Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich hatte unheimlich viel Freiraum“

Filmstar Matthias Schweighöf­er über seine erste Fernsehser­ie „You Are Wanted“

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Es ist eines der Fernsehere­ignisse des Jahres: „You Are Wanted“ist die erste Serie von Matthias Schweighöf­er und zugleich die erste deutsche Serie von Amazon Prime. Der sechsteili­ge Internet-Thriller ist ab 17. März bei dem Streaming-Dienst abrufbar – und das nicht nur in Deutschlan­d, sondern überall auf der Welt. Schweighöf­er, der auch Regie führte und die Serie mit seiner Firma koproduzie­rte, spielt den Manager Lukas Franke, der eines Tages Opfer eines Hackers wird. Der Unbekannte manipulier­t Frankes digitale Identität, bald gerät er unter Terrorismu­sverdacht und muss den Täter auf eigene Faust finden. An der Seite von Matthias Schweighöf­er sind Karoline Herfurth, Alexandra Maria Lara und Tom Beck zu sehen. Im Gespräch mit Cornelia Wystrichow­ski erzählt der Sonnyboy, warum er Lust auf ernstere Stoffe hat und wie er sich von den stressigen Dreharbeit­en erholt.

Herr Schweighöf­er, Sie gehören zu Deutschlan­ds größten Kinostars. Wieso jetzt eine TV-Serie? Ich wollte mal wieder was Ernstes machen, wollte das aber nicht gleich im Kino auf der großen Leinwand testen. Ich habe als Regisseur noch nie für das ernsthafte Genre gearbeitet, und so konnte ich probieren, ob ich das kann. Im Kino ist es außerdem so: Wenn das erste Wochenende nicht gleich richtig funktionie­rt, muss man mit dem Film in kleinere Säle gehen, dann generiert man wiederum nicht mehr so viele Zuschauer. Da ist eine Serie schon ein entspannte­res Format.

Sie sind mit leichtfüßi­gen Komödien berühmt geworden. Haben Sie Probleme mit der Schublade als Everybody’s Darling? Nein, damit habe ich keine Probleme. Aber ich werde künftig mehr ernsthafte Sachen machen, mir fehlt das. Ich finde, Tiefe zu kreieren macht Spaß, auch gute Tragikomöd­ien zu erzählen.

Welches sind Ihre Lieblingss­erien? Und ist auch eine deutsche dabei? Nein, eine deutsche Lieblingss­erie habe ich nicht. Ich bin totaler „Westworld“-Fan, ich mag „Life in Pieces“, „Mr. Robot“, „Stranger Things“und „Penny Dreadful“. Auf Platz eins ist „True Detective“– aber nur die erste Staffel.

In „You Are Wanted“spielen Sie einen Hotelmanag­er, der zum Opfer eines Hackerangr­iffs wird. Wieso haben Sie sich bei Ihrer ersten Serie für das Thema Internetkr­iminalität entschiede­n? Als mir das erste Treatment vorgelegt wurde, war ich sofort total überzeugt. Mich hat es interessie­rt zu zeigen: Was passiert eigentlich, wenn ich einen Anhang in einer Mail öffne und gar nicht weiß, was ich da öffne? Wer kann mit meinen Daten spielen? Weiß irgendjema­nd mehr über mich als meine eigene Frau? Ich will einen Gedanken anstoßen mit dieser Serie, damit jeder Zuschauer sich fragt, ob er genau weiß, was er im Internet macht.

Können Sie noch unbefangen im Internet surfen? Natürlich sind mir auch schon Sachen passiert, ohne dass ich darauf jetzt näher eingehen will. Aber ich nutze das Internet wie jeder andere auch und mache mir nicht ständig Sorgen.

Ihre eigene Serie startet bei einem Streaming-Anbieter. Sind Sie selber jemand, der nur streamt, oder schauen Sie noch DVDs? Ich streame alles, ich gucke eine Serie auch nicht zweimal. Außer „True Detective“, das habe ich ein paarmal geguckt und habe es mir auch runtergela­den auf den Rechner.

Wieso startet „You Are Wanted“nicht bei einem Fernsehsen­der wie ARD, ZDF oder RTL? Es stand einfach nie zur Debatte, das mit einem öffentlich-rechtliche­n oder einem privaten Fernsehsen­der zu machen, es war von Anfang an klar, dass es Amazon wird. Warner Bros. Deutschlan­d hatte die Idee zur Serie und ist dann damit an uns und Amazon herangetre­ten. Und ich glaube, bei einem Streaming-Sender hat man mehr Freiheiten als bei den klassische­n Anbietern, ich hatte in der Stoffentwi­cklung unheimlich viel Freiraum.

Hatten Sie auch ähnlich viel Budget wie man es von den großen US-Serien kennt? Nein, das hatten wir nicht. Vor allem bei den Drehtagen hatten wir dadurch ein hohes Pensum. Wenn ich einen Kinofilm drehe, habe ich meistens 38, 39 Tage. Für die Serie hatten wir 52 Drehtage für eine Sendedauer, die drei Filmen entspricht – das ist nicht viel.

Sie haben produziert, Regie geführt, sind der Hauptdarst­eller – ein Programm, das mörderisch klingt … Aber dadurch trägt die Serie meine Handschrif­t und ich konnte sie so gestalten, wie ich es wollte. Natürlich war es sehr stressig, es war mit das Anstrengen­dste, was ich je gedreht habe. Aber es war positiver Stress, es hat großen Spaß gemacht.

Der Trailer zu „You Are Wanted“hat Rekorde gebrochen und wurde bei Amazon vielfach kommentier­t – nicht nur freundlich. Befassen Sie sich damit? Ja, damit habe ich mich befasst. Viele gehen da mit Vorurteile­n ran und bewerten irgendwas, was sie nicht bis zum Ende geguckt haben. Das ist schade und traurig, weil diese Leute eben nicht dastehen und wie ich drei Jahre für etwas gearbeitet haben, sondern sie schreiben schnell was runter und sind sich ihrer medialen Aufmerksam­keit gar nicht bewusst. Ich kann’s echt nicht mehr hören.

Sie haben die neue Serie am Start und sind derzeit auch als Musiker erfolgreic­h. Welche Projekte planen Sie als nächstes? So ganz weiß ich es noch nicht. Ich nehme mir jetzt, nachdem die Serie gestartet ist, mal ein bisschen Zeit, um mich zu sortieren und zu gucken, was ich wirklich machen will.

Sie sind seit Jahren unfassbar fleißig. Wollen Sie das ewig so weitertrei­ben oder halten Sie es wie Stefan Raab, der schon früh wusste, dass er mit 50 nicht mehr vor der Kamera stehen will? Meine Produktion­sfirma hat ja eine Strategie, und die war: Ich baue sie auf, damit sie irgendwann auch mal alleine laufen kann und ich Zeit habe, zu entwickeln, zu schreiben oder mir Gedanken zu machen, was ich wirklich tun will. An diesem Punkt sind wir jetzt. Ich ziehe mich etwas raus, werde Urlaub machen, zwischendr­in ein bisschen was entwickeln, mir die Welt angucken, das ein oder andere Konzert spielen. Mal gucken, wo es 2018 und 2019 hingeht.

Ihre Eltern sind ja auch Schauspiel­er. Sind die beiden stolz auf Sie? Ja, meine Eltern sind stolz auf mich. Wie sich das alles entwickelt hat, liegt ein wenig außerhalb ihrer Reichweite. Sie sitzen manchmal da und denken: Was passiert hier eigentlich? Aber im großen Ganzen sind sie entspannt und machen ihr eigenes Ding.

Es gab ja schon früher Serien, lange vor den modernen TV-Sagas von heute. Welche haben Sie in Ihrer Jugend angeschaut? „Ein Colt für alle Fälle“habe ich geliebt, auch das „A-Team“oder „Prinz von Bel-Air“, die „Cosby-Show“und natürlich „Eine schrecklic­h nette Familie“mit Al Bundy waren bei mir ganz weit vorne. In meiner Generation war außerdem „Full House“angesagt. Und „Alf“darf man auf keinen Fall vergessen. Stimmt wirklich: Es gab früher auch schöne Serien.

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FOTO: DPA

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