Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alle Träume fliegen hoch
Jochen Schweizers neue spektakuläre Erlebnis-Arena in München – Fliegen im Windkanal, surfen im Becken und dazu Power-Müsli mit Superfruits
Joachim Herrmann schreitet zur Bühne – so kräftigen Schrittes, wie es sich für einen bayerischen Minister ziemt. Doch kurz vor dem Ziel hält der CSU-Politiker plötzlich inne und blickt sich suchend um, aber „der Jochen“, wie ihn hier alle nennen, ist verschwunden. Und ohne Jochen Schweizer funktioniert an diesem Tag gar nichts. Da muss sogar ein bayerischer Innenminister zurückstecken – genauso wie Airbus-Chef Tom Enders, der einige Meter entfernt ebenfalls wartet, bis sein Duzfreund Jochen all die guten Bekannten abgeklatscht, das Mikrofon angelegt und die Bühne erklommen hat.
Besondere Architektur Minister Herrmann, CEO Enders und weitere Ehrengäste, dazu locker drei Dutzend Journalisten aus ganz Deutschland und Österreich – sie alle sind diese Woche nach Taufkirchen bei München gekommen, wo die „Jochen Schweizer Arena“der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Schon von der nahen Autobahn strahlt einem der Leuchtschriftzug des Unternehmers von der Spitze eines dreißig Meter hohen Turms entgegen. Und auch sonst ist das Gebäude, das aus der Vogelperspektive wie ein dreiblättriger Propeller aussieht, wahrhaft spektakulär.
Im Innern steht der Namensgeber inzwischen auf der Bühne und knipst sein Strahlelächeln an, das man aus dem Fernsehen hinlänglich kennt. Wären da nicht die grauen Stellen im Ziegenbart – der austrainierte 59Jährige im schicken grauen Anzug würde als halb so alt durchgehen. Doch es ist vor allem seine offene und angenehme Art, die es so leicht macht, Schweizer auf Anhieb sympathisch zu finden. Egal, ob er an diesem Tag mit dem Airbus-Chef oder einem Angestellten plaudert – immer findet der stets entspannte Schweizer den passenden Ton und das passende Thema.
Und die passende Weisheit, denn der glatzköpfige Unternehmer scheint über ein unerschöpfliches Reservoir an Kalendersprüchen zu verfügen. „Nicht fürs Anfangen wird man belohnt, sondern fürs Durchhalten“, sagt er über den Bau seiner Erlebnis-Arena, der einen hohen achtstelligen Betrag gekostet haben soll. Oder noch eine Kostprobe: „Der Mensch ist nicht, was er besitzt, sondern er ist, was er erlebt.“Und genau darum gehe es ihm bei diesem Gemeinschaftsprojekt seiner Jochen Schweizer Gruppe und der Firma Airbus, auf deren Gelände die 15 000 Quadratmeter große Erlebniswelt hochgezogen wurde. Und bevor er das Wort an Enders und Herrmann übergibt, verspricht Schweizer noch: „Hier in Taufkirchen machen wir Träume wahr.“
Wie das konkret gehen soll, führt der Unternehmer beim Rundgang vor. Erster Stopp ist der Turm, in dessen Innern sich ein gewaltiger Windkanal befindet. Doch nicht irgendein Windkanal, sondern „der beste und leiseste weltweit“, stellt Schweizer
Jochen Schweizers Motto und Geschäftsprinzip. Der Unternehmer und Ex-Stuntman vermarktet Erlebnisse
klar. In dem gläsernen Zylinder blasen Ventilatoren die Besucher mit einer Luftgeschwindigkeit von bis zu 285 km/h in die Höhe – das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Denn der Eintritt zur Arena ist zwar kostenfrei, doch für zwei Minuten Bodyflying, so heißt das hier, werden stolze 50 Euro fällig.
Etwas günstiger, nämlich 35 Euro je Dreiviertelstunde, ist da die „Citywave“. Hierbei handelt es sich um eine stehende Welle für Surfer, wie es viele München-Besucher vom Eisbach kennen. Seine Becken-Version sei freilich „etwas viel, viel Besseres“, sagt Schweizer – und natürlich auch weltweit einzigartig. Er selbst steige seit einiger Zeit täglich in der Früh aufs Brett, verrät der Unternehmer später. Dafür fällt zurzeit sogar sein Morgen-Yoga kürzer aus.
Wassersport in der Halle? Das hätte sich der junge Jochen Schweizer wohl kaum träumen lassen, der Ende der 1970er-Jahre zu den besten Extremkajakfahrern des Landes gehört. Später wirkt er als Stuntman in Werbespots und Filmen mit, darunter 1987 in Willy Bogners „Feuer, Eis und Dynamit“. Dort springt er in einer Drehpause mit einem selbstgebauten Gummiseil an den Füßen von einer Brücke – es ist die Geburtsstunde des Bungeespringens.
1990 eröffnet die Jochen Schweizer Gruppe die erste Sprunganlage in Deutschland, bald folgen zig weitere. Die Firma wächst und gedeiht – bis am 20. Juli 2003 in Dortmund ein Mann stirbt, weil das Seil reißt. Dem Unternehmen kann zwar kein Fehlverhalten nachgewiesen werden, und dennoch stürzt es in eine tiefe Krise.
Bungeespringen und Baggerfahren Auch Jochen Schweizer ist schwer getroffen, doch er rappelt sich wieder auf. „Es gibt kein Scheitern, sondern nur Herausforderungen“– noch so ein Kalenderspruch, den er in Taufkirchen zum Besten gibt. Damals im Jahr 2003 beginnt der umtriebige Schweizer mit einer Handvoll Mitarbeitern von Neuem und setzt auf den Handel mit „Erlebnissen“– sein Lieblingswort.
Erst übers Internet, später in Filialen und über Partner vertreibt er Gutscheine für alle erdenklichen Kleine- und Große-Jungs-Träume – vom Erotic-Food-Kochkurs (90 Euro) übers Baggerfahren (110 Euro) bis hin zum Stratosphärenflug (21 000 Euro). Mehr als 2000 Erlebnisse bietet Schweizer heute an; seine Firma beschäftigt 550 Mitarbeiter und kommt auf einen Jahresumsatz von fast 100 Millionen Euro.
Und nun also eine eigene Arena, die jährlich 300 000 Besucher anlocken soll. Mit Windtunnel und Wellenbecken; zudem sollen bis zum Sommer auch die Außenanlagen fertig sein – mit Seilrutschen, Klettergarten und Abenteuerspielplatz. Dazu kommt in der Mitte des Gebäudes, also in der Propeller-Nabe, ein besonderes Restaurant, wo’s nicht nur Curry und Ceviche gibt, sondern auch das „Jochen Schweizer Power Müsli mit Superfruits“zu 4,90 Euro. Und natürlich seinen Protein Power Shake, auf den er einst als Investor in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“gestoßen ist.
„Ich gelte als Ernährungsfreak, – und das stimmt auch“, sagt Schweizer, nicht ohne ein weiteres Sprüchlein anzubringen. So habe Napoleon dereinst gesagt: „Alle Revolutionen kommen aus dem Magen.“
Der Mensch ist nicht, was er besitzt, sondern er ist, was er erlebt.