Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Oberbürgermeister Rapp kritisiert Landesregierung scharf
Ravensburg will mehr Geld vom Land für Unterbringung von Flüchtlingen – „Pakt für Integration“wird zum Dauerstreitthema
RAVENSBURG - Der Streit zwischen der Landesregierung und den Landkreisen in Baden-Württemberg um die sogenannte nachgelagerte Spitzabrechnung für die Erstunterbringung von Flüchtlingen beschäftigt auch die Stadt Ravensburg. Oberbürgermeister Daniel Rapp sieht den „Pakt für Integration“in Gefahr, demnach auch die Städte Geld vom Land für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen bekommen sollten. Zudem müssten nun die Kommunen über die Kreisumlage das Defizit ausgleichen, das beim Landkreis durch die fehlenden Gelder entsteht.
Der Landkreis Ravensburg rechnet im laufenden Haushaltsjahr mit einem Defizit in Höhe von rund neun Millionen Euro. Kämmerer Franz Baur hat daher eine Haushaltssperre verhängt (die SZ berichtete am Dienstag). Die Kommunen, die für die Anschlussunterbringung ebenfalls Geld vom Land wollen, befürchten nun, die Verlierer in dem Streit zwischen Landesregierung und Landkreisen zu sein. „Für die Kommunen ist eine Lösung mit dem Land nun weiter weg als je zuvor“, sagte Rapp auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Obendrauf müssten die Kommunen das fehlende Geld im Kreishaushalt ausgleichen – und zwar über die Kreisumlage. „Das ist doppelt ungerecht“, so Rapp. „Das Land macht sich einen schlanken Fuß zu Lasten der Kommunen“, schimpft das Stadtoberhaupt. Für den Kreis Ravensburg sei das besonders bitter, da hier in der Kreisverwaltung als auch in den Kommunen bei der Unterbringung der geflüchteten Menschen vorbildlich und schnell gehandelt worden sei. „Andere Kreise wie Ludwigsburg sind ihren Pflichten nicht nachgekommen, das ist sehr unfair.“
Zum Hintergrund: Um nicht nur die Landkreise (zuständig für Erstunterbringung), sondern auch die Kommunen bei der Integration von Geflüchteten zu unterstützen, wollte das Land Baden-Württemberg ihnen in einem sogenannten „Pakt für Integration“in den kommenden beiden Jahren insgesamt 320 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Mit 180 Millionen Euro sollten die Kommunen nach Angaben des Landes bei den Kosten für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge entlastet werden und weitere 140 Millionen Euro in konkrete Integrationsförderprogramme vor Ort fließen.
Kosten woanders einsparen Seit zwei Jahren, so OB Rapp, würden die kommunalen Spitzenverbände in Verhandlungen mit dem Land stehen. Und nun sei nach wie vor unklar, wie viel Geld die Städte bekommen, wann sie es bekommen und ob die Gelder dann nur zweckgebunden (also für bestimmte Integrationsprojekte wie Sprachunterricht) verwendet werden dürfen. Laut Rapp wäre den Kommunen am meisten geholfen, wenn sie pro Flüchtling und pro Jahr einen bestimmten Betrag bekämen, denn: „Die Städte wissen selbst am besten, für was sie das Geld dann am sinnvollsten einsetzen.“Die bislang angedachten 1100 Euro würden „bei Weitem“nicht ausreichen. „Wir benötigen 5000 Euro pro Flüchtling pro Jahr, alles andere macht keinen Sinn“, so Rapp. Bei aktuell 430 Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung mache das über 2 Millionen Euro aus, die dann woanders wieder eingespart werden müssten, beispielsweise in der Kinderbetreuung. Mehr Flüchtlinge mitsamt Familiennachzug würden allerdings eher mehr Kindergartenplätze dringend nötig machen.
Sozialamtsleiter Stefan GollerMartin erläuterte, dass die Stadt für einen Kitaplatz zwischen 4500 bis 7000 Euro pro Jahr ausgibt (je nach Öffnungszeiten, also Personalaufwand). Ein Platz in einer ganztägigen Kinderkrippe bezifferte Goller-Martin mit etwa 18 000 Euro pro Jahr. Da 2016 deutschlandweit das geburtenstärkste Jahr seit der Jahrtausendwende gewesen sei, habe die Stadt Ravensburg unabhängig von Flüchtlingen einen großen Bedarf am Ausbau der Kinderbetreuung. „Wir brauchen dringend Geld vom Land, besonders für die Flüchtlingssozialarbeit, damit die Integration auch gelingen kann.“