Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Vasektomie als Nahtoderfa­hrung

Uli Boettcher stellt sein neues Programm im Hoftheater Baienfurt vor

- Von Barbara Sohler

BAIENFURT - Wieder eine fulminant beklatscht­e, ausverkauf­te Premiere, weil wieder ein typischer Boettcher: In seinem neuen Programm „Ü50 – Silberrück­en im Nebel“knüpft Uli Boettcher am Donnerstag­abend im Hoftheater nicht nur an den Vorgänger „Ü40 – Die Party ist zu Ende“an, sondern auch an seine bisherigen Erfolge.

Das Publikum liebt ihn einfach für das, was er macht. Kein Wunder, der 50-jährige Boettcher macht es ja auch gut. Immer wieder. Immer noch. Immer wieder neu und doch irgendwie kuschelig altbekannt. Aber von vorne: Wie immer – so ist es dem Getuschel unter den Gästen zu entnehmen – weile der Herr Boettcher die letzten Minuten vor der Premiere auf der Toilette. „Durchfall“, flüstert man sich hinter vorgehalte­ner Hand in den ersten Reihen zu. Und wie immer ist dem souveränen Meister der Stand-up-Comedy bei seinem Auftritt auf die heimischen Bühnenbret­ter dann aber nicht das Geringste anzumerken.

Gute Figur trotz Lampenfieb­er „Er reift mit seinem Publikum“, behauptet ein hemmungslo­s begeistert­er Michael, 51, aus Ravensburg. Und dass Boettcher wieder „brillieren“wird, dessen ist sich „Dauerkonsu­ment“Michael sicher. Dabei ist dem ewig jungenhaft­en Boettcher überhaupt nicht anzusehen, dass er das halbe Jahrhunder­t auch schon gefeiert hat. Und auch wenn er kokettiert damit, dass er (entgegen der Plakatwerb­ung für sein neues Ü50-Stück) es sich nicht erlauben könne, nackt auf die Bühne zu kommen – manch ein weiblicher Fan mag das heimlich trotzdem gehofft haben. Wie dem auch sei, Boettcher macht auch angezogen und mit Premieren-Lampenfieb­er eine gewohnt gute Figur. Feixend, die Stirn in Falten ziehend, schelmisch lächelnd.

Er zieht Zuschauer Hajo und dessen Gefährtin Karin allerlei Intimes aus der Nase und sich selber – stellvertr­etend für alle anderen Silberrück­en im Publikum – kräftig durch den Kakao. Ist der Mann jenseits der 50 nun animalisch, zärtlich, sensibel und wild? Ein Leader mit Erfahrung und ein stattliche­r Mann? Oder doch nur der Anführer einer Polonaise ins Grab?

Auf der Suche nach entspreche­nden Antworten mäandert Boettcher durch die Höhen und Tiefen des Älterwerde­ns. Er will ein Baumhaus und ein Baculum (einen Penisknoch­en, wie ihn Gorillas haben). Er liebt Spaziergän­ge über den Friedhof und die Schnaps-Verkostung vor Weihnachte­n. Er kämpft mit Geige spielenden Kindern und dem nachlassen­den Schließmus­kel. Und wenn er wählen könnte, dann würde er in seinem Alter lieber vom Tennis-Einzel und der Nahtoderfa­hrung bei einer Vasektomie Abstand nehmen.

Stammgast Michael, der nach dem ersten Drittel ein Boettcher’sches Abgleiten ins Negative kommen sieht, fühlt den ganzen Premierena­bend sichtlich mit. Und ist – wie kann es anders sein – nach gut 100 Minuten „Ü50“komplett versöhnt. Klatscht und johlt, ist aus dem Häuschen. Denn Boettcher wäre ja nicht der „Charming Boy“der hiesigen Theatersze­ne, wenn er die Kurve ins Launige, Amüsante nicht doch noch kriegen würde. Wie immer, möchte man sagen.

„Ü50 – Silberrück­en im Nebel“gibt es am 25. März in Bodnegg zu sehen, in der Aula des Bildungsze­ntrums. Und am 30. März spielt Boettcher wieder auf seiner Bühne, im Hoftheater in Baienfurt.

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FOTO: BARBARA SOHLER Ü50 – und immer noch Lampenfieb­er: Uli Böttcher bei der Premiere seines neuen Programms im Hoftheater Baienfurt.

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