Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Krankheit schützt nicht vor Gefängnis
82-jähriger Täter aus Bad Wurzach trotz Demenz schuldfähig
BAD WURZACH - Mit ihrem Urteil von sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis für einen 82-jährigen Rentner (die „Schwäbische Zeitung“berichtete) hat die Große Strafkammer des Ravensburger Landgerichts deutlich gemacht, dass sie den Angeklagten für sein Verbrechen an einer 91-jährigen Frau in hohem Maß verantwortlich macht.
Die von einer psychiatrischen Fachärztin diagnostizierte Erkrankung an Alzheimer-Demenz im Frühstadium sah das Gericht nicht als Hinderungsgrund für einen Schuldspruch an.
Damit folgte die Kammer im Wesentlichen den Argumenten, welche der Staatsanwalt und der Vertreter der Nebenklägerin in ihren Plädoyers vorgetragen hatten. Der Verteidiger dagegen hatte für eine Unterbringung im Maßregelvollzug der Psychiatrie plädiert. Der Angeklagte, der im Verlauf der Beweisaufnahme seine Sicht auf den Ablauf der Tat und ihre Vorgeschichte in unterschiedlichen Versionen durch seinen Verteidiger hatte vortragen lassen, verzichtete auf ein Schlusswort.
Wie berichtet, hatte er im September 2016 aus Eifersucht seine ExGeliebte auf dem Parkplatz am Gottesberg bei Bad Wurzach mit einer Sportpistole in den Hals geschossen. Dass der Schuss nicht tödlich war, grenzt fast an ein Wunder. Nach dem missglückten Versuch, die Waffe nachzuladen, schlug er mit dem Griff der Pistole mehrfach auf den Kopf seines Opfers ein. Ein zufällig vorbei kommender Polizeibeamter konnte Schlimmeres verhindern. „Diese Tat unterscheidet sich von vergleichbaren Vorkommnissen nur durch das hohe Alter der Beteiligten“, stellte der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer in seiner Urteilsbegründung fest. Sie sei getragen von maßloser Eifersucht und einem absoluten Besitzanspruch gegenüber einem Menschen, der sich diesem Anspruch zu entziehen versucht.
Eine narzistische Persönlichkeitsstörung, wie sie die psychiatrische Gutachterin in insgesamt neunstündigen Gesprächen mit dem Angeklagten während seiner Aufenthalte im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim und einem Gefängniskrankenhaus festgestellt hatte, sei kein Grund, an seiner Schuldfähigkeit zu zweifeln.
In vier medizinischen Tests hatte die Fachärztin bei dem Angeklagten ferner eine Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium diagnostiziert. Diese im weiteren Verlauf fortschreitende Degeneration des Gehirns falle dem Laien zwar im Frühstadium nicht auf, weil die Patienten noch weitgehend in der Lage sind, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Aber die Betroffenen seien nicht mehr fähig, komplexe Vorgänge richtig einzuordnen und darauf entsprechend zu reagieren, erklärte die Gutachterin. Nach ihrer Einschätzung war der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit bereits erheblich eingeschränkt.
Überlegte Vorgehensweise Sein Handeln vor der Tat und die Ausführung sprechen hingegen aus Sicht des Gerichts für eine wohl überlegte Vorgehensweise. „Es sollte eine regelrechte Hinrichtung werden“, stellte der Staatsanwalt fest. Darauf deute auch der Umstand hin, dass der Rentner die Pistole unter dem Fahrersitz versteckt und sie am Genick des Opfers aufgesetzt habe. Das spreche für einen absoluten Tötungsvorsatz. Daraus ergibt sich für das Gericht den Tatbestand der Heimtücke, weil das Opfer ahnungs- und wehrlos gewesen sei. Niedrige Beweggründe als weiteres Mordmerkmal schloss der Vorsitzende Richter in seinen Ausführungen hingegen aus und führte dazu die beginnende Alzheimer-Erkrankung an.
Sie sei der wesentliche Grund dafür, dass das Gericht in seinem Urteil deutlich unter dem maximalen Strafrahmen von 15 Jahren für versuchten Mord geblieben ist.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger ließ offen, ob er Rechtsmittel einlegen wird. So bleibt der Angeklagte weiterhin in Untersuchungshaft.