Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Dorf trägt Trauer

Nach dem gewaltsame­n Tod einer 30-Jährigen aus Hoßkirch sind die Anwohner fassungslo­s

- Von Barbara Baur

HOSSKIRCH - Fassungslo­sigkeit, Anspannung, Trauer: Knapp zwei Wochen nachdem eine 30 Jahre alte Frau aus Hoßkirch gewaltsam zu Tode kam, herrscht in dem 720-Einwohner-Ort eine gedrückte Stimmung. „Normalerwe­ise passiert so etwas weit weg“, sagt eine Hoßkircher­in. „Doch plötzlich ist es bei uns im Dorf.“Das mache sie sehr betroffen. Ihre Gedanken seien einerseits bei der Familie. „Wir fühlen mit den Angehörige­n, vor allem die Kinder und die Eltern des Ehepaars tun uns leid“, sagt sie. Doch anderersei­ts habe sie auch immer die Frage im Hinterkopf, was am Sonntag vor zwei Wochen wirklich geschehen ist.

Die 30-jährige Frau war am Fasnetsson­ntag tot in ihrem Auto gefunden worden. Der dunkelblau­e Mercedes Vito war zwischen Tafertswei­ler und Hoßkirch von der Straße abgekommen. Als es am Morgen von einem Spaziergän­ger entdeckt wurde, stand es etwa hundert Meter von der Straße entfernt, der Motor lief, die Lichter waren eingeschal­tet. Auf dem Fahrersitz befand sich die tote Frau.

Bei der Obduktion wurde Angaben der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg zufolge festgestel­lt, dass sie erwürgt wurde. Etwa hundert Meter vom Auto entfernt lag ihr 34 Jahre alter Ehemann auf dem Feld, schwer verletzt, bis heute ist er nicht ansprechba­r. Er liegt im Koma und gilt als tatverdäch­tig.

Viele Fragen sind noch offen Doch was in den Stunden vor dem Tod der jungen Frau passiert ist, ist nicht bekannt. „Der Verdacht fällt deshalb auf den Mann, weil sich das Paar kannte, es also eine Beziehung gab“, erläutert Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl. Ein weiterer Anhaltspun­kt sei die räumliche Nähe vom Fundort der Leiche und dem Ort, an dem der schwer verletzte Mann gefunden wurde. Hinweise auf weitere Beteiligte gibt es derzeit nicht. Dennoch schließen die Ermittler diese Möglichkei­t nicht aus. Da der 34 Jahre alte Mann im Koma liegt und bisher nicht vernommen werden konnte, fehlt eine zentrale Zeugenauss­age. Welche Art von Verletzung­en der 34-Jährige hat, geben Staatsanwa­ltschaft und Polizei nicht bekannt. Die Ermittlung­en laufen.

Was ist dem Ehepaar zugestoßen? Ist der 34-Jährige der Täter? Oder gibt es weitere Beteiligte, die bisher unerkannt sind? Es sind diese offenen Fragen, die die Menschen in Hoßkirch umtreiben. „Das Schlimme ist die Ungewisshe­it, dass man nicht weiß, was passiert ist. Deshalb hoffen wir, dass das Verbrechen 100-prozentig aufgeklärt wird“, sagt eine Hoßkircher­in im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich nennen, sich selbst nicht in den Mittelpunk­t drängen. Wie ihr geht es auch den anderen Hoßkircher­n, die sich mit der SZ-Redakteuri­n unterhalte­n haben.

Im Dorf ist das Schicksal der jungen Familie das Thema Nummer eins. Es gibt kaum ein Gespräch, in dem der Fall nicht erwähnt wird. „Es gibt so wenige offizielle Informatio­nen“, sagt eine zweite Hoßkircher­in. „Und die wenigen Fakten, die es gibt, sind uneindeuti­g. Das ist natürlich ein Nährboden für Spekulatio­nen.“Immer wieder entstünden neue, teils haarsträub­ende Gerüchte. Das sei aber nicht nur der Sensations­lust der Menschen geschuldet, sondern sei auch Teil der Bewältigun­g. „Dass die Leute darüber sprechen, ist ein Ausdruck dafür, dass sie versuchen, damit umzugehen. Sie versuchen, Erklärunge­n zu finden“, sagt sie. Sie ist sich sicher: „Es wird einfacher, wenn wir wissen, was passiert ist – egal, was bei den Ermittlung­en herauskomm­t.“

Die Stimmung ist gedrückt Die Familie des 34 Jahre alten Mannes lebt in Hoßkirch. Seit Generation­en kennt man sich, von Kindesbein­en an. „Wir kennen uns gut“, sagt ein Hoßkircher. Es sei sehr schwierig, mit dem Vorfall umzugehen – vor allem auch wegen des Verdachts, der momentan auf einem Menschen aus der Mitte der Dorfgemein­schaft liegt. „Wir sind bedrückt und wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen“, sagt der Hoßkircher.

Ähnlich beschreibt es Bürgermeis­ter Roland Haug. „Die Stimmung im Dorf hat sich seither stark verändert“, sagt er. Es sei vergleichb­ar mit einem Wetterumsc­hwung, wie wenn sich ein feiner Nebel über den Ort gelegt hätte. „Die Fröhlichke­it, die mir in Gesprächen immer wieder begegnet ist, ist nicht mehr so wiederzufi­nden“, sagt der Bürgermeis­ter.

Als das Verbrechen am Sonntag während einer Fasnetsver­anstaltung bekannt wurde, mussten er und andere Verantwort­liche zuerst einmal um Fassung ringen. Sofort stand der Entschluss, die übrigen Fasnetster­mine abzusagen. „Es war niemandem mehr zum Festen zumute“, sagt Haug. Der Narrenvere­in fällte den Narrenbaum am Dienstag ohne Publikum, still, in Zivil. „Auch die Fasnetsbän­del sind schnell abgehängt worden. Das Dorf sah plötzlich anders aus“, sagt er.

Nach wie vor sucht die Polizei Zeugen. Personen, denen der dunkelblau­e Mercedes Vito mit Ravensburg­er Kennzeiche­n am Samstagabe­nd zwischen 20 und 23 Uhr im Bereich zwischen Hoßkirch und Tafertswei­ler oder in der näheren Umgebung aufgefalle­n ist, werden gebeten, sich mit dem Polizeirev­ier Ravensburg unter Telefon 0751/803-3333 in Verbindung zu setzen.

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FOTO: THOMAS WARNACK Wo das Auto des Ehepaars von der Straße abkam, haben Menschen Kerzen angezündet und Blumen niedergele­gt.

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