Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Seit Köln wird um das Gesetz gerungen
Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten: Der Bundesrat sperrt weiterhin
BERLIN - Ein Jahr ist vergangen, seit der Bundestag im vergangenen März, auch unter dem Eindruck der Kölner Silvesternacht 2015, die Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer beschlossen hat. In Köln waren es vor allem jugendliche Täter aus diesen Ländern, die Frauen bedrängt hatten. Doch im Bundesrat, der dem Gesetz zustimmen muss, gibt es erhebliche Bedenken, Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten auszuweisen, sodass man die Asylverfahren beschleunigen kann.
Streit gab es vor allem unter den Grünen. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann hatte schon im letzten Jahr die Zustimmung seiner Landesregierung zugesagt und sich damit den Zorn der Grünen im Bundestag zugezogen. Der ist seitdem etwas abgeebbt, doch in der Sache sind die Grünen im Bund und in den anderen Ländern bei ihrer Ansicht geblieben.
„Danke an alle Länder, die im Bundesrat die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten verhindert haben – ein Konstrukt, das dem individuellen Recht auf Asyl diametral entgegensteht“, meinte jetzt erleichtert die grüne Abgeordnete Claudia Roth. Denn diese Staaten seien keinesfalls sicher: Aktivisten für Menschenrechte und Angehörige von Minderheiten seien immer wieder Verfolgungen und Repressionen ausgesetzt.
Anerkennungsquote niedrig Doch Kretschmann hatte gute Gründe für sein Ja. Die Anerkennungsrate in den Maghreb-Staaten liegt bei nur 2,8 Prozent. Die Bundesregierung hat, um den Kritikern entgegenzukommen, mit einer Protokollnotiz sichergestellt, dass sogenannte „vulnerable“Gruppen (zum Beispiel Homosexuelle) ihre Umstände vorbringen können.
Reiner Haseloff, Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident, hat deshalb kein Verständnis für die Kritik am Gesetz. Doch Haseloff, der mit den Grünen zusammenregiert, musste sich so wie alle grün mitregierten Länder außer Baden-Württemberg, enthalten. Er hofft jedoch, dass die Protokollerklärung der Bundesregierung Grundlage für einen neuen Anlauf sein könne.
Dieter Lauinger, Thüringens grüner Justizminister, hält dagegen die Bedenken, dass zum Beispiel Homosexuelle in diesen Ländern verfolgt werden, nicht für ausgeräumt. Nicht nur Amnesty International, sondern auch die Bundesregierung räume doch rechtsstaatliche Defizite in diesen Ländern ein. Die Zahl der Asylsuchenden gehe ohnehin zurück: Im Januar 2016 seien noch 3350 Flüchtlinge aus dem Maghreb gekommen, im Februar dieses Jahres nur noch 268. Thüringen sei deshalb gegen die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten, aber nicht gegen schnellere Asylverfahren und schnellere Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Auch das könne eine Signalwirkung ausüben, dass die Chance auf Asyl gering ist.
Die Union hat kein Verständnis für die Kritiker. Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist das Gesetz eine wichtige Reaktion auf die Silvesternacht 2015 in Köln. Man müsse sich doch fragen, was seitdem konkret geschehen ist, sagt er.
Ole Schröder (CDU), Staatssekretär im Innenministerium, hält es für höchste Zeit, die Maghreb-Staaten als sicher einzustufen und damit auch ein deutliches Signal an die Menschen zu senden, „um den unberechtigten Asylstrom zu stoppen“. Im Übrigen sei es sehr schwer, gerade junge Männer aus den MaghrebStaaten zu integrieren, führt er ins Feld. Die Bundesländer wüssten um diese Probleme, deshalb sei die Verteilung auf die einzelnen Länder ja auch so schwierig.