Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Dorf trägt Trauer
Nach dem gewaltsamen Tod einer 30-Jährigen aus Hoßkirch sind die Anwohner fassungslos
HOSSKIRCH - Fassungslosigkeit, Anspannung, Trauer: Knapp zwei Wochen nachdem eine 30 Jahre alte Frau aus Hoßkirch gewaltsam zu Tode kam, herrscht in dem 720-Einwohner-Ort eine gedrückte Stimmung. „Normalerweise passiert so etwas weit weg“, sagt eine Hoßkircherin. „Doch plötzlich ist es bei uns im Dorf.“Das mache sie sehr betroffen. Ihre Gedanken seien einerseits bei der Familie. „Wir fühlen mit den Angehörigen, vor allem die Kinder und die Eltern des Ehepaars tun uns leid“, sagt sie. Doch andererseits habe sie auch immer die Frage im Hinterkopf, was am Sonntag vor zwei Wochen wirklich geschehen ist.
Die 30-jährige Frau war am Fasnetssonntag tot in ihrem Auto gefunden worden. Der dunkelblaue Mercedes Vito war zwischen Tafertsweiler und Hoßkirch von der Straße abgekommen. Als es am Morgen von einem Spaziergänger entdeckt wurde, stand es etwa hundert Meter von der Straße entfernt, der Motor lief, die Lichter waren eingeschaltet. Auf dem Fahrersitz befand sich die tote Frau.
Bei der Obduktion wurde Angaben der Staatsanwaltschaft Ravensburg zufolge festgestellt, dass sie erwürgt wurde. Etwa hundert Meter vom Auto entfernt lag ihr 34 Jahre alter Ehemann auf dem Feld, schwer verletzt, bis heute ist er nicht ansprechbar. Er liegt im Koma und gilt als tatverdächtig.
Viele Fragen sind noch offen Doch was in den Stunden vor dem Tod der jungen Frau passiert ist, ist nicht bekannt. „Der Verdacht fällt deshalb auf den Mann, weil sich das Paar kannte, es also eine Beziehung gab“, erläutert Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl. Ein weiterer Anhaltspunkt sei die räumliche Nähe vom Fundort der Leiche und dem Ort, an dem der schwer verletzte Mann gefunden wurde. Hinweise auf weitere Beteiligte gibt es derzeit nicht. Dennoch schließen die Ermittler diese Möglichkeit nicht aus. Da der 34 Jahre alte Mann im Koma liegt und bisher nicht vernommen werden konnte, fehlt eine zentrale Zeugenaussage. Welche Art von Verletzungen der 34-Jährige hat, geben Staatsanwaltschaft und Polizei nicht bekannt. Die Ermittlungen laufen.
Was ist dem Ehepaar zugestoßen? Ist der 34-Jährige der Täter? Oder gibt es weitere Beteiligte, die bisher unerkannt sind? Es sind diese offenen Fragen, die die Menschen in Hoßkirch umtreiben. „Das Schlimme ist die Ungewissheit, dass man nicht weiß, was passiert ist. Deshalb hoffen wir, dass das Verbrechen 100-prozentig aufgeklärt wird“, sagt eine Hoßkircherin im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich nennen, sich selbst nicht in den Mittelpunkt drängen. Wie ihr geht es auch den anderen Hoßkirchern, die sich mit der SZ-Redakteurin unterhalten haben.
Im Dorf ist das Schicksal der jungen Familie das Thema Nummer eins. Es gibt kaum ein Gespräch, in dem der Fall nicht erwähnt wird. „Es gibt so wenige offizielle Informationen“, sagt eine zweite Hoßkircherin. „Und die wenigen Fakten, die es gibt, sind uneindeutig. Das ist natürlich ein Nährboden für Spekulationen.“Immer wieder entstünden neue, teils haarsträubende Gerüchte. Das sei aber nicht nur der Sensationslust der Menschen geschuldet, sondern sei auch Teil der Bewältigung. „Dass die Leute darüber sprechen, ist ein Ausdruck dafür, dass sie versuchen, damit umzugehen. Sie versuchen, Erklärungen zu finden“, sagt sie. Sie ist sich sicher: „Es wird einfacher, wenn wir wissen, was passiert ist – egal, was bei den Ermittlungen herauskommt.“
Die Stimmung ist gedrückt Die Familie des 34 Jahre alten Mannes lebt in Hoßkirch. Seit Generationen kennt man sich, von Kindesbeinen an. „Wir kennen uns gut“, sagt ein Hoßkircher. Es sei sehr schwierig, mit dem Vorfall umzugehen – vor allem auch wegen des Verdachts, der momentan auf einem Menschen aus der Mitte der Dorfgemeinschaft liegt. „Wir sind bedrückt und wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen“, sagt der Hoßkircher.
Ähnlich beschreibt es Bürgermeister Roland Haug. „Die Stimmung im Dorf hat sich seither stark verändert“, sagt er. Es sei vergleichbar mit einem Wetterumschwung, wie wenn sich ein feiner Nebel über den Ort gelegt hätte. „Die Fröhlichkeit, die mir in Gesprächen immer wieder begegnet ist, ist nicht mehr so wiederzufinden“, sagt der Bürgermeister.
Als das Verbrechen am Sonntag während einer Fasnetsveranstaltung bekannt wurde, mussten er und andere Verantwortliche zuerst einmal um Fassung ringen. Sofort stand der Entschluss, die übrigen Fasnetstermine abzusagen. „Es war niemandem mehr zum Festen zumute“, sagt Haug. Der Narrenverein fällte den Narrenbaum am Dienstag ohne Publikum, still, in Zivil. „Auch die Fasnetsbändel sind schnell abgehängt worden. Das Dorf sah plötzlich anders aus“, sagt er.
Nach wie vor sucht die Polizei Zeugen. Personen, denen der dunkelblaue Mercedes Vito mit Ravensburger Kennzeichen am Samstagabend zwischen 20 und 23 Uhr im Bereich zwischen Hoßkirch und Tafertsweiler oder in der näheren Umgebung aufgefallen ist, werden gebeten, sich mit dem Polizeirevier Ravensburg unter Telefon 0751/803-3333 in Verbindung zu setzen.