Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mordprozess: Der Angeklagte schweigt
46-Jähriger aus Berg soll aus Habgier den Selbstmord seiner Ehefrau inszeniert haben
Berger soll den Selbstmord seiner Frau inszeniert haben.
RAVENSBURG - Landgericht Ravensburg, Sitzungssaal 1: Mit Verspätung trifft der Angeklagte ein. Er hält sich einen blauen Schnellhefter vor das Gesicht. Die anwesende Öffentlichkeit tuschelt. Die meisten kommen aus der Gemeinde Berg, kennen den Angeklagten, seine drei Kinder und die Ehefrau – die der 46Jährige in den frühen Morgenstunden des 9. Juli letzten Jahres ermordet haben soll.
Oberstaatsanwalt Alexander Boger verliest die Anklageschrift. Nach über 15 Jahren Ehe hätte es 2014 ernsthafte Beziehungsprobleme gegeben. Der Angeklagte habe seiner Frau Affären mit anderen Männern unterstellt und ihr vorgeworfen, eine sexuelle Beziehung zu ihrem eigenen Vater zu haben. Knapp ein Jahr später habe er die Vaterschaft seiner Kinder angezweifelt und behauptet, die Kinder stammen aus dem Verhältnis seiner Frau zu ihrem Vater. Er habe Strafanzeige erstattet und einen Vaterschaftstest verlangt. Tatsächlich habe dieser Test jedoch ergeben, dass er eindeutig selbst der Vater seiner drei Kinder sei. Im November 2015 soll er dann Ansprüche auf das Grundstück angemeldet haben, das bislang im Grundbuch auf seine Frau eingetragen war. Anfang 2016 habe sich das Paar endgültig getrennt. Danach habe es weitere Streitigkeiten um das Aufenthaltsrecht der gemeinsamen Kinder und Unterhaltszahlungen gegeben.
Risikolebensversicherung als Motiv
Schon seit 2011 sei die Firma des 46Jährigen in einer finanziellen Schieflage. Eine Trennung von seiner Frau hätte – so die Ausführungen der Staatsanwaltschaft – für den Angeklagten einen dauerhaften finanziellen Nachteil bedeutet. „Was willst du?“, habe er in einer Whats-AppNachricht an seine Frau geschrieben. „Das Haus, die Kinder?“„Das Haus, die Kinder und dass du verschwindest“, habe sie darauf geantwortet. Danach habe der 46-Jährige den Entschluss gefasst, seine Frau zu ermorden und einen Selbstmord zu inszenieren. Denn neben dem Haus, das er in diesem Fall überschrieben bekommen hätte, wäre ihm auch eine Risikolebensversicherung in Höhe von über 50000 Euro ausgezahlt worden. Die vertraglich fixierte Drei-Jahres-Fristsperre im Falle eines Suizids seiner Frau sei ihm bekannt gewesen.
Einen Tag vor der Tat habe der 46-Jährige seine Kinder zu einem gemeinsamen Wochenende im Haus in Berg abgeholt. In seinem Skoda seien sie in das Hotel Victory in den Erdinger Thermen gefahren. Gegen 0.20 Uhr habe der Angeklagte allerdings das Hotelzimmer verlassen und sei nach Berg zurückgefahren, wo er gegen 2.30 Uhr angekommen sei. Durch die Garagentür des Hauses sei er in die Wohnung eingestiegen und habe seine schlafende Frau zumindest bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Danach habe er sie in den Keller geschleift, ihr einen Kälberstrick um den Hals gelegt, sie an einem Heizungsrohr aufgehängt und so den Selbstmord inszeniert. Nach der Tat, gegen 3.30 Uhr, habe er sich auf den Weg zurück ins Hotel „Victory Erding“gemacht, wo immer noch seine Kinder schliefen. Gegen sechs Uhr morgens kam er schließlich dort an. Am 10. Juli fand der Vater der Frau seine Tochter in dem Kellerraum. Fünf Tage später nahm die Polizei den 46-Jährigen fest. Die Anklage lautet auf Mord, weil die Mord-Merkmale Habgier und niedere Beweggründe erfüllt seien.
Vorerst keine Angaben zur Sache
Zum Tathergang wollte der Angeklagte am gestrigen ersten Prozesstag keine Angaben machen. „Vorerst nicht“, wie sein Verteidiger Hans Bense betonte. Er verwies dabei vage auf grobe Ermittlungsfehler, die insbesondere die finanzielle Situation seines Mandanten betreffen würden. Auch zu seiner Person wollte der 46Jährige nur bedingt aussagen. Sichtlich verunsichert, was er nun sagen darf und was nicht, antwortete er auf die Fragen des Vorsitzenden Richter Jürgen Hutterer. Der betonte mehrmals, dass die Kammer an der Aufklärung des Falles interessiert sei. Schließlich sei der Fall kein Fahrraddiebstahl. Bislang sind für den Prozess 18 Verhandlungstage anberaumt. Insgesamt 70 Zeugen will die Kammer hören und 10 Gutachter einbestellen. Die Akten umfassen insgesamt 17 Ordner.
Entgegen der in der Anklageschrift konstatierten finanziellen Not, in der er sich befunden haben soll, zeichnete sich im Laufe des Verhandlungstags ein anderes Bild ab. Wie der Angeklagte bestätigte, habe er bis Mitte 2012 im Vertrieb einer großen Firma gearbeitet und verdiente bis zu 80 000 Euro im Jahr. Danach habe er sich selbstständig gemacht. Bis zu 200 000 Euro Umsatz habe er in den ersten drei Jahren jährlich verdient. Die gemeinsame Wohnung in der Doppelhaushälfte sei so gut wie abbezahlt. Die zweite Wohnung im gleichen Haus sei zwar noch hoch belastet, sei aber vermietet. „Wir haben gut gelebt“, sagte er, „und sind drei mal im Jahr in den Urlaub gefahren.
Nach knapp zwei Stunden ist der erste Prozesstag zu Ende. „Ich kann die Ermittlungsergebnisse nicht nachvollziehen“, sagt der Angeklagte, der seine Tränen nicht mehr verbergen kann. „Ich bin von dem Vorwurf erschüttert. Ich bin schockiert, was da an diesem Wochenende passiert sein soll. Es ist schmerzlich, dass meine Kinder auf diese Weise ihre Mutter verloren haben und dass sie nun mit mir alles verloren haben.“
Am 22. März wird der Prozess fortgesetzt.