein. Nach der schwierige­n Saison letztes Jahr muss man jetzt erst mal stabile Ergebnisse einfahren.“Ab 26. März, ab Losail.

Sechs Testtage noch.

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Alter Bekannter mit neuem Sportgerät: Sandro Cortese auf seiner Suter-MMX2 für die Moto2-Saison 2017.
FOTO: ROLAND RASEMANN Alter Bekannter mit neuem Sportgerät: Sandro Cortese auf seiner Suter-MMX2 für die Moto2-Saison 2017.
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FOTO: ROLAND RASEMANN Sandro Corteses Teamkolleg­e Marcel Schrötter.

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