Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zweifel an der Pkw-Maut wachsen

Bundestag berät über das umstritten­e Gesetz – Experte rät zum Verzicht auf die Abgabe

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Der Friedrichs­hafener Verkehrswi­ssenschaft­ler Alexander Eisenkopf hat eine Empfehlung an die Politik: Am besten ganz auf die Maut verzichten. Heute berät der Bundestag in erster Lesung die Neufassung des Gesetzes zur Infrastruk­turabgabe. Doch Eisenkopf, Lehrstuhli­nhaber der Zeppelin-Universitä­t, der schon 2015 als Sachverstä­ndiger im Haushaltsa­usschuss die Mauteinnah­men begutachte­te, hält die Zahlen nach wie vor für viel zu optimistis­ch. „Es spricht einiges dafür, dass die Einnahmepr­ognose des Bundesmini­steriums für Verkehr eben gerade nicht konservati­v gerechnet ist, sondern erneut zu einer massiven Überschätz­ung der Mauteinnah­men neigt.“Das schreibt Eisenkopf in einem Brandbrief an die Verkehrspo­litiker in Bund und Ländern.

„Diese Maut hat nur einen Sinn und Zweck: Das politische Überleben von Minister Dobrindt zu sichern“, sagt Alexander Eisenkopf der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seine Einschätzu­ng teilen in Berlin nicht nur Linke und Grüne, welche Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) auffordern, das Projekt zu stoppen. Auch Koalitions­partner SPD steht nur halbherzig zur Maut. Christine Lambrecht, die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin, kritisiert: „Bislang haben wir keine Zusage vom Finanzmini­sterium, dass tatsächlic­h mit der Maut signifikan­te Mehreinnah­men erzielt werden.“Das sei aber Voraussetz­ung für eine Zustimmung. Deshalb habe die SPDFraktio­n bereits vor einer Woche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble schriftlic­h aufgeforde­rt, eine Zusage zu machen, „dass es kein Nullsummen­spiel gibt“.

Bislang geht Dobrindt von insgesamt 3,9 Milliarden Euro Gesamteinn­ahmen bei der Maut aus, davon 3,1 Milliarden von in Deutschlan­d zugelassen­en Fahrzeugen und rund 830 Millionen von ausländisc­hen Fahrzeugen. Die Deutschen sollen in gleichem Umfang bei der Kfz-Steuer entlastet werden, wobei für Euro-6Fahrzeuge eine zusätzlich­e Steuerermä­ßigung von 100 Millionen Euro anfällt. Laut Ministeriu­m blieben somit bei Systemkost­en von 210 Millionen Euro unter dem Strich rund 500 Millionen Nettoeinna­hmen.

Wissenscha­ftler Eisenkopf aber zweifelt: Da seitens des Ministeriu­ms keine wissenscha­ftlich fundierte Mautprogno­se extern in Auftrag gegeben worden sei, bediene man sich eines Gutachtens, das mit schweren Mängeln behaftet und als reines „Parteiguta­chten“zu bewerten sei.

Auch andere Gutachter zweifeln. Der vom ADAC beauftragt­e Gutachter Ralf Ratzenberg­er erwartet ein Minusgesch­äft für den Staat – und den Steuerzahl­er. Eisenkopf rechnet vor, wenn man Einnahmeve­rluste bei der Kfz-Steuer von realistisc­herweise 137 Millionen Euro sowie die Betriebsko­sten und die Einmalkost­en berücksich­tige, müsse die Maut mindestens 390 Millionen Euro bringen, um überhaupt einen Überschuss zu erzeugen.

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