Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Viele Bochumer Warnschüss­e

Beim 1:1 im eigenen Stadion verteidigt Tabellenfü­hrer VfB Stuttgart lange viel zu sorglos

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART – Viele Mitglieder der zweiten Bundesliga haben in den letzten Wochen reichlich Angst vor dem souveränen Tabellenfü­hrer VfB Stuttgart gezeigt. Oder zumindest über Gebühr Respekt. Braunschwe­igs Trainer Torsten Lieberknec­ht etwa sagte nach dem 1:1 am Montag: „Ich bin mir sicher, wir werden den VfB im nächsten Jahr nicht mehr hier sehen.“Ein Satz, der die eigenen Fans etwas deprimiert­e. Ihr Trainer scheint also an den Aufstieg Stuttgarts zu glauben, nicht aber an den eigenen. Vom VfL Bochum war dagegen vor diesem Duell überrasche­nd Rebellisch­es zu hören gewesen: „Wir haben schon gezeigt, dass wir gegen Teams, die mitspielen wollen, gut mithalten können“, hatte VfL-Trainer Gertjan Verbeek gesagt. Das war ja mal 'ne Ansage.

30 Quadratmet­er Platz Und dann? Hätte sich der VfB tatsächlic­h nicht beklagen können, wäre er bei diesem Spiel, das am Ende doch 1:1 endete, nach 24 Minuten bereits 0:3 hinten gelegen im eigenen Stadion und nicht nur mit 0:1. In der Abwehr präsentier­ten sich die Stuttgarte­r derart sorglos, ja fast naiv, dass man sich an ein gewisses 0:5 in der Vorrunde bei der Fußball-Weltmacht Dynamo Dresden zurückerin­nerte. Das lag keineswegs an Benjamin Pavard, der innen für den gesperrten Marcin Kaminski verteidigt­e, sondern an der kompletten Mannschaft, die den Gegner offenbar zu leicht nahm und jedem Einzelnen gefühlte 30 Quadratmet­er Raum zur Entfaltung gewährte. Bochum bedankte sich: Nach neun Minuten hatte Nils Quaschner alle Zeit der Welt, um den mutterseel­enallein winkenden Anthony Losilla zu bedienen, der Mitch Langerak im VfB-Tor keine Chance ließ. Emilano Insúa, auf dessen linker Seite das Gegentor fiel, hatte das Verteidige­n an der Mittellini­e eingestell­t. Nach 21 Minuten entwischte Peniel Mlapa Bewacher Timo Baumgartl und verpasste das Tor nur um Zentimeter, kurz darauf war es Johannes Wurtz, der freistehen­d über den Querbalken donnerte.

Nach 31 Minuten zog VfB-Trainer Hannes Wolf, ein gebürtiger Bochumer, die Konsequenz aus den ungestörte­n Kontern der Gäste. Anto Grgic, Stuttgarts Sechser und Gewinner der letzten Wochen, musste raus, der 20-Jährige hatte weder Zugriff noch Bindung zum Spiel gefunden, Matthias Zimmermann ersetzte ihn. Tatsächlic­h war der VfB nun wach und kam bis zur Pause zu diversen guten, wenn auch nicht hundertpro­zentigen Chancen (Gentner, Asanao und Terodde). Über Terodde, seinen früheren Stürmer, hatte Verbeek übrigens gesagt: „Ich habe keine Angst vor ihm. Er trägt vielleicht eine Maske, aber er wird blaue Augen haben.“Die Maske trug er wegen eines Nasenbeinb­ruchs.

Vor Daniel Ginczek hatten einst sogar Erstliga-Verteidige­r Bammel. „Wir wissen ja alle, wo das bei ihm geendet hätte“, sagte Wolf kürzlich über den 25-Jährigen, der vor zwei Jahren in überragend­er Form war, ehe er sich schwer verletzte. Gemeint war: in der Nationalma­nnschaft. Seit Monaten baute Wolf den Stürmer behutsam auf, am Freitag wurde er dafür belohnt. Ginczek, ebenfalls ein Ex-Bochumer, kam nach 58 Minuten für Julian Green – und traf zwölf Minuten später erstmals seit seinem Comeback vor fünf Monaten ins Schwarze. Achtmal war er seither eingewechs­elt worden, für insgesamt 142 Spielminut­en. Es war ein Abstaubert­or, dem eine formidable Kombinatio­n über Gentner, Terodde und Carlos Mané vorausging.

Verdient hatte sich der VfB den Ausgleich. Unermüdlic­h liefen und rannten die Stuttgarte­r nach der Pause das VfL-Tor an, am Ende waren sie dem Sieg näher als Bochum. Die Westfalen allerdings hatten sich das Remis ebenfalls verdient: Kein Gast trat in der Mercedes-Benz-Arena bis dato beherzter und mutiger auf in dieser Saison. Für den VfB war die Partie ein Warnschuss – ein Selbstläuf­er wird der Wiederaufs­tieg nicht. „Das ist eine gerechte Punkteteil­ung. Nach 30 Minuten hätte Bochum viel höher führen können, danach haben wir uns gefangen. Wir müssen mit dem Punkt leben“, sagte Terodde.

Stuttgart: Langerak – J. Zimmer, Baumgartl, Pavard, Insua – Grgic (31. Mat. Zimmermann) – Mané, Gentner, Asano (66. Maxim), Green (58. Ginczek) – Terodde. – Bochum: M. Riemann – Dawidowicz (46. Gyamerah), Hoogland, Bastians, Rieble – Losilla, Stieperman­n (46. Canouse) – Gündüz, Wurtz, Quaschner – Mlapa (60. Pavlidis). – Zuschauer: 45 300. – Tore: 0:1 Losilla (10.), 1:1 Ginczek (70.).

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FOTO: IMAGO Bochums Losilla (li.) kommt zu spät, VfB-Stürmer Daniel Ginczek trifft an Riemann vorbei zum 1:1.

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