Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gabriels Friedensgrüße aus Moskau
ür Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ist die Visite bei seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow der wohl schwierigste Antrittsbesuch seit seiner Amtsübernahme. Als Wirtschaftsminister hat er Russland trotz aller Spannungen während der Ukraine-Krise mehrfach besucht, wurde immer von Präsident Wladimir Putin empfangen und setzte sich wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier für einen moderaten Kurs gegenüber Moskau ein. Zwischenzeitlich plädierte er sogar für eine schrittweise Aufhebung der EU-Sanktionen.
Beim Koalitionspartner Union und auch bei den östlichen Bündnispartnern in der Nato kam das nicht gut an. Jetzt wird genau beobachtet, wie Gabriel Moskau gegenüber agiert. Deswegen war er in der vergangenen Woche zunächst einmal im Baltikum, am Mittwoch dann noch drei Stunden in Polen – also bei den Bündnispartnern, die sich seit der Krim-Annexion am stärksten von Russland bedroht fühlen.
Dort verteidigte Gabriel die Stationierung von 4000 Nato-Soldaten, darunter mehrere Hundert Deutsche in Litauen, zur Abschreckung Russlands. Die Verantwortung dafür schob er ganz alleine Moskau zu. „Wenn Sie sich anschauen, welche gewaltige Militärmaschinerie dem gegenübersteht, dann kann man glaube ich nicht davon reden, dass die Nato oder der Westen eine Aufrüstungsspirale begonnen hätten.“In der Ukraine hatte er Russland sogar als „Aggressor“bezeichnet.
In Moskau ist seine Botschaft eine ganz andere. Er würde gerne darüber reden, wie man wieder zu konkreten Abrüstungsschritten in Europa kommen könne, sagt er zu Lawrow gleich zum Auftakt des Gesprächs. Er fügt aber gleich hinzu, dass das heute noch „weit entfernt scheint“, um den Widerspruch nicht ganz so offensichtlich wirken zu lassen.
Bei Lawrow zeigt der Appell zunächst keine Wirkung. Der konzentriert sich darauf, Gabriels Vorwurf einer übermächtigen russischen Streitmacht in Osteuropa zurückzuweisen. „Da haben wir eine andere Statistik“, sagt er. Russland werde „von Nato-Einheiten umzingelt“– auch von deutschen.
Ukraine-Frage entscheidend Ob eine Entspannung mit Russland möglich ist, hängt von einer einzigen Frage ab: Wie geht es weiter in der Ukraine? Deutschland und Frankreich haben in den vergangenen beiden Jahren vergeblich versucht, in dem Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen zu vermitteln. Der sogenannte Minsker Friedensprozess kommt nicht voran. Jetzt gibt es die Idee, die USA einzubinden. Gabriel und Lawrow sprachen sich dafür aus – immerhin ein bisschen Einigkeit.
Lawrow hat es jetzt schon mit einigen deutschen Außenministern verschiedener Parteien zu tun gehabt: Joschka Fischer (Grüne), Guido Westerwelle (FDP), Steinmeier (SPD) und jetzt Gabriel. Dass mit dem Neuen ein Kurswechsel eintritt, glaubt der russische Außenminister nicht. Er sehe eine gewisse Kontinuität zu Steinmeier, sagt Lawrow nach der Premiere mit Gabriel. „Ich hoffe, dass sich diese Kontinuität verstetigen und erhalten kann.“
Ein Gespräch mit Putin stand diesmal auch wieder auf dem Programm des Vizekanzlers, und zwar im Kreml und nicht in Putins Residenz außerhalb Moskaus – allerdings ohne gemeinsamen öffentlichen Auftritt.