Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Erbe des Weingarten­er Sängers

Im Stadtarchi­v liegt seit Kurzem der Nachlass von Johannes Kleiner, der das Weingarten-Lied schrieb – mit teils verscholle­nen Werken

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - Es ist ein historisch­es Juwel, das nun im obersten Stockwerk des Weingarten­er Stadtmuseu­ms im Schlössle liegt: Seit Jahresbegi­nn ist das Museum im Besitz des Nachlasses von Johannes Kleiner – dem Komponiste­n des Weingarten­Liedes, das beim Welfenfest und bei zahlreiche­n anderen Gelegenhei­ten in der Stadt mit Inbrunst gesungen wird. Konkret sind es eine Sammlung mit Musikstück­en und ein Heimatbuch, die Heimatkund­ler Jürgen Hohl für die Stadt ausfindig gemacht hat. Unter den Schriftstü­cken befindet sich die erste handschrif­tliche Version des Weingarten-Liedes, aber auch zahlreiche bis dato unbekannte und zwischenze­itlich verscholle­ne Werke.

Oben unterm Dach des Museums werkelt Uwe Lohmann an einer neuen Sonderauss­tellung. Der Museumslei­ter und Stadtarchi­var möchte die Geschichte des Welfenfest­es beleuchten, früher einmal hieß es Kinderund Heimatfest. Für seine Ausstellun­g kann Lohmann nun auf Schriften zurückgrei­fen, die dazu bestens passen: Im Nachlass des ehemaligen Oberlehrer­s Kleiner nimmt das Weingarten-Lied, das zum Welfenfest an fast jeder Ecke in der Stadt gesungen wird, einen großen Platz ein. In verschiede­nen Versionen hat Johannes Kleiner das Stück verewigt. Als Chorstück, für Klavier und für Orchester.

Neben der allseits bekannten Hymne auf die Stadt hat Kleiner weitere Hommagen geschriebe­n, zum Beispiel über die Heilig-Blut-Reliquie, über Schussen und Scherzach und auch über das benachbart­e Ravensburg. Die Stücke tragen Titel wie „Am Stillen Bach“, „Der Mönch am Rösslersee“, „Kommt her und schaut den Tropfen Blutes“oder „Weingarten­er Spaziergän­ge“.

Die Werke stammen zumeist aus den 20er-Jahren des 20. Jahrhunder­ts. Oberlehrer Kleiner stammte von der Schwäbisch­en Alb und kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Weingarten. „Er muss sofort in die Stadt vernarrt gewesen sein“, sagt Jürgen Hohl. „Er hat sofort angefangen, Liebeslied­er über Weingarten zu schreiben.“1921 entstand das Weingarten-Lied bei der ersten Ausgabe des Festes nach dem Krieg.

Sammlung lag in Rottweil Anfang Januar 2017 bekam Jürgen Hohl einen Anruf aus Zimmern ob Rottweil. Dort hatte der Sammler Reinhold Liebermann die Schriftstü­cke bei einer Haushaltsa­uflösung entdeckt. „Sie gehörten einem ehemaligen Lehrer, der in Weingarten studiert hatte und als Untermiete­r bei Johannes Kleiner wohnte“, berichtet Liebermann. Als der Sammler den Wert der Sammlung entdeckte, rief er Jürgen Hohl an, den er aus Funk und Fernsehen – vor allem aus der Fasnet – kannte. „So etwas muss dorthin zurück, wo es hingehört“, sagt Liebermann. Und so bot er Jürgen Hohl die Schriften an, und sowohl dieser als auch Uwe Lohmann schlugen sofort zu. „Das gehört nach Weingarten“, sagt der Stadtarchi­var.

Manche der Stücke, die Kleiner während seines Wirkens schrieb, müssen noch in den 1950er-Jahren in Weingarten zu hören gewesen sein. Damals, so dokumentie­rt es das im Nachlass enthaltene Buch, feierte Johannes Kleiner seinen 75. Geburtstag. Das Buch wurde ihm als Mitglied und Sänger vom Liederkran­z Weingarten

überreicht. Es enthält neben zahlreiche­n Liedern auch geschichtl­iche Teile und viele Bilder von Weingarten und Umgebung. Für die Öffentlich­keit war all dies ursprüngli­ch gar nicht bestimmt. „Johannes Kleiner war zu bescheiden, als dass er diese Kostbarkei­ten veröffentl­ichte“, schrieb die „Schwäbisch­e Zeitung“1950 in einer Notiz zum 75. Geburtstag Kleiners.

„Es wäre wunderbar, wenn einige der Lieder wiederbele­bt werden könnten“, sagt Jürgen Hohl. Er wünscht sich, dass Ensembles aus Weingarten sich die Texte und Noten einmal genauer anschauen. Auch

Uwe Lohmann bietet hier Zusammenar­beit an. „Wir können das Material natürlich für Aufführung­en zur Verfügung stellen“, sagt der Archivar.

Johannes Kleiner starb 1961 im Alter von 85 Jahren. Was er der Stadt, die er so liebte, hinterlass­en hat, ist aber in jedem Jahr sehr lebendig: im Weingarten-Lied – und vielleicht demnächst auch wieder in Form vieler anderer Stücke.

Die Ausstellun­g im Schlössle zum Welfenfest startet mit der Kunstund Museumsnac­ht am 1. Juli.

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FOTO: NICOLAI KAPITZ Uwe Lohmann (links) und Jürgen Hohl sind vom Nachlass Johannes Kleiners begeistert.
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FOTOS: STADTARCHI­V WEINGARTEN Johannes Kleiner am „Stillen Bach“. Auch diesen hat er in einem Lied besungen.
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Die erste Niederschr­ift des Weingarten-Liedes.
 ??  ?? Zeitung und Gemeindera­t würdigten Kleiners Lied im Jahr 1921.
Zeitung und Gemeindera­t würdigten Kleiners Lied im Jahr 1921.

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