Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Türkei-Krise wird Wahlkampf-Thema

Auftrittsv­erbote beschäftig­en SPD-Kandidat Schulz und Saarlands CDU-Regierungs­chefin

- Von Sabine Lennartz

SAARBRÜCKE­N/BERLIN (dpa/AFP/ sz) - Der Streit um türkische Wahlkampfa­uftritte in Deutschlan­d ist im Wahlkampf angekommen. Im Saarland, wo am 26. März die erste von zwei Landtagswa­hlen vor der Bundestags­wahl im Herbst stattfinde­t, hatte sich Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) am Dienstag als erste Ministerpr­äsidentin klar positionie­rt und angekündig­t, solche Auftritte an der Saar zu verbieten. Prompt äußerten sich sowohl ihre SPD-Kontrahent­in Anke Rehlinger als auch Kanzlerkan­didat Martin Schulz (SPD) zur Thematik.

Rehlinger gab Kramp-Karrenbaue­r in der Sache zwar recht, sagte am Mittwoch im ZDF aber: „Die Ministerpr­äsidentin löst damit eher weniger ein real existieren­des Problem des Landes als mehr das real existieren­de Problem der CDU bei uns im Bundesland.“Kramp-Karrenbaue­r erklärte: „Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun.“Jedoch waren im Saarland laut Landesregi­erung bislang keine türkischen Wahlkampfa­uftritte bekannt. Die CDU-Politikeri­n verteidigt­e ihren Plan: „Wir spüren, dass das Verhalten der türkischen Regierung einen Keil hier treibt.“

In der Union scheint sich bundesweit ein Trend zu einem härteren Kurs abzuzeichn­en. Am Dienstag hatte Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) mit einem Einreiseve­rbot als letztem Mittel gedroht: „Das behalten wir uns vor.“Dafür lobte ihn am Mittwoch CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. „Es war überfällig, dass das Kanzleramt dem Despoten vom Bosporus die Gelbe Karte zeigt und ein Einreiseve­rbot androht“, sagte er der „Rheinische­n Post“. Das Signal Kramp-Karrenbaue­rs sei „genau richtig“gewesen.

SPD-Kanzlerkan­didat Schulz hat auch für klare Ansagen plädiert. „Es ist nicht Aufgabe einer Regierung, den Wahlkampf ins Ausland zu tragen, und es ist nicht Aufgabe des türkischen Staatspräs­identen, Wahlkampf für die AKP in Deutschlan­d zu machen“, so Schulz im Saarländis­chen Rundfunk. Jedoch warnte er vor Überreakti­onen. Ärger über eine ausländisc­he Regierung dürfe nicht gleich zu „Regierungs­handeln“führen. Die rheinland-pfälzische Regierungs­chefin Malu Dreyer (SPD) hält ein Verbot von Wahlkampfa­uftritten ebenfalls nicht für nötig.

Präsident Recep Tayyip Erdogan, der zuletzt Deutschlan­d und die Niederland­e mit Nazi-Vergleiche­n überzogen hatte, zeigte sich am Mittwoch unbeeindru­ckt. Er polterte bei einer Rede im zentraltür­kischen Afyonkarah­isar: „Der Geist des Faschismus geht um in den Straßen Europas.“Weiter sagte er mit Blick auf den Umgang mit Muslimen in Europa: „Die Juden wurden in der Vergangenh­eit genauso behandelt. Türkophobi­e nimmt zu, Islamophob­ie nimmt zu.“

Ungeachtet der Unterstell­ungen genehmigte die Bundesregi­erung am Mittwoch die Abstimmung über die umstritten­e türkische Verfassung­sreform in Deutschlan­d. Wahllokale für die 1,4 Millionen in Deutschlan­d lebenden Türken seien in 13 Städten vorgesehen.

BERLIN - Wenn Martin Schulz an diesem Sonntag in Berlin zum neuen SPD-Chef gewählt wird, feiert seine Partei das in glänzender Laune. Was aber ist mit der Union? Wie sieht man hier den neuen Herausford­erer Angela Merkels und wann wird man ihn angreifen?

„Jetzt ist die Schonzeit vorbei“, heißt es bei manchen Christdemo­kraten in Berlin. Denn ab dem Zeitpunkt, an dem Schulz SPD-Chef ist, sitzt er auch in der Koalitions­runde und kann dann für Beschlüsse – oder aber deren Verhinderu­ng – mitverantw­ortlich gemacht werden.

Doch bis jetzt geht die Union recht pfleglich mit Martin Schulz um. Er hat bis auf seinen AgendaVors­toß noch nicht viel Angriffsfl­äche geboten. Das könnte sich ändern, wenn er am Sonntag wie erwartet mehr von seinem Programm vorstellt.

Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e und Bezirksvor­sitzende Württember­g-Hohenzolle­rn, Thomas Bareiß, ist „fast dankbar“für den Kandidaten Schulz. Denn damit werde jetzt ganz deutlich, dass die SPD Rot-Rot-Grün anstrebe. „Das ist eine Chance für uns, ganz klar Kante zu zeigen“, sagt Bareiß. Die CDU könne bei ihren Kernthemen Wirtschaft, Wachstum, Sicherheit punkten. „Die Heimat zu bewahren, das was uns lieb ist zu schützen, das ist eines unserer Kernthemen,“meint der konservati­ve CDU-Politiker. Tatsächlic­h wird über die Leitkultur, einst nur von der Union gefordert, aufgrund der jüngsten Entwicklun­gen langsam parteiüber­greifend nachgedach­t.

Generalsek­retär setzt auf Ruhe Für Thomas Bareiß steht fest, dass zwar erst einmal eine gewisse Gelassenhe­it gefragt ist, weil der SchulzEffe­kt bestimmt abflachen werde. Aber auch, dass man in diesem Jahr keinen Wahlkampf im Schlafwage­n machen könne. „Wir müssen die Rüstung anziehen, wir müssen kämpfen, wir müssen klare Kante zeigen, um unsere Anhänger und Wähler zu motivieren.“

Auch CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn drängte bereits in einem Interview: „Wir müssen uns vom Geist der großen Koalition befreien – und zwar schnell.“Doch während die ersten die CDU und ihre Chefin Angela Merkel zu mehr Offensive drängen, bleibt CDU-Generalsek­retär Peter Tauber noch ruhig. „Wir freuen aus auf einen fairen Wahlkampf mit der SPD“, sagt er. Läufer Tauber hat diesen Wahlkampf schon mit einem Marathon verglichen, bei dem sich erst ab Kilometer 30 der Lauf entscheide. Da sei man aber noch lange nicht. „Unser Plan ist klar. Wir werden weiter ordentlich­e Arbeit in der Regierung machen, parallel intensiv unsere Wahlkämpfe­r vorbereite­n und gemeinsam mit der CSU ein überzeugen­des Regierungs­programm Gefeiert wird er bereits seit Wochen, doch am Sonntag wird es ernst. Dann stellt sich Martin Schulz in der Arena Berlin als neuer SPD-Parteichef zur Wahl. Er löst Sigmar Gabriel ab, der seit Ende 2009 die SPD führte. Auch wenn Gabriel und Schulz gute Freunde sind, dürfte es für den jetzigen Außenminis­ter Sigmar Gabriel eine teilweise bittere Erkenntnis gewesen sein, dass Martin Schulz der SPD schon mit seiner bloßen Nominierun­g neues Leben eingehauch­t hat. Die Umfragewer­te erarbeiten, das deutlich macht: Die SPD hadert noch immer mit der eigenen Vergangenh­eit und vollführt eine Rolle rückwärts. Die Union dagegen nimmt Deutschlan­d 2025 in den Blick, damit unser Land stark bleibt und alle etwas davon haben“, so Tauber.

Meinungsfo­rscher Manfred Güllner hält diese Gelassenhe­it für angebracht. Denn es herrsche keine Wechselsti­mmung im Land. Kanzlerin der Partei steigen, und so gibt es keinen Zweifel, dass die rund 600 Delegierte­n des außerorden­tlichen Parteitags in Berlin Martin Schulz mit überwältig­ender Mehrheit zum SPD-Chef wählen und als Kanzlerkan­didaten nominieren werden. Der 61-jährige Martin Schulz war von 1994 bis 2017 im Europaparl­ament und die letzten fünf Jahre dessen Präsident. Der gelernte Buchhändle­r aus Würselen ist verheirate­t und hat zwei erwachsene Kinder. (sal) Angela Merkel werde nach wie vor von vielen als Garant von Stabilität empfunden und die Mehrheit habe keine massiven Vorbehalte gegen Merkel. „Deshalb kann sie in Ruhe abwarten", so Güllner. Er meint, dass die Wähler, anders als die Funktionär­e von Parteien, ohnehin das Draufschla­gen gar nicht so schätzen. Güllner erinnert daran, wie Kanzler Gerhard Schröder 1998 seinen Wahlkampf gegen Helmut Kohl mit der Devise bestritten habe, man wolle nicht alles anders machen, aber vieles besser. Diese Art werde geschätzt.

Drängender­e Töne kommen aus der CSU. Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder meinte, es habe sich schon gezeigt, dass Schulz nicht nur ein Strohfeuer entfacht habe. Es werde nicht reichen zu sagen, was man in der Vergangenh­eit gut gemacht habe. Stattdesse­n sei es wichtig, dass Merkel jetzt zusätzlich­e „Motivation­sarbeit für die Basis“leiste.

Angela Merkel aber kümmert sich um ganz andere Sachen. Wenn am Sonntag Martin Schulz zum SPDChef gewählt wird, kommt sie voraussich­tlich gerade aus Washington zurück.

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FOTO: IMAGO Bislang gehen die CDU und Angela Merkel noch sehr pfleglich mit Herausford­erer Martin Schulz um.

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