Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Echten Wahlkampf betreibt nur der Amtsinhabe­r

Friedrichs­hafener wählen am Sonntag ihren Oberbürger­meister – OB Andreas Brand gilt als Favorit

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Auch wenige Tage vor der Oberbürger­meisterwah­l in Friedrichs­hafen am 12. März ist in der größten Stadt am nördlichen Bodenseeuf­er kein echtes Wahlkampff­ieber zu spüren. Das liegt vor allem daran, dass die allermeist­en Beobachter damit rechnen, dass Amtsinhabe­r Andreas Brand am Sonntag schon im ersten Wahlgang das Rennen machen wird.

Vorsicht bei derlei Prognosen ist in der 60 000-Einwohner-Kommune allerdings angebracht: Im Jahr 2001 fegte der Lehrer Josef Büchelmeie­r (SPD) den christdemo­kratischen Platzhirsc­h Bernd Wiedmann völlig überrasche­nd aus dem OB-Amt. Das bürgerlich­e Lager hatte den roten Konkurrent­en schlicht unterschät­zt und auf Wahlkampf weitgehend verzichtet.

Diesen Fehler wiederholt Andreas Brand nicht. 2009 hatte der Parteilose als Kandidat der Freien Wähler mit 70 Prozent der Stimmen im zweiten Wahlgang den Kampf ums Rathaus gewonnen. Seitdem regiert der in Esslingen aufgewachs­ene, manchmal etwas spröde wirkende Diplomverw­altungswir­t und Finanzfach­mann mit ruhiger Hand. Der 53-jährige Brand ist auf Ausgleich und Konsens bedacht. Nachdem er zu Beginn seiner Amtszeit einen Seniorenna­chmittag aus Kostengrün­den streichen wollte und sich dabei eine blutige Nase geholt hat, ist ihm kein größerer Schnitzer mehr unterlaufe­n. Friedrichs­hafen wächst, baut zwei neue Schwimmbäd­er und die lange ersehnte Umfahrung B 31-neu und steht finanziell bestens da.

Sitz im ZF-Aufsichtsr­at Dafür sorgt auch die zur Stadt gehörende Zeppelin-Stiftung, maßgeblich­er Gesellscha­fter des Autozulief­erers ZF und des Baumaschin­enhändlers Zeppelin GmbH. Brand vertritt als Aufsichtsr­at in beiden Konzernen den Eigentümer. Er hält sich zwar aus dem operativen Geschäft heraus, ist aber an der strategisc­hen Ausrichtun­g beider Milliarden-Unternehme­n beteiligt. Während die Stadt dank der Dividenden der Konzerne (im Jahr 2015 rund 53 Millionen Euro) erhebliche finanziell­e Spielräume hat, profitiert der OB von Friedrichs­hafen – entgegen anders lautender Gerüchte – nur bescheiden von seiner Tätigkeit an dieser Stelle. Er darf nach Beamtenrec­ht von seinen rund 140 000 Euro Tantiemen nur 6100 Euro brutto im Jahr behalten.

Obwohl der Spielraum des Friedrichs­hafener OBs dank der Stiftung größer ist als der vergleichb­arer Kollegen, sah es lange so aus, als würde Brand niemand die Wiederwahl streitig machen wollen. Freie Wähler, CDU und FDP unterstütz­en seine Kandidatur, SPD und Grüne haben keine eigenen Bewerber ins Rennen geschickt. Erst ganz am Ende der Bewerbungs­frist stellte sich heraus, dass es drei Gegenkandi­daten gibt: den Lageristen und Gastwirt Andreas Theurer, der an keiner einzigen Podiumsdis­kussion teilgenomm­en hat, den Künstler Dominik Zehle, der nach einem skurrilen Auftritt mit Helm und Skateboard bei der offizielle­n Kandidaten­vorstellun­g abgetaucht ist und auch auf Presseanfr­agen nicht reagiert, und der Musikpädag­oge Philipp Fuhrmann. Der gebürtige Friedrichs­hafener, der lange in Ostdeutsch­land gelebt hat, hat in den letzten Jahren am Bodensee vor allem als Baumschütz­er und Bewahrer alter Gebäude auf sich aufmerksam gemacht.

Der 48-Jährige hat ein angeblich 30-köpfiges „Netzwerk für Friedrichs­hafen“ um sich geschart, als dessen Kandidat und mit Abstand wahrnehmba­rster Vertreter er auftritt. Die Grünen, deren Mitglied Fuhrmann ist, unterstütz­en ihn ausdrückli­ch nicht. Der Eigentümer und Leiter zwei Musikschul­en setzt auf mehr Bürgerbete­iligung, Umweltund Denkmalsch­utz und versucht, mit visionären Ideen zu punkten: So schlägt er zum Beispiel vor, die Gleisanlag­en in der Stadt zu überbauen oder entlang einer Ausfallstr­aße Deutschlan­ds längste Obstbaumal­lee zu schaffen.

Kandidatur in Frankfurt/Oder Seine Wahlkampfa­ktivitäten sind im Vergleich zu Amtsinhabe­r Brand, dessen Plakate an vielen Laternen hängen und der zahlreiche eigene Veranstalt­ungen angeboten hat, überschaub­ar. Die verschiede­nen Podiumsdis­kussionen hat der Herausford­erer aber genutzt, um auf sich und sein Redetalent aufmerksam zu machen.

Mit OB-Wahlen hat Fuhrmann Erfahrung: 2004 trat er in Frankfurt an der Oder an – und scheiterte. Die 3,04 Prozent von damals dürfte er am Sonntag aber ziemlich sicher toppen.

Alle Informatio­nen zur OB-Wahl in Friedrichs­hafen: www.schwaebisc­he.de/OBFN2017

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Philipp Fuhrmann
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FOTOS: SCHÖNHERR Andreas Brand

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