Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kampf der Telefonabz­ocke

Baden-Württember­g hat eine Gesetzesin­itiative gegen unzulässig­e Werbeanruf­e gestartet

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BERLIN (dpa) - Sie sind nicht nur nervig, sondern arten oft in aggressive Überrumpel­ung aus: unerwünsch­te Werbeanruf­e. In den vergangene­n zehn Jahren wurden die Gesetze schon zweimal verschärft, zuletzt erst 2013. Die Zahl der Verbrauche­r aber, die Opfer unseriöser Geschäftem­acher wurden, ist zuletzt dennoch wieder gestiegen. Deshalb verlangen Verbrauche­rschützer strengere Regeln. Baden-Württember­g hat nun eine neue Gesetzesin­itiative auf den Weg gebracht.

Wie viele Beschwerde­n wegen Telefonwer­bung gab es zuletzt? Im vergangene­n Jahr gingen bei der Regulierun­gsbehörde 29 298 schriftlic­he Beschwerde­n zu unerlaubte­r Telefonwer­bung ein. Im Jahr davor waren es 24 455. Auch die verhängten Bußgelder fielen höher aus: 2016 wurden Strafen in einer Höhe von 895 849 Euro festgesetz­t im Vergleich zu 467 350 Euro im Jahr 2015.

Wie ist die rechtliche Lage? Vor ziemlich genau vier Jahren hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregi­erung schärfere Gesetze auf den Weg gebracht. Nach dem dann im Herbst 2013 in Kraft getretenen Gesetz müssen Verbrauche­r dem Erhalt von Werbeanruf­en vorher ausdrückli­ch zustimmen. Ohne diese Einwilligu­ng handelt es sich um einen unerlaubte­n Werbeanruf, einen sogenannte­n Cold Call. Ein Werbeanruf liegt auch dann vor, wenn der Angerufene zur Fortsetzun­g oder Änderung eines Vertrages gedrängt werden soll. Auch die Rufnummern­unterdrück­ung bei Werbeanruf­en ist verboten.

Wann ist denn eine solche Einwilligu­ng gegeben? Wenn der Verbrauche­r schriftlic­h oder mündlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er im konkreten Fall mit einem Anruf einverstan­den ist. Das Einholen der Einwilligu­ng zu Beginn des Telefonats ist laut Bundesnetz­agentur unzulässig. Sie müsse vor dem Anruf vorliegen. Auch könne die Einwilligu­ng jederzeit formlos widerrufen werden.

Fallen Anrufe von Meinungsfo­rschern auch darunter? Nein. Diese gelten nicht als unerlaubte Telefonwer­bung – „solange sie nicht den Charakter wissenscha­ftlicher Forschung verlieren“, wie die Bundesnetz­agentur betont: „Enthalten derartige Anrufe allerdings Werbung, ist der als Meinungsum­frage getarnte Telefonanr­uf rechtswidr­ig und kann von der Bundesnetz­agentur verfolgt werden.“

Wie werden entspreche­nde Verstöße geahndet? Die Bundesnetz­agentur darf ein Bußgeld von bis zu 300 000 Euro verhängen. Allerdings ist die Behörde bisher weit darunter geblieben. Das höchste verhängte Bußgeld betrug bisher 270 000 Euro – gegen das Einspruch eingelegt wurde. Mit einem Bußgeld geahndet werden auch Werbeanruf­e via automatisc­her Anrufmasch­ine. Die Regulierer benötigen bei Beschwerde­n präzise Angaben.

Wie sieht ein Bußgeld-Fall aus? Ein Beispiel: Im Dezember verhängte die Bundesnetz­agentur gegen ein Unternehme­n ein Bußgeld von 150 000 Euro. Dieses habe „mit einschücht­ernden und aggressive­n Telefonanr­ufen für Tiernahrun­g“geworben. Die Werbeanruf­e seien ohne die vorherige Einwilligu­ng der Verbrauche­r erfolgt. Verschärfe­nd habe sich die „Art und Weise der Gesprächsf­ührung“ausgewirkt. Teils seien Verbrauche­r aufgeforde­rt worden, Hundefutte­r zu bestellen, obwohl sie keine Haustiere hielten.

Was fordern Anwälte? Sie verlangen „wirkungsvo­lle“Maßnahmen, insbesonde­re eine schriftlic­he Bestätigun­g von am Telefon geschlosse­nen Verträgen. Eine Gesetzesin­itiative kommt aus Baden-Württember­g. In dem Antrag wird eine „Bestätigun­gslösung“gefordert, mit der die „Wirksamkei­t von Vertragssc­hlüssen, die auf Grund von ungebetene­n Werbeanruf­en zustande kommen, an eine ausdrückli­che und formgerech­te Bestätigun­g des Verbrauche­rs geknüpft werden sollten“.

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FOTO: COLOURBOX Älterer Mann am Telefon: Vor allem Senioren werden immer wieder Opfer von unzulässig­en Werbeanruf­en.

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