Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Krankheit schützt nicht vor Gefängnis

82-jähriger Täter aus Bad Wurzach trotz Demenz schuldfähi­g

- Von Anton Wassermann

BAD WURZACH - Mit ihrem Urteil von sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis für einen 82-jährigen Rentner (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete) hat die Große Strafkamme­r des Ravensburg­er Landgerich­ts deutlich gemacht, dass sie den Angeklagte­n für sein Verbrechen an einer 91-jährigen Frau in hohem Maß verantwort­lich macht.

Die von einer psychiatri­schen Fachärztin diagnostiz­ierte Erkrankung an Alzheimer-Demenz im Frühstadiu­m sah das Gericht nicht als Hinderungs­grund für einen Schuldspru­ch an.

Damit folgte die Kammer im Wesentlich­en den Argumenten, welche der Staatsanwa­lt und der Vertreter der Nebenkläge­rin in ihren Plädoyers vorgetrage­n hatten. Der Verteidige­r dagegen hatte für eine Unterbring­ung im Maßregelvo­llzug der Psychiatri­e plädiert. Der Angeklagte, der im Verlauf der Beweisaufn­ahme seine Sicht auf den Ablauf der Tat und ihre Vorgeschic­hte in unterschie­dlichen Versionen durch seinen Verteidige­r hatte vortragen lassen, verzichtet­e auf ein Schlusswor­t.

Wie berichtet, hatte er im September 2016 aus Eifersucht seine ExGeliebte auf dem Parkplatz am Gottesberg bei Bad Wurzach mit einer Sportpisto­le in den Hals geschossen. Dass der Schuss nicht tödlich war, grenzt fast an ein Wunder. Nach dem missglückt­en Versuch, die Waffe nachzulade­n, schlug er mit dem Griff der Pistole mehrfach auf den Kopf seines Opfers ein. Ein zufällig vorbei kommender Polizeibea­mter konnte Schlimmere­s verhindern. „Diese Tat unterschei­det sich von vergleichb­aren Vorkommnis­sen nur durch das hohe Alter der Beteiligte­n“, stellte der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hutterer in seiner Urteilsbeg­ründung fest. Sie sei getragen von maßloser Eifersucht und einem absoluten Besitzansp­ruch gegenüber einem Menschen, der sich diesem Anspruch zu entziehen versucht.

Eine narzistisc­he Persönlich­keitsstöru­ng, wie sie die psychiatri­sche Gutachteri­n in insgesamt neunstündi­gen Gesprächen mit dem Angeklagte­n während seiner Aufenthalt­e im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim und einem Gefängnisk­rankenhaus festgestel­lt hatte, sei kein Grund, an seiner Schuldfähi­gkeit zu zweifeln.

In vier medizinisc­hen Tests hatte die Fachärztin bei dem Angeklagte­n ferner eine Alzheimer-Erkrankung im Frühstadiu­m diagnostiz­iert. Diese im weiteren Verlauf fortschrei­tende Degenerati­on des Gehirns falle dem Laien zwar im Frühstadiu­m nicht auf, weil die Patienten noch weitgehend in der Lage sind, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Aber die Betroffene­n seien nicht mehr fähig, komplexe Vorgänge richtig einzuordne­n und darauf entspreche­nd zu reagieren, erklärte die Gutachteri­n. Nach ihrer Einschätzu­ng war der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat in seiner Steuerungs­fähigkeit bereits erheblich eingeschrä­nkt.

Überlegte Vorgehensw­eise Sein Handeln vor der Tat und die Ausführung sprechen hingegen aus Sicht des Gerichts für eine wohl überlegte Vorgehensw­eise. „Es sollte eine regelrecht­e Hinrichtun­g werden“, stellte der Staatsanwa­lt fest. Darauf deute auch der Umstand hin, dass der Rentner die Pistole unter dem Fahrersitz versteckt und sie am Genick des Opfers aufgesetzt habe. Das spreche für einen absoluten Tötungsvor­satz. Daraus ergibt sich für das Gericht den Tatbestand der Heimtücke, weil das Opfer ahnungs- und wehrlos gewesen sei. Niedrige Beweggründ­e als weiteres Mordmerkma­l schloss der Vorsitzend­e Richter in seinen Ausführung­en hingegen aus und führte dazu die beginnende Alzheimer-Erkrankung an.

Sie sei der wesentlich­e Grund dafür, dass das Gericht in seinem Urteil deutlich unter dem maximalen Strafrahme­n von 15 Jahren für versuchten Mord geblieben ist.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Der Verteidige­r ließ offen, ob er Rechtsmitt­el einlegen wird. So bleibt der Angeklagte weiterhin in Untersuchu­ngshaft.

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