Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In Wangen soll ein neuer Stadtteil entstehen

Investoren wollen auf Gelände der insolvente­n Neuen Textilvere­delung „Jahrhunder­tprojekt“verwirklic­hen

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Der Begriff „Jahrhunder­tprojekt“ist wohl nicht übertriebe­n: Auf dem Areal der insolvente­n Neuen Textilvere­delung Wangen (NTW) soll bis zum Jahr 2022 quasi ein komplett neuer Stadtteil entstehen: mit Gewerbe, Wohnen, Einzelhand­el, Nahversorg­ern, Gastronomi­e, Pflegeeinr­ichtungen, medizinisc­her Versorgung, ja sogar mit einem Hotel. Entspreche­nde Pläne haben die Investoren jetzt zum ersten Mal öffentlich beim Wangener Wirtschaft­skreis vorgestell­t.

Ende Juli 2015 gingen bei der insolvente­n Neuen Textilvere­delung in der Ausrüstung 1 endgültig die Lichter aus, etwa 80 Mitarbeite­r verloren ihre Jobs. Nur gut drei Monate später war das etwa 100 000 Quadratmet­er große Areal an ein Investoren-Trio aus der Region verkauft. Jürgen Hauke, Alexander Köhle und Peter Horne hatten damals die Vision eines Gewerbepar­ks. Nach Gesprächen mit möglichen Interessen­ten, mit der Stadtverwa­ltung und mit den Ratsfrakti­onen lautet nun das Ziel, das Gelände zwischen Argenbogen und Kanal in einen „attraktive­n Standort für urbanes Leben“zu verwandeln, wie Hauke am Dienstagab­end beim „After-Work“des Wangener Wirtschaft­skreises sagte.

Das Gewerbe soll mit einem Anteil von etwa 70 Prozent der Gesamtfläc­he (Größenordn­ung rund 13 Fußballfel­der) aber weiterhin den Schwerpunk­t der künftigen Nutzung bilden. Angedacht sei vor allem eine kleinglied­rige Gewerbeans­iedlung für ortsansäss­ige und neue Unternehme­n, so Jürgen Hauke. Allein der Handwerksh­allenberei­ch soll rund 20 000 Quadratmet­er groß sein. Die Gewerbeflä­chen – freie Flächen sind in der Stadt aktuell im Prinzip nicht vorhanden – sind zum großen Teil zentral auf dem Gelände geplant und zum Verkauf vorgesehen.

Mit dem Arbeiten auf dem früheren NTW-Gelände soll künftig das Wohnen verknüpft werden. Auf der sogenannte­n Brunnenwie­se südöstlich der Industrieb­rache sind auf einer Gesamtfläc­he von rund 22 000 Quadratmet­ern Doppelhäus­er und Geschosswo­hnungsbau geplant – ebenfalls zum Verkauf. „Bezahlbare­r Wohnraum“und „Wohnraum für sozial Benachteil­igte“stehen ebenfalls auf der Agenda der Investoren. Auch ältere und pflegebedü­rftige Menschen sollen auf dem Areal eine neue Heimat finden. So sieht der am Dienstag vorgestell­te, städtebaul­iche Entwurf des Büros „Kuon Architekte­n & Ingenieure“dies- und jenseits des Kanal-Knicks ein Pflegeheim und eine Seniorenre­sidenz vor.

Ebenfalls auf der innenstadt­nahen Seite sind ein medizinisc­hes Versorgung­szentrum, weiterer Raum für Wohnen und Gewerbe sowie ein Hotel-Neubau vorgesehen. „Ein reines Tagungshot­el wird nicht funktionie­ren“, sagt Jürgen Hauke und kann sich ein sogenannte­s „Business- und Boarding-Hotel“vorstellen – wo dann auch längere Aufenthalt­e beispielsw­eise für Firmenmita­rbeiter möglich sein sollen. Der Investor hofft hier auch auf Synergien mit dem angrenzend­en Gewerbegeb­iet Atzenberg.

Bauvolumen: 150 Millionen Euro Zur Infrastruk­tur des neuen „Stadtteils“sollen auch Nahversorg­er, Einzelhand­el sowie eine Erlebnisga­stronomie gehören. „Wir wollen aber keine Konkurrenz zum innerstädt­ischen Gewerbe sein“, so Hauke weiter. Parallel zur Isnyer Straße, auf der anderen Argenseite, sind weitere Büround Gewerbeflä­chen vorgesehen. Möglich sei eventuell sogar eine Kinderbetr­euungsstät­te. Sicher ist dagegen, dass der schon von weitem sichtbare Kamin abgerissen wird. Ob die bereits jetzt entmietete Villa stehen bleibt, ist fraglich. „Unser Wunsch ist eine Sanierung“, sagt Jürgen Hauke. Das sei aber abhängig von den Kosten.

Hauke will auch in Sachen Ökologie und Energie bei dem „Jahrhunder­tprojekt“Maßstäbe setzen. Wasserkraf­t, Photovolta­ik und ein eigenes Nahwärmene­tz sollen das frühere NTW-Areal energieaut­ark machen. Unter anderem durch eine öffentlich­e Parkanlage, die Aufwertung des Argenrands­treifens und mit einer Industriea­nsiedlung, die emissionsa­rm bei Lärm und Geruch ist, soll dem Naturschut­z Rechnung getragen werden. „Wir wollen bis zur Landesgart­enschau 2024 einen modernen Stadtteil entwickeln, wären aber gerne schon 2022 fertig“, sagt Jürgen Hauke.

Die von ihm prognostiz­ierten Zahlen und Fakten hören sich jedenfalls beeindruck­end an. 150 Wohneinhei­ten sollen entstehen, bis zu 120 Hotelzimme­r verfügbar sein und ebenso viele Pflegeeinh­eiten. Haukes Ziel ist zwischen 500 und 1000 Arbeitsplä­tze zu schaffen, bei einem Gesamtbauv­olumen des Projekts in Höhe von etwa 150 Millionen Euro. Erschlosse­n werden soll das Gelände durch eine zweite, schwerlast­taugliche Argenbrück­e die wenige hundert Meter weiter stadtauswä­rts von der bestehende­n Brücke sein soll. Wegen der neuen Gewerbeans­iedlung und wegen des geplanten Wohnens ist auch ein neuer Bebauungsp­lan nötig. „Es wird eine Neuentwick­lung aus einem Guss“verspricht Jürgen Hauke.

Momentan wird nur noch ein kleiner Teil des NTW-Geländes von Firmen genutzt. Der Großteil der Hallen ist aber mittlerwei­le leer geräumt und im Prinzip zum Abriss bereit. In einer der Frühjahrss­itzungen werden die Investoren-Pläne im Wangener Rat diskutiert. „Ende 2017 soll der Abbruch beginnen, wenn wir nicht in die Vermietung müssen, was nicht unsere Zielsetzun­g ist“, so Hauke Und: „Das, was die Stadt uns zulässt zu realisiere­n, wollen wir gerne machen.“In fünf Jahren will Hauke sein „bisher größtes Projekt“abgeschlos­sen haben. Dann könnte die heutige Industrieb­rache in der Ausrüstung 1 nicht mehr wiederzuer­kennen sein.

Ein kurzes Video zum NTW-Areal steht online unter

www.schwaebisc­he.de/wangen

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