Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Kind, die Bestie
„Tatort“: Nachtsicht (So., ARD, 20.15 Uhr) - Dieser „Tatort“nimmt die Zuschauer hart ran. Jugendfrei sind die Szenen, in denen ein Psychopath mit seinem gepanzerten Auto reihenweise junge Männer überfährt, nicht. Der Täter will sehen, wie die Opfer leiden. Und der Zuschauer leidet mit. Das ist die eine Seite dieses Falles, in dem die Bremer Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) eher einer Bestie denn einem Menschen auf der Spur sind. Die andere ist der Einblick in eine scheinbar idyllische Familienwelt, in der der mutmaßliche Täter zu Hause ist. Kein gewalttätiger Vater, keine trinkende Mutter, sondern ein gut situiertes Ehepaar (Rainer Bock und Angela Roy), das sich rührend um den 40jährigen Sohn kümmert. Zu rührend wohl, denn die beiden verschließen die Augen vor der Erkenntnis, dass ihr „Großer“wahrscheinlich ein Serienmörder ist. Wie gehen Eltern damit um, wenn sie feststellen, dass ihr eigenes Kind ein Monster ist? Diese Frage und nicht die nach dem Täter bestimmt das Psychodrama. Regisseur Florian Baxmeyer, der schon öfters mit den Bremern gedreht hat, erzählt von der Hölle in einer heilen Vorstadt. Die Schauspieler sind eine Wucht, allen voran Rainer Bock als intelligenter und fürsorglicher Vater, der seine Frau schützen will. Auch Moritz Führmann als labiler und von seinen Lüsten getriebener junger Mann spielt seine Rolle so intensiv, dass es schmerzt.