Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Erbe des Weingartener Sängers
Im Stadtarchiv liegt seit Kurzem der Nachlass von Johannes Kleiner, der das Weingarten-Lied schrieb – mit teils verschollenen Werken
WEINGARTEN - Es ist ein historisches Juwel, das nun im obersten Stockwerk des Weingartener Stadtmuseums im Schlössle liegt: Seit Jahresbeginn ist das Museum im Besitz des Nachlasses von Johannes Kleiner – dem Komponisten des WeingartenLiedes, das beim Welfenfest und bei zahlreichen anderen Gelegenheiten in der Stadt mit Inbrunst gesungen wird. Konkret sind es eine Sammlung mit Musikstücken und ein Heimatbuch, die Heimatkundler Jürgen Hohl für die Stadt ausfindig gemacht hat. Unter den Schriftstücken befindet sich die erste handschriftliche Version des Weingarten-Liedes, aber auch zahlreiche bis dato unbekannte und zwischenzeitlich verschollene Werke.
Oben unterm Dach des Museums werkelt Uwe Lohmann an einer neuen Sonderausstellung. Der Museumsleiter und Stadtarchivar möchte die Geschichte des Welfenfestes beleuchten, früher einmal hieß es Kinderund Heimatfest. Für seine Ausstellung kann Lohmann nun auf Schriften zurückgreifen, die dazu bestens passen: Im Nachlass des ehemaligen Oberlehrers Kleiner nimmt das Weingarten-Lied, das zum Welfenfest an fast jeder Ecke in der Stadt gesungen wird, einen großen Platz ein. In verschiedenen Versionen hat Johannes Kleiner das Stück verewigt. Als Chorstück, für Klavier und für Orchester.
Neben der allseits bekannten Hymne auf die Stadt hat Kleiner weitere Hommagen geschrieben, zum Beispiel über die Heilig-Blut-Reliquie, über Schussen und Scherzach und auch über das benachbarte Ravensburg. Die Stücke tragen Titel wie „Am Stillen Bach“, „Der Mönch am Rösslersee“, „Kommt her und schaut den Tropfen Blutes“oder „Weingartener Spaziergänge“.
Die Werke stammen zumeist aus den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Oberlehrer Kleiner stammte von der Schwäbischen Alb und kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Weingarten. „Er muss sofort in die Stadt vernarrt gewesen sein“, sagt Jürgen Hohl. „Er hat sofort angefangen, Liebeslieder über Weingarten zu schreiben.“1921 entstand das Weingarten-Lied bei der ersten Ausgabe des Festes nach dem Krieg.
Sammlung lag in Rottweil Anfang Januar 2017 bekam Jürgen Hohl einen Anruf aus Zimmern ob Rottweil. Dort hatte der Sammler Reinhold Liebermann die Schriftstücke bei einer Haushaltsauflösung entdeckt. „Sie gehörten einem ehemaligen Lehrer, der in Weingarten studiert hatte und als Untermieter bei Johannes Kleiner wohnte“, berichtet Liebermann. Als der Sammler den Wert der Sammlung entdeckte, rief er Jürgen Hohl an, den er aus Funk und Fernsehen – vor allem aus der Fasnet – kannte. „So etwas muss dorthin zurück, wo es hingehört“, sagt Liebermann. Und so bot er Jürgen Hohl die Schriften an, und sowohl dieser als auch Uwe Lohmann schlugen sofort zu. „Das gehört nach Weingarten“, sagt der Stadtarchivar.
Manche der Stücke, die Kleiner während seines Wirkens schrieb, müssen noch in den 1950er-Jahren in Weingarten zu hören gewesen sein. Damals, so dokumentiert es das im Nachlass enthaltene Buch, feierte Johannes Kleiner seinen 75. Geburtstag. Das Buch wurde ihm als Mitglied und Sänger vom Liederkranz Weingarten
überreicht. Es enthält neben zahlreichen Liedern auch geschichtliche Teile und viele Bilder von Weingarten und Umgebung. Für die Öffentlichkeit war all dies ursprünglich gar nicht bestimmt. „Johannes Kleiner war zu bescheiden, als dass er diese Kostbarkeiten veröffentlichte“, schrieb die „Schwäbische Zeitung“1950 in einer Notiz zum 75. Geburtstag Kleiners.
„Es wäre wunderbar, wenn einige der Lieder wiederbelebt werden könnten“, sagt Jürgen Hohl. Er wünscht sich, dass Ensembles aus Weingarten sich die Texte und Noten einmal genauer anschauen. Auch
Uwe Lohmann bietet hier Zusammenarbeit an. „Wir können das Material natürlich für Aufführungen zur Verfügung stellen“, sagt der Archivar.
Johannes Kleiner starb 1961 im Alter von 85 Jahren. Was er der Stadt, die er so liebte, hinterlassen hat, ist aber in jedem Jahr sehr lebendig: im Weingarten-Lied – und vielleicht demnächst auch wieder in Form vieler anderer Stücke.
Die Ausstellung im Schlössle zum Welfenfest startet mit der Kunstund Museumsnacht am 1. Juli.