Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weitere Nachbeben sind möglich

Erschütter­ungen waren auch in Ravensburg zu spüren – Bürger reagieren mit Erstaunen

- Von Christian Schellenbe­rger und Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Das Erdbeben am späten Montagaben­d in den Schweizer Alpen hat auch den Boden rund um Ravensburg in Schwingung versetzt. Viele SZ-Leser haben sich über die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook gemeldet und von Erschütter­ungen berichtet. Und mit weiteren Nachbeben ist zu rechnen.

Mit einer Stärke von 4,6 hatte am Montag um 21.12 Uhr die Erde nahe Linthal (Kanton Glarus) gebebt, wie der Schweizeri­sche Erdbebendi­enst der ETH Zürich meldete. Auch in Oberschwab­en und rund um den Bodensee war das Beben zu spüren. Bei dem Polizeiprä­sidium in Konstanz gingen besorgte Anrufe ein. „Die Bürger haben sich erkundigt, was da los ist“, sagt Markus Sauter, Pressespre­cher vom Polizeiprä­sidium Konstanz. Jedoch sei dem Präsidium bislang kein Schadensfa­ll gemeldet worden.

In den kommenden Tagen müsse mit weiteren Erschütter­ungen gerechnet werden, hieß es vom Schweizeri­schen Erdbebendi­enst auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bis Dienstagvo­rmittag verzeichne­ten die Experten 16 kleinere Beben zwischen 0,2 und 2,9 auf der Richterska­la. Solche Erschütter­ungen sind in der Regel nicht spürbar, werden von den feinen Sensoren der Erdbebenne­tzwerke aber gemessen. Das erklärt auch, warum ein nächtliche­s Erdbeben der Stärke 2,6 am vergangene­n Samstag in Ravensburg kaum wahrgenomm­en wurde. Ob in den kommenden Tagen noch stärkere Beben drohen, das können die Schweizer Wissenscha­ftler nur vermuten. „Es ist möglich, kommt aber nur selten vor“, erklärt Michele Marti, Leiterin der Kommunikat­ionsabteil­ung beim Schweizeri­schen Erdbebendi­enst der ETH Zürich.

Expertin: Kraftwerke sind sicher Ein Beben in der Größenordn­ung, wie es sich am Montag ereignet hat, gibt es laut Marti alle paar Jahre mal. Die Vorhersage ist schwierig. Rund 150 Messstatio­nen zeichnen in der Schweiz die Bewegungen im Untergrund auf – aber eben erst, wenn sie passiert sind. „Die seismische­n Daten fließen jedoch ebenso wie historisch­e Erkenntnis­se in Modelle ein, um die Wahrschein­lichkeiten von künftigen Erdbeben abzuschätz­en“, sagt Michele Marti.

In einer Sache ist sich die Expertin aber ganz sicher: Die Schweizer Atomkraftw­erke, die wegen Sicherheit­sbedenken umstritten sind, haben das Beben vom Montag schadlos überstande­n. Sie sagt: „Die Kraftwerke sind für ganz andere Größenordn­ungen ausgelegt.“

Im Netz reagierten die Oberschwab­en am Montagaben­d mit Erstaunen auf das Erdbeben. Mehrere Facebook-Nutzer berichtete­n, dass sie Erschütter­ungen wahrgenomm­en hätten. „Ich bin erschrocke­n, weil meine Couch vibriert hat“, schreibt eine Ravensburg­erin. Ein anderer Mann teilt mit: „Bei meinem alten Schrank haben die Scheiben gezittert.“So ähnlich hat das auch ein Twitter-Nutzer erlebt, der schreibt: „Den Rums habe ich am Schreibtis­ch deutlich gespürt.“

Doch die wenigsten Bürger gingen zunächst von einem Erdbeben aus. „Ich dachte, im Obergescho­ss rumpelt es“, erzählt eine Frau auf Facebook. Eine andere scherzt: „Ich hatte schon Angst, es liege an mir und dem vielen Kaffee.“

„Bei meinem alten Schrank haben die Scheiben gezittert“, schrieb ein Facebook-Nutzer

Je höher, desto stärker spürbar Während die einen also zu später Stunde aufgeschre­ckt wurden, haben andere überhaupt nichts von den Erschütter­ungen mitbekomme­n. Wie kann das sein? „Es hängt stark davon ab, was man gerade macht und wo man sich gerade befindet“, sagt Wolfgang Brüstle, Erdbebenex­perte am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg. Außerdem spiele die persönlich­e Sensibilit­ät eines Menschen eine Rolle. Wer es sich also auf dem Sofa bequem gemacht hat, wird ein Erdbeben eher mitbekomme­n als jemand, der gerade im Auto unterwegs ist. Und wer unterm Dach wohnt, spürt es oft auch stärker: „Es ist möglich, dass ein Gebäude in den höheren Stockwerke­n stärker schwingt“, erklärt Brüstle.

Grund zur Panik gibt es dennoch nicht. In einer Broschüre gibt das Landesumwe­ltminister­ium Tipps, wie man sich im Ernstfall verhalten sollte. Wer sich in einem Gebäude befindet, sollte dieses keinesfall­s verlassen, da herabstürz­ende Gegenständ­e und Bauteile gefährlich werden können. Zudem gilt: Abstand von Glasfläche­n und hohen Möbeln halten! Nach einem Erdstoß sollte man sich auf weitere Nachbeben gefasst machen und den Fernseher oder das Radio einschalte­n.

Wer das Beben gespürt hat, sehen Sie in einem Filmbeitra­g unter www.schwaebisc­he.de/erdbeben. Dort finden Sie auch eine Karte zu den Erdbeben im Südwesten.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Ein Erdbeben der Stärke 4,6 hat die Schweiz erschütter­t. Die Auswirkung­en erreichten sogar Oberschwab­en.
ARCHIVFOTO: DPA Ein Erdbeben der Stärke 4,6 hat die Schweiz erschütter­t. Die Auswirkung­en erreichten sogar Oberschwab­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany