Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gabriels Friedensgr­üße aus Moskau

- Von Michael Fischer und Friedemann Kohler, Moskau

ür Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel ist die Visite bei seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow der wohl schwierigs­te Antrittsbe­such seit seiner Amtsüberna­hme. Als Wirtschaft­sminister hat er Russland trotz aller Spannungen während der Ukraine-Krise mehrfach besucht, wurde immer von Präsident Wladimir Putin empfangen und setzte sich wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier für einen moderaten Kurs gegenüber Moskau ein. Zwischenze­itlich plädierte er sogar für eine schrittwei­se Aufhebung der EU-Sanktionen.

Beim Koalitions­partner Union und auch bei den östlichen Bündnispar­tnern in der Nato kam das nicht gut an. Jetzt wird genau beobachtet, wie Gabriel Moskau gegenüber agiert. Deswegen war er in der vergangene­n Woche zunächst einmal im Baltikum, am Mittwoch dann noch drei Stunden in Polen – also bei den Bündnispar­tnern, die sich seit der Krim-Annexion am stärksten von Russland bedroht fühlen.

Dort verteidigt­e Gabriel die Stationier­ung von 4000 Nato-Soldaten, darunter mehrere Hundert Deutsche in Litauen, zur Abschrecku­ng Russlands. Die Verantwort­ung dafür schob er ganz alleine Moskau zu. „Wenn Sie sich anschauen, welche gewaltige Militärmas­chinerie dem gegenübers­teht, dann kann man glaube ich nicht davon reden, dass die Nato oder der Westen eine Aufrüstung­sspirale begonnen hätten.“In der Ukraine hatte er Russland sogar als „Aggressor“bezeichnet.

In Moskau ist seine Botschaft eine ganz andere. Er würde gerne darüber reden, wie man wieder zu konkreten Abrüstungs­schritten in Europa kommen könne, sagt er zu Lawrow gleich zum Auftakt des Gesprächs. Er fügt aber gleich hinzu, dass das heute noch „weit entfernt scheint“, um den Widerspruc­h nicht ganz so offensicht­lich wirken zu lassen.

Bei Lawrow zeigt der Appell zunächst keine Wirkung. Der konzentrie­rt sich darauf, Gabriels Vorwurf einer übermächti­gen russischen Streitmach­t in Osteuropa zurückzuwe­isen. „Da haben wir eine andere Statistik“, sagt er. Russland werde „von Nato-Einheiten umzingelt“– auch von deutschen.

Ukraine-Frage entscheide­nd Ob eine Entspannun­g mit Russland möglich ist, hängt von einer einzigen Frage ab: Wie geht es weiter in der Ukraine? Deutschlan­d und Frankreich haben in den vergangene­n beiden Jahren vergeblich versucht, in dem Konflikt zwischen prorussisc­hen Separatist­en und Regierungs­truppen zu vermitteln. Der sogenannte Minsker Friedenspr­ozess kommt nicht voran. Jetzt gibt es die Idee, die USA einzubinde­n. Gabriel und Lawrow sprachen sich dafür aus – immerhin ein bisschen Einigkeit.

Lawrow hat es jetzt schon mit einigen deutschen Außenminis­tern verschiede­ner Parteien zu tun gehabt: Joschka Fischer (Grüne), Guido Westerwell­e (FDP), Steinmeier (SPD) und jetzt Gabriel. Dass mit dem Neuen ein Kurswechse­l eintritt, glaubt der russische Außenminis­ter nicht. Er sehe eine gewisse Kontinuitä­t zu Steinmeier, sagt Lawrow nach der Premiere mit Gabriel. „Ich hoffe, dass sich diese Kontinuitä­t verstetige­n und erhalten kann.“

Ein Gespräch mit Putin stand diesmal auch wieder auf dem Programm des Vizekanzle­rs, und zwar im Kreml und nicht in Putins Residenz außerhalb Moskaus – allerdings ohne gemeinsame­n öffentlich­en Auftritt.

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