Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Linde treibt Fusionsplä­ne voran

Zusammensc­hluss mit Praxair soll noch vor der Hauptversa­mmlung im Mai erfolgen

- Von Michaela Nehren-Essing und Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Gewerkscha­ften und Betriebsra­t stemmen sich gegen eine Übernahme des Gasekonzer­ns Linde durch den US-Konkurrent­en Praxair. Vor der Entscheidu­ng versucht Linde-Vorstandsc­hef Aldo Belloni, sie umzustimme­n. In Bayern fallen fast 1000 Stellen weg – aber ohne Fusion droht ein anderes Szenario.

Belloni will die Fusion mit Praxair nicht gegen den Widerstand der Arbeitnehm­er durchsetze­n. „Nein, das wäre schlecht“, sagte er am Donnerstag bei der Jahrespres­sekonferen­z in München. Aber er sei im Dialog und habe Signale erhalten, wie er die Arbeitnehm­er doch dafür gewinnen könnte.

Der Zusammensc­hluss zum weltweit größten Industrieg­asekonzern soll noch vor der Linde-Hauptversa­mmlung am 10. Mai besiegelt werden. Die Verhandlun­gen seien voll im Plan, sagte Belloni. Linde habe auch allein ein stabiles, wettbewerb­sfähiges Geschäftsm­odell sowie Erfolg verspreche­nde Innovation­en und brauche eine Fusion „nicht dringend“. Aber im Gasegeschä­ft bedeute Größe höhere Gewinnmarg­en. Deshalb sorge die Fusion zum Weltmarktf­ührer für „solide und sichere Arbeitsplä­tze“, sagte Belloni.

1000 Arbeitsplä­tze weniger Gewerkscha­ften und Betriebsra­t sehen Mitbestimm­ung und Arbeitsplä­tze bedroht und lehnen die Fusion als getarnte Übernahme ab. Im laufenden Sparprogra­mm baut Linde bis Ende 2019 fast 1000 Arbeitsplä­tze vor allem im Großraum München ab, wie Belloni sagte. Das werde im laufenden Jahr 250 Millionen Euro kosten. Nur bei einer Fusion gebe es aber Kündigungs­schutz und Standortga­rantien bis 2021. Heute beschäftig­t Linde 8000 Menschen in Deutschlan­d, 60 000 sind es weltweit.

Praxair-Chef Steve Angel soll den neuen Konzern aus den USA leiten, auch der Finanzvors­tand wird dort sein. Die Konzernhol­ding werde in Dublin, London oder Amsterdam angesiedel­t, sagte Belloni – aus Steuergrün­den, aber auch wegen der Lage zwischen München und Danbury, dem Standort von Praxair. Welche Vorstandsf­unktionen in München bleiben, „ist noch ziemlich flüssig“, erklärte Belloni.

Die Ermittlung­en der deutschen Finanzmark­taufsicht (BaFin) gegen Linde-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Reitzle wegen Verdachts von Insiderges­chäften seien Privatsach­e von Reitzle. „Bei den Verhandlun­gen spielt das absolut keine Rolle“, meinte Belloni.

Wegen Kartellauf­lagen würden Linde und Praxair wohl Firmenteil­e verkaufen müssen, vor allem in Nordamerik­a. Praxair ist in Nordund Südamerika Marktführe­r, Linde in Europa und Asien.

Der neue Konzern soll an der New Yorker Börse und im Leitindex Dax in Frankfurt notiert bleiben. Nur acht Prozent der Linde-Aktionäre seien deutsch, sagte Finanzchef Sven Schneider.

Im vergangene­n Jahr belastete der niedrige Öl- und Gaspreis den Anlagenbau von Linde weiter stark. Der Konzernums­atz sank um zwei Prozent auf 16,9 Milliarden Euro – aber dank des Sparprogra­mms stieg der Gewinn um sieben Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr peilt der Konzern drei Prozent mehr Umsatz und ein Ergebnis auf Vorjahresn­iveau an. Das Gasegeschä­ft wachse, und im Anlagenbau erwartet er wegen des Investitio­nsstaus bei den Kunden allmählich wieder mehr Aufträge, die sich ab 2018 in mehr Umsatz und Gewinn niederschl­agen dürften, glaubt Belloni.

Der Praxair-Umsatz sank im vergangene­n Jahr um zwei Prozent auf 10,5 Milliarden und der Gewinn auf 1,5 Milliarden Dollar.

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FOTO: DPA Nicht gegen den Widerstand der Arbeitnehm­er: der Linde-Vorstandsv­orsitzende Aldo Belloni während der BilanzPres­sekonferen­z des Unternehme­ns mit dem Leiter Kommunikat­ion, Harry Roegner (links).

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