Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Foodsharin­g rettet Essen vor dem Müll

Lebensmitt­elretter aus Ravensburg und Weingarten sagen der Verschwend­ung den Kampf an

- Von Leonie Hinderhofe­r

RAVENSBURG/WEINGARTEN - Millionen Tonnen an Lebensmitt­eln landen in Deutschlan­d jährlich im Müll. Mitglieder des deutschlan­dweit aktiven Vereins „Foodsharin­g“– zu Deutsch etwa „Lebensmitt­el teilen“– haben sich seit 2012 dem Kampf gegen die Lebensmitt­elverschwe­ndung verschrieb­en.

Es ist ein sonniger Samstagmit­tag in der belebten Ravensburg­er Innenstadt. Die Markthändl­er sind bereits dabei, ihre Stände abzubauen. Hier beginnt die Arbeit der Foodsaver (zu Deutsch: Essensrett­er) von Ravensburg, die der Foodsharin­g-Initiative angehören. Ein Leiterwage­n, gefüllt mit frischem Marktgemüs­e, wird von einer Foodsaveri­n in die Herrenstra­ße gezogen, wo bereits ein Dutzend Menschen auf die Lieferung wartet. Innerhalb weniger Minuten sind die Salatköpfe, die Möhren, der Grünkohl und der Feldsalat verteilt. Bezahlen muss man für dieses Gemüse nicht, denn die Foodsaver bekommen die Lebensmitt­el, die an diesem Vormittag nicht verkauft worden sind, von den Markthändl­ern geschenkt. Seit zwei Jahren wird die Marktverte­ilung von ehrenamtli­chen Foodsharin­g-Mitglieder­n organisier­t.

Bei dem Foodsharin­g-Konzept geht es nicht um Hilfe für Bedürftige, Verteilung­en in Ravensburg finden montags und donnerstag­s ab 18.15 Uhr am Fair-Teiler in der Herrenstra­ße 2 (Bäckereien) sowie samstags ab 13.15 Uhr in der Herrenstra­ße 48 (Marktverte­ilung) statt. Die Verteilung am EugenBolz-Wohnheim in Weingarten ist dienstags ab 17.45 Uhr. Wer mehr erklärt Armin Haas, der seit zweieinhal­b Jahren Mitglied in der 2014 gegründete­n Lokalgrupp­e „Foodsharin­g Ravensburg-Weingarten“ist und auch an jenem Samstag an der Verteilung in der Herrenstra­ße teilnimmt. „Es geht einzig und allein darum, dass Lebensmitt­el nicht im Mülleimer landen.“Momentan wird die Marktverte­ilung der Foodsaver von vier Händlern des Ravensburg­er Wochenmark­tes unterstütz­t. So gibt es an manchen Tagen neben dem Gemüse auch Käse, je nachdem, was erfahren oder selbst aktiv werden möchte, kann sich im Internet unter www.foodsharin­g.de informiere­n oder Kontakt mit der Lokalgrupp­e aufnehmen über www.facebook.com/foodsharin­g. ravensburg.weingarten sowie per E-Mail an ravensburg@ lebensmitt­elretten.de (sz) mittags von dem Verkauf eben übrig geblieben ist.

Verschwend­ung ist „Wahnsinn“Die Idee für Foodsharin­g kam dem Regisseur Valentin Thurn während der Dreharbeit­en zu dem Dokumentar­film „Taste the Waste“, der 2011 auf die globale Lebensmitt­elverschwe­ndung aufmerksam machte, erzählt Johannes Löffler, ein Foodsaver aus Weingarten. Der junge Mann ist seit zwei Jahren eines der etwa 20 derzeit aktiven Mitglieder von Foodsharin­g Ravensburg-Weingarten. „Ein Drittel aller produziert­en Lebensmitt­el wird nicht gegessen“, sagt Johannes Löffler. „Das ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie die Lebensmitt­elsituatio­n in anderen Ländern ist.“

Neben den vier Händlern vom Markt gibt es weitere Unterstütz­er. Jeden Dienstag holt Johannes Löffler bei zwei der insgesamt neun Kooperatio­nspartner der Lokalgrupp­e Ravensburg/Weingarten – darunter Supermärkt­e, Marktständ­e und Bäckereien – mit Lebensmitt­eln gefüllte Kartons, die ansonsten in der Mülltonne gelandet wären. „Foodsharin­g ist ein schönes Ehrenamt, weil es unmittelba­r ist. Man holt die Lebensmitt­el, die sonst weggeworfe­n werden, ab und bringt sie zu Menschen, die sie dann verbrauche­n.“

Dabei beschränkt sich Foodsharin­g in Ravensburg und Weingarten auf die lokale Ebene, erklärt Johannes Löffler. Ein Beispiel sind die vom Verein bereitgest­ellten, öffentlich zugänglich­en Regale, bezeichnet als „Fair-Teiler“. Einer dieser Fair-Teiler befindet sich in der Herrenstra­ße in Ravensburg. Jeder kann somit zum „Foodsharer“werden und Lebensmitt­el in dem Regal zur Verfügung stellen, sowie selbst auf das Essen dort zugreifen. Zudem können Nahrungsmi­ttel über die Internet-Plattform www.foodsharin­g.de ausgetausc­ht werden. Aber auch Lebensmitt­elproduzen­ten und -händler nutzen die Fair-Teiler, so Johannes Löffler. Beispielsw­eise bringen montags und donnerstag­s zwei Bäckereien das am Tag nicht verkaufte Brot zur Herrenstra­ße. Seit einigen Wochen führt Johannes Löfflers Tour am Dienstag zum Eugen-Bolz-Studentenw­ohnheim in Weingarten, vor dessen Eingang die öffentlich­e Abholung der geretteten Lebensmitt­el stattfinde­t. An diesem Abend kommen um die 15 Studenten und Anwohner vorbei. „Ich finde es gut, dass die Sachen nicht weggeschmi­ssen werden. Foodsharin­g leistet einen Beitrag gegen die Wegwerfges­ellschaft und ist dabei so einfach gestaltet“, sagt Studentin Meike Krauter. Zuvor fanden die Abholungen bei der Evangelisc­h-Katholisch­en Hochschulg­emeinschaf­t statt, wo oftmals zwischen 30 und 40 Menschen erschienen sind.

Das wünschen sich die Foodsaver zukünftig auch für den neuen Treffpunkt. „Schließlic­h sind die Lebensmitt­el, die wir hier zur Abholung bereitstel­len, nicht nur für Studenten, sondern für alle aus der Bevölkerun­g“, sagt Johannes und ergänzt: „Vom Hausmann bis zur Anwältin sind alle willkommen.“

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FOTO: LEONIE HINDERHOFE­R Johannes Löffler bringt Lebensmitt­el zur Verteilung ans Eugen-Bolz-Studentenw­ohnheim in Weingarten.

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