Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weitere Nachbeben sind möglich
Erschütterungen waren auch in Ravensburg zu spüren – Bürger reagieren mit Erstaunen
RAVENSBURG - Das Erdbeben am späten Montagabend in den Schweizer Alpen hat auch den Boden rund um Ravensburg in Schwingung versetzt. Viele SZ-Leser haben sich über die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook gemeldet und von Erschütterungen berichtet. Und mit weiteren Nachbeben ist zu rechnen.
Mit einer Stärke von 4,6 hatte am Montag um 21.12 Uhr die Erde nahe Linthal (Kanton Glarus) gebebt, wie der Schweizerische Erdbebendienst der ETH Zürich meldete. Auch in Oberschwaben und rund um den Bodensee war das Beben zu spüren. Bei dem Polizeipräsidium in Konstanz gingen besorgte Anrufe ein. „Die Bürger haben sich erkundigt, was da los ist“, sagt Markus Sauter, Pressesprecher vom Polizeipräsidium Konstanz. Jedoch sei dem Präsidium bislang kein Schadensfall gemeldet worden.
In den kommenden Tagen müsse mit weiteren Erschütterungen gerechnet werden, hieß es vom Schweizerischen Erdbebendienst auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Bis Dienstagvormittag verzeichneten die Experten 16 kleinere Beben zwischen 0,2 und 2,9 auf der Richterskala. Solche Erschütterungen sind in der Regel nicht spürbar, werden von den feinen Sensoren der Erdbebennetzwerke aber gemessen. Das erklärt auch, warum ein nächtliches Erdbeben der Stärke 2,6 am vergangenen Samstag in Ravensburg kaum wahrgenommen wurde. Ob in den kommenden Tagen noch stärkere Beben drohen, das können die Schweizer Wissenschaftler nur vermuten. „Es ist möglich, kommt aber nur selten vor“, erklärt Michele Marti, Leiterin der Kommunikationsabteilung beim Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich.
Expertin: Kraftwerke sind sicher Ein Beben in der Größenordnung, wie es sich am Montag ereignet hat, gibt es laut Marti alle paar Jahre mal. Die Vorhersage ist schwierig. Rund 150 Messstationen zeichnen in der Schweiz die Bewegungen im Untergrund auf – aber eben erst, wenn sie passiert sind. „Die seismischen Daten fließen jedoch ebenso wie historische Erkenntnisse in Modelle ein, um die Wahrscheinlichkeiten von künftigen Erdbeben abzuschätzen“, sagt Michele Marti.
In einer Sache ist sich die Expertin aber ganz sicher: Die Schweizer Atomkraftwerke, die wegen Sicherheitsbedenken umstritten sind, haben das Beben vom Montag schadlos überstanden. Sie sagt: „Die Kraftwerke sind für ganz andere Größenordnungen ausgelegt.“
Im Netz reagierten die Oberschwaben am Montagabend mit Erstaunen auf das Erdbeben. Mehrere Facebook-Nutzer berichteten, dass sie Erschütterungen wahrgenommen hätten. „Ich bin erschrocken, weil meine Couch vibriert hat“, schreibt eine Ravensburgerin. Ein anderer Mann teilt mit: „Bei meinem alten Schrank haben die Scheiben gezittert.“So ähnlich hat das auch ein Twitter-Nutzer erlebt, der schreibt: „Den Rums habe ich am Schreibtisch deutlich gespürt.“
Doch die wenigsten Bürger gingen zunächst von einem Erdbeben aus. „Ich dachte, im Obergeschoss rumpelt es“, erzählt eine Frau auf Facebook. Eine andere scherzt: „Ich hatte schon Angst, es liege an mir und dem vielen Kaffee.“
„Bei meinem alten Schrank haben die Scheiben gezittert“, schrieb ein Facebook-Nutzer
Je höher, desto stärker spürbar Während die einen also zu später Stunde aufgeschreckt wurden, haben andere überhaupt nichts von den Erschütterungen mitbekommen. Wie kann das sein? „Es hängt stark davon ab, was man gerade macht und wo man sich gerade befindet“, sagt Wolfgang Brüstle, Erdbebenexperte am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg. Außerdem spiele die persönliche Sensibilität eines Menschen eine Rolle. Wer es sich also auf dem Sofa bequem gemacht hat, wird ein Erdbeben eher mitbekommen als jemand, der gerade im Auto unterwegs ist. Und wer unterm Dach wohnt, spürt es oft auch stärker: „Es ist möglich, dass ein Gebäude in den höheren Stockwerken stärker schwingt“, erklärt Brüstle.
Grund zur Panik gibt es dennoch nicht. In einer Broschüre gibt das Landesumweltministerium Tipps, wie man sich im Ernstfall verhalten sollte. Wer sich in einem Gebäude befindet, sollte dieses keinesfalls verlassen, da herabstürzende Gegenstände und Bauteile gefährlich werden können. Zudem gilt: Abstand von Glasflächen und hohen Möbeln halten! Nach einem Erdstoß sollte man sich auf weitere Nachbeben gefasst machen und den Fernseher oder das Radio einschalten.
Wer das Beben gespürt hat, sehen Sie in einem Filmbeitrag unter www.schwaebische.de/erdbeben. Dort finden Sie auch eine Karte zu den Erdbeben im Südwesten.