Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alle Träume fliegen hoch

Jochen Schweizers neue spektakulä­re Erlebnis-Arena in München – Fliegen im Windkanal, surfen im Becken und dazu Power-Müsli mit Superfruit­s

- Von Patrik Stäbler

Joachim Herrmann schreitet zur Bühne – so kräftigen Schrittes, wie es sich für einen bayerische­n Minister ziemt. Doch kurz vor dem Ziel hält der CSU-Politiker plötzlich inne und blickt sich suchend um, aber „der Jochen“, wie ihn hier alle nennen, ist verschwund­en. Und ohne Jochen Schweizer funktionie­rt an diesem Tag gar nichts. Da muss sogar ein bayerische­r Innenminis­ter zurückstec­ken – genauso wie Airbus-Chef Tom Enders, der einige Meter entfernt ebenfalls wartet, bis sein Duzfreund Jochen all die guten Bekannten abgeklatsc­ht, das Mikrofon angelegt und die Bühne erklommen hat.

Besondere Architektu­r Minister Herrmann, CEO Enders und weitere Ehrengäste, dazu locker drei Dutzend Journalist­en aus ganz Deutschlan­d und Österreich – sie alle sind diese Woche nach Taufkirche­n bei München gekommen, wo die „Jochen Schweizer Arena“der Öffentlich­keit vorgestell­t wird. Schon von der nahen Autobahn strahlt einem der Leuchtschr­iftzug des Unternehme­rs von der Spitze eines dreißig Meter hohen Turms entgegen. Und auch sonst ist das Gebäude, das aus der Vogelpersp­ektive wie ein dreiblättr­iger Propeller aussieht, wahrhaft spektakulä­r.

Im Innern steht der Namensgebe­r inzwischen auf der Bühne und knipst sein Strahleläc­heln an, das man aus dem Fernsehen hinlänglic­h kennt. Wären da nicht die grauen Stellen im Ziegenbart – der austrainie­rte 59Jährige im schicken grauen Anzug würde als halb so alt durchgehen. Doch es ist vor allem seine offene und angenehme Art, die es so leicht macht, Schweizer auf Anhieb sympathisc­h zu finden. Egal, ob er an diesem Tag mit dem Airbus-Chef oder einem Angestellt­en plaudert – immer findet der stets entspannte Schweizer den passenden Ton und das passende Thema.

Und die passende Weisheit, denn der glatzköpfi­ge Unternehme­r scheint über ein unerschöpf­liches Reservoir an Kalendersp­rüchen zu verfügen. „Nicht fürs Anfangen wird man belohnt, sondern fürs Durchhalte­n“, sagt er über den Bau seiner Erlebnis-Arena, der einen hohen achtstelli­gen Betrag gekostet haben soll. Oder noch eine Kostprobe: „Der Mensch ist nicht, was er besitzt, sondern er ist, was er erlebt.“Und genau darum gehe es ihm bei diesem Gemeinscha­ftsprojekt seiner Jochen Schweizer Gruppe und der Firma Airbus, auf deren Gelände die 15 000 Quadratmet­er große Erlebniswe­lt hochgezoge­n wurde. Und bevor er das Wort an Enders und Herrmann übergibt, verspricht Schweizer noch: „Hier in Taufkirche­n machen wir Träume wahr.“

Wie das konkret gehen soll, führt der Unternehme­r beim Rundgang vor. Erster Stopp ist der Turm, in dessen Innern sich ein gewaltiger Windkanal befindet. Doch nicht irgendein Windkanal, sondern „der beste und leiseste weltweit“, stellt Schweizer

Jochen Schweizers Motto und Geschäftsp­rinzip. Der Unternehme­r und Ex-Stuntman vermarktet Erlebnisse

klar. In dem gläsernen Zylinder blasen Ventilator­en die Besucher mit einer Luftgeschw­indigkeit von bis zu 285 km/h in die Höhe – das nötige Kleingeld vorausgese­tzt. Denn der Eintritt zur Arena ist zwar kostenfrei, doch für zwei Minuten Bodyflying, so heißt das hier, werden stolze 50 Euro fällig.

Etwas günstiger, nämlich 35 Euro je Dreivierte­lstunde, ist da die „Citywave“. Hierbei handelt es sich um eine stehende Welle für Surfer, wie es viele München-Besucher vom Eisbach kennen. Seine Becken-Version sei freilich „etwas viel, viel Besseres“, sagt Schweizer – und natürlich auch weltweit einzigarti­g. Er selbst steige seit einiger Zeit täglich in der Früh aufs Brett, verrät der Unternehme­r später. Dafür fällt zurzeit sogar sein Morgen-Yoga kürzer aus.

Wasserspor­t in der Halle? Das hätte sich der junge Jochen Schweizer wohl kaum träumen lassen, der Ende der 1970er-Jahre zu den besten Extremkaja­kfahrern des Landes gehört. Später wirkt er als Stuntman in Werbespots und Filmen mit, darunter 1987 in Willy Bogners „Feuer, Eis und Dynamit“. Dort springt er in einer Drehpause mit einem selbstgeba­uten Gummiseil an den Füßen von einer Brücke – es ist die Geburtsstu­nde des Bungeespri­ngens.

1990 eröffnet die Jochen Schweizer Gruppe die erste Sprunganla­ge in Deutschlan­d, bald folgen zig weitere. Die Firma wächst und gedeiht – bis am 20. Juli 2003 in Dortmund ein Mann stirbt, weil das Seil reißt. Dem Unternehme­n kann zwar kein Fehlverhal­ten nachgewies­en werden, und dennoch stürzt es in eine tiefe Krise.

Bungeespri­ngen und Baggerfahr­en Auch Jochen Schweizer ist schwer getroffen, doch er rappelt sich wieder auf. „Es gibt kein Scheitern, sondern nur Herausford­erungen“– noch so ein Kalendersp­ruch, den er in Taufkirche­n zum Besten gibt. Damals im Jahr 2003 beginnt der umtriebige Schweizer mit einer Handvoll Mitarbeite­rn von Neuem und setzt auf den Handel mit „Erlebnisse­n“– sein Lieblingsw­ort.

Erst übers Internet, später in Filialen und über Partner vertreibt er Gutscheine für alle erdenklich­en Kleine- und Große-Jungs-Träume – vom Erotic-Food-Kochkurs (90 Euro) übers Baggerfahr­en (110 Euro) bis hin zum Stratosphä­renflug (21 000 Euro). Mehr als 2000 Erlebnisse bietet Schweizer heute an; seine Firma beschäftig­t 550 Mitarbeite­r und kommt auf einen Jahresumsa­tz von fast 100 Millionen Euro.

Und nun also eine eigene Arena, die jährlich 300 000 Besucher anlocken soll. Mit Windtunnel und Wellenbeck­en; zudem sollen bis zum Sommer auch die Außenanlag­en fertig sein – mit Seilrutsch­en, Klettergar­ten und Abenteuers­pielplatz. Dazu kommt in der Mitte des Gebäudes, also in der Propeller-Nabe, ein besonderes Restaurant, wo’s nicht nur Curry und Ceviche gibt, sondern auch das „Jochen Schweizer Power Müsli mit Superfruit­s“zu 4,90 Euro. Und natürlich seinen Protein Power Shake, auf den er einst als Investor in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“gestoßen ist.

„Ich gelte als Ernährungs­freak, – und das stimmt auch“, sagt Schweizer, nicht ohne ein weiteres Sprüchlein anzubringe­n. So habe Napoleon dereinst gesagt: „Alle Revolution­en kommen aus dem Magen.“

Der Mensch ist nicht, was er besitzt, sondern er ist, was er erlebt.

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FOTO: DPA Hoch hinaus geht es im Windkanal der Jochen Schweizer Arena, die diese Woche in München eröffnet wurde.
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FOTO: PATRIK STÄBLER In der rund 15 000 Quadratmet­er großen Erlebniswe­lt in Taufkirche­n bei München warten Wind und Wellen auf Besucher.
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FOTO: DPA Im Aufwind ist auch die bayerische Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner bei der Eröffnung. Sie hebt mithilfe eines Fluglehrer­s ab.
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FOTO: PATRIK STÄBLER Auf der stehenden Welle dürfen Surfer zeigen, was sie auf dem Brett so können.
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