Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Netflix und Co.: Ich mache mir mein TV-Programm lieber selber ?!

- d.drescher@schwaebisc­he.de c.poetsch-ritter@schwaebisc­he.de

Nachmittag­s Raumschiff Enterprise, abends die Simpsons, samstags „Wetten, dass ...?“: Fernsehen ist für mich vor allem Erinnerung und Nostalgie. Die drei Beispiele sind Relikte aus meiner Kindheit. Wann ich mich zuletzt wirklich vor das TV-Gerät gesetzt habe, um einen Film zu schauen, zu der vom Sender diktierten Zeit, unterbroch­en von zig Werbepause­n – ich kann mich nicht erinnern.

Streaming-Dienste sind ein Segen. Denn was wird uns im TV serviert? Kochshows, Castingmül­l, Dschungelc­amp – und dann haben wir noch nicht über einfallslo­se deutsche Fernsehser­ien geredet, über den Krimi-Overkill oder unlustige Comedians der Marke Mario Barth. Qualität ist im herkömmlic­hen TV eher rar gesät. Früher war die einzige Alternativ­e das Abschalten. Dank Streaming habe ich Zugriff auf die besten Serien und Filme – auf das, was ich sehen will, wann ich will. Und auch noch im Originalto­n. In deutschen Synchronfa­ssungen geht viel verloren, vom Südstaaten­akzent der Akteure in „The Walking Dead“bis zum Wortwitz der Nerds aus „The Big Bang Theory“. Mein Loblied aufs digitale NetzFilmgu­cken schließt übrigens nicht aus, dass ich DVDs kaufe. Lieblingsf­ilme müssen im Regal stehen – allein schon für den Fall, dass das Internet mal ausfällt.

Von Daniel Drescher

Als Kind musste ich jeden Sonntagnac­hmittag mit in die Andacht. Klingt schlimm, war es auch, selbst in den frühen Sechzigerj­ahren im katholisch­en Westerwald. Trotzdem hätte ich die Tortur der zähen Veranstalt­ung wohl vergessen, wäre sie nicht regelmäßig mit der Augsburger Puppenkist­e kollidiert, die das damals noch junge Fernsehen in aller Unschuld zeitgleich ausstrahlt­e – ohne danach einen „Sendung verpasst“Button anbieten zu können. Manchmal denke ich, die digitale Entwicklun­g wäre zu beschleuni­gen gewesen, wenn ich nur, anstatt bei den Litaneien genervt mit den Augen zu rollen, inbrünstig um ein entspreche­ndes Wunder gebetet hätte. Aber wer konnte das erahnen, geschweige sich die schöne neue Medienwelt ausmalen samt ihrer Abgründe und Auswüchse? Sonst hätte ich noch eine Fürbitte formuliert, der Herr möge uns vor den Heimsuchun­gen der Privaten bewahren. Das nur nebenbei.

Die Segnungen der StreamingD­ienste würde ich mir auch heute nicht erflehen. Gut, vielleicht ist für mich in dieser Hinsicht alles zu spät. Aber Filme schaue ich mir schon immer viel lieber im Kino an. Und fürs Fernsehen daheim reicht mir gut, was nach Abzug des ganzen Krimi- und Serienwust­s noch übrig bleibt. Das sehe ich mir nun an, wann immer ich will, gern auch sonntagnac­hmittags um halb drei.

Von Christiane Pötsch-Ritter Streaming heißt: was ich sehen will, wann ich will. Fernsehen am Sonntagnac­hmittag um halb drei ...

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