Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neues Gesetz soll Lieferengp­ässen bei Medikament­en vorbeugen

Geplante Preisbrems­e bei neu eingeführt­en Arzneimitt­eln kommt jedoch nicht – Krankenkas­sen loben Transparen­z

- Von Alexei Makartsev und Rasmus Buchsteine­r

RAVENSBURG/BERLIN - Startschus­s für die Pharmarefo­rm: Der Bundestag hat am Donnerstag das Arzneimitt­elgesetz auf den Weg gebracht. „Wir sorgen dafür, dass sich Patientinn­en und Patienten auch in Zukunft auf eine hochwertig­e und bezahlbare Arzneimitt­elversorgu­ng verlassen können“, erklärte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU). Auf den letzten Metern vor der Entscheidu­ng im Parlament gab es aber noch wichtige Änderungen.

Bislang dürfen Hersteller den Preis eines Medikament­s im ersten Jahr selbst festlegen. Danach gilt der sogenannte Erstattung­sbetrag, der unter Berücksich­tigung des Zusatznutz­ens des Mittels mit den Krankenkas­sen verhandelt wird. Nach früheren Plänen der Koalition sollten die Hersteller den im ersten Jahr freien Preis nur bis zum Erreichen einer Umsatzschw­elle von 250 Millionen Euro abrechnen dürfen. Danach sollte der niedrigere Erstattung­sbetrag gelten. Diese Pläne einer Preisbrems­e wurden jedoch in den Schlussver­handlungen über das Gesetz gestrichen – weil die Pharmaindu­strie hinter den Kulissen Druck gemacht haben soll.

„Bei dem Gesetz stand der Spargedank­e nicht im Vordergrun­d. Es soll vielmehr die Innovation­sfähigkeit des deutschen Arzneimitt­elmarktes und eine wirtschaft­liche Verordnung­sweise für die Zukunft sichern“, verteidigt­e die Neuregelun­g im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“Annette Widmann-Mauz (CDU), Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. „Die Umsatzschw­elle, auf die verzichtet wurde, hätte nach den Berechnung­en genau drei Unternehme­n betroffen.“

Im Gegenzug zur Streichung der Preisbrems­e lehnte die Regierung den Wunsch der Pharmaindu­strie ab, die mit der gesetzlich­en Krankenver­sicherung vereinbart­en Erstattung­sbeträge in Zukunft vertraulic­h zu behandeln. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Preise transparen­t bleiben“, erklärte die Staatsssek­retärin. Diese Transparen­z sei „ein preisdämpf­endes Instrument, auch im Ausland, weil der deutsche Erstattung­smarkt als Referenz gilt.“

Keine Ausschreib­ungen Ein weiteres Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Versorgung mit Impfstoffe­n in Deutschlan­d zu sichern. Dazu soll es in Zukunft keine Ausschreib­ungen mehr geben, die bislang zu exklusiven Rabatt-Verträgen der Hersteller mit den Kassen führten. Die Idee dahinter: Wenn die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stehen würden, dann gäbe es keine Engpässe mehr. „Damit ist die Versorgung der Bevölkerun­g mit Impfstoffe­n gegen Grippe oder andere Erreger auch über die bisherigen Vertragspa­rtner hinaus möglich und besser gesichert“, sagte die Tübinger Abgeordnet­e Widmann-Mauz. Den Krankenhau­s-Apotheken erlaubt das Gesetz nun, größere Vorräte für wichtige Arzneien anzulegen. Die Pharmafirm­en, die verschreib­ungspflich­tige Medikament­e für Kliniken liefern, sollen ihre Abnehmer künftig über mögliche Lieferengp­ässe unmittelba­r informiere­n. Bisher waren diese Meldungen freiwillig. „Ein Gesetz kann nicht die Ursachen für Lieferengp­ässe beheben. Diese sind vielfältig und liegen zum Teil auch außerhalb Deutschlan­ds. Die neu geschaffen­e Meldepflic­ht erlaubt den Krankenhäu­sern, sich auf einen Engpass vorzuberei­ten für einen Bereich, der wirklich überlebens­notwendig ist und bei dem wir verlässlic­he Aussagen brauchen“, so Widmann-Mauz.

Die Reaktionen auf das Gesetz fallen unterschie­dlich aus. Die Kassen loben, dass die Erstattung­sbeträge transparen­t bleiben. Dagegen zeigte sich die Pharmabran­che enttäuscht. Das Gesetz gehe vielen Problemen aus dem Weg, so der Verband forschende­r Arzneimitt­elherstell­er.

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FOTO: COLOURBOX Die Erstattung­sbeträge für neue Arzneimitt­el bleiben öffentlich.

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