Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Vasektomie als Nahtoderfahrung
Uli Boettcher stellt sein neues Programm im Hoftheater Baienfurt vor
BAIENFURT - Wieder eine fulminant beklatschte, ausverkaufte Premiere, weil wieder ein typischer Boettcher: In seinem neuen Programm „Ü50 – Silberrücken im Nebel“knüpft Uli Boettcher am Donnerstagabend im Hoftheater nicht nur an den Vorgänger „Ü40 – Die Party ist zu Ende“an, sondern auch an seine bisherigen Erfolge.
Das Publikum liebt ihn einfach für das, was er macht. Kein Wunder, der 50-jährige Boettcher macht es ja auch gut. Immer wieder. Immer noch. Immer wieder neu und doch irgendwie kuschelig altbekannt. Aber von vorne: Wie immer – so ist es dem Getuschel unter den Gästen zu entnehmen – weile der Herr Boettcher die letzten Minuten vor der Premiere auf der Toilette. „Durchfall“, flüstert man sich hinter vorgehaltener Hand in den ersten Reihen zu. Und wie immer ist dem souveränen Meister der Stand-up-Comedy bei seinem Auftritt auf die heimischen Bühnenbretter dann aber nicht das Geringste anzumerken.
Gute Figur trotz Lampenfieber „Er reift mit seinem Publikum“, behauptet ein hemmungslos begeisterter Michael, 51, aus Ravensburg. Und dass Boettcher wieder „brillieren“wird, dessen ist sich „Dauerkonsument“Michael sicher. Dabei ist dem ewig jungenhaften Boettcher überhaupt nicht anzusehen, dass er das halbe Jahrhundert auch schon gefeiert hat. Und auch wenn er kokettiert damit, dass er (entgegen der Plakatwerbung für sein neues Ü50-Stück) es sich nicht erlauben könne, nackt auf die Bühne zu kommen – manch ein weiblicher Fan mag das heimlich trotzdem gehofft haben. Wie dem auch sei, Boettcher macht auch angezogen und mit Premieren-Lampenfieber eine gewohnt gute Figur. Feixend, die Stirn in Falten ziehend, schelmisch lächelnd.
Er zieht Zuschauer Hajo und dessen Gefährtin Karin allerlei Intimes aus der Nase und sich selber – stellvertretend für alle anderen Silberrücken im Publikum – kräftig durch den Kakao. Ist der Mann jenseits der 50 nun animalisch, zärtlich, sensibel und wild? Ein Leader mit Erfahrung und ein stattlicher Mann? Oder doch nur der Anführer einer Polonaise ins Grab?
Auf der Suche nach entsprechenden Antworten mäandert Boettcher durch die Höhen und Tiefen des Älterwerdens. Er will ein Baumhaus und ein Baculum (einen Penisknochen, wie ihn Gorillas haben). Er liebt Spaziergänge über den Friedhof und die Schnaps-Verkostung vor Weihnachten. Er kämpft mit Geige spielenden Kindern und dem nachlassenden Schließmuskel. Und wenn er wählen könnte, dann würde er in seinem Alter lieber vom Tennis-Einzel und der Nahtoderfahrung bei einer Vasektomie Abstand nehmen.
Stammgast Michael, der nach dem ersten Drittel ein Boettcher’sches Abgleiten ins Negative kommen sieht, fühlt den ganzen Premierenabend sichtlich mit. Und ist – wie kann es anders sein – nach gut 100 Minuten „Ü50“komplett versöhnt. Klatscht und johlt, ist aus dem Häuschen. Denn Boettcher wäre ja nicht der „Charming Boy“der hiesigen Theaterszene, wenn er die Kurve ins Launige, Amüsante nicht doch noch kriegen würde. Wie immer, möchte man sagen.
„Ü50 – Silberrücken im Nebel“gibt es am 25. März in Bodnegg zu sehen, in der Aula des Bildungszentrums. Und am 30. März spielt Boettcher wieder auf seiner Bühne, im Hoftheater in Baienfurt.