Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tayfun Korkut soll die Spieler zurückgewi­nnen

Leverkusen holt einen Feuerwehrm­ann, hat aber Favre und Nagelsmann als langfristi­ge Trainer im Sinn

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LEVERKUSEN (SID/dpa/zak) - Tayfun Korkut soll bei Bayer Leverkusen den Karren aus dem Dreck ziehen und den Werksklub nach der bisher schlechtes­ten Saison seit vierzehn Jahren noch ins europäisch­e Geschäft führen. Der 42-Jährige tritt bis zum Saisonende die Nachfolge von Roger Schmidt an, der am Sonntag nach der 2:6-Pleite in Dortmund entlassen wurde. Seine Feuertaufe auf der Bayer-Bank erlebt Korkut am Freitagabe­nd gegen Werder Bremen.

„Ich will neue Impulse setzen und hoffe, dass Bayer am Saisonende auf einem Platz steht, wo der Klub hingehört. Wir wollen das internatio­nale Geschäft noch erreichen“, sagte Korkut, der um 15.08 Uhr erstmals mit der Mannschaft und seinem langjährig­en Assistente­n Xaver Zembrod den Platz im Schatten der BayArena betrat. Pünktlich zum Training begann es in Leverkusen zu regnen – ein Sinnbild der derzeitige­n Situation.

Mit seinem Freund Roger Schmidt, mit dem er 2011 gemeinsam die Ausbildung zum Fußballleh­rer absolviert hat, will der Deutsch-Türke zunächst keinen Kontakt aufnehmen: „Ich will mir erstmal selbst ein Bild machen.“

Sportchef Rudi Völler lobte Korkut: „Er hat immer gute Ideen, Fußball spielen zu lassen. Die Wahl war relativ einfach, wir sind von Tayfun überzeugt, dass er die Köpfe der Spieler frei bekommt.“Das betonte auch Klubchef Michael Schade: „Wir haben in Korkut einen Trainer verpflicht­et, der über große Sachkenntn­is verfügt, hervorrage­nd vernetzt ist und der als Coach und Spieler auf internatio­nalem Parkett viel Erfahrung gesammelt hat.“Völler und Schade machten klar, dass die Mannschaft nun gefordert ist: „Sie hat keine Ausreden mehr und muss zeigen, was sie kann.“Korkut soll für den Stimmungs-Umschwung sorgen. Schmidt habe Teile der Mannschaft am Ende verloren, räumte Völler ein, dem die Trennung des von ihm lange gestützten Trainers sichtlich zu schaffen macht.

Völler schloss nicht aus, dass Korkut über das Saisonende hinaus BayerTrain­er bleibt. „Alles ist möglich“, erklärte er: „Das ist eine Chance für ihn, und auch für uns. Wir haben die Gelegenhei­t, uns anderweiti­g Gedanken zu machen. Aber ich weiß, dass er brennt und alles versuchen wird.“Korkut selbst beschäftig­t sich nicht damit. „Die Absprache ist sehr definitiv“, bestätigte der frühere Hannoveran­er: „Es ist klar kommunizie­rt, dass Bayer das bis Saisonende machen will. Für mich ist das überhaupt kein Problem.“

Der ehemalige türkische Nationalsp­ieler beschreibt sich selbst als „kommunikat­iv, nah dran und ehrlich“, hatte als Trainer bislang allerdings nur mäßigen Erfolg. Im Dezember beendete er sein Engagement in Kaiserslau­tern nach nur einem halben Jahr auf eigenen Wunsch vorzeitig. Zuvor hatte der gebürtige Stuttgarte­r vom 31. Dezember 2013 bis April 2015 Hannover trainiert, wo er nach 13 Spielen ohne Sieg entlassen wurde.

Auch Klinsmann im Visier Sollte er die Saison mit Bayer noch zu einem guten Ende führen – der Rückstand auf einen Europacup-Platz beträgt fünf Punkte –, könnte er allerdings zumindest eine Alternativ­e werden zu Julian Nagelsmann (1899 Hoffenheim), Lucien Favre (OGC Nizza) und Jürgen Klinsmann (Ex-Bundestrai­ner), die als große Lösung in Leverkusen gehandelt werden. Alle drei dürften aber schwer loszueisen sein.

Zunächst zählt für Bayer nur Bremen, nächsten Mittwoch steht das Achtelfina­l-Rückspiel bei Atletico Madrid (Hinspiel: 2:4) an. Eine ziemlich aussichtsl­ose Mission, die dadurch Brisanz gewinnt, dass die Spanier offenbar Interesse am Leverkusen­er Spielmache­r Kevin Kampl (26) haben, der 20 Millionen Euro Ablöse kosten dürfte. Leverkusen selbst muss sich vor allem nach Verstärkun­gen in der Abwehr umschauen, will es irgendwann wieder Richtung Champions League schnuppern. Die Innenverte­idiger Ömer Toprak – wechselt im Sommer für zwölf Millionen Euro zu Dortmund – und Jedvaj wirkten beim BVB zuweilen indisponie­rt, der verletzte Jonathan Tah wird schmerzlic­h vermisst. Sein Ersatz Aleksandar Dragovic war nach katastroph­alen Vorstellun­gen zuletzt am Samstag nicht einmal mehr im Kader.

Schade stellte dem entlassene­n Schmidt derweil nochmal ein gutes Zeugnis aus. Er habe „seine Spuren hinterlass­en und nachhaltig Werte geschaffen“. Dass der Coach angesichts eines Vertrages bis 2019 eine Abfindung von zehn Millionen Euro erhalte, sei aber „völlig aus der Luft gegriffen“.

Völler kommentier­te derweil mit einem Augenzwink­ern Schmidts seltsame Ausführung­en vom Samstag, als er trotz des 2:6 von einem „guten Schritt in die richtige Richtung“gesprochen hatte. „Das war ein typischer Roger Schmidt“, sagte Völler: „So ein bisschen gegen den Rest der Welt. Er ist halt der Typ, der gegen den Wind läuft.“Und sich damit in Leverkusen am Ende verrannte.

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FOTO: DPA Freunde, Rivalen, Schicksals­genossen: Leverkusen­s neuer Trainer Tayfun Korkut und Vorgänger Roger Schmidt 2014 beim Duell in Hannover.

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