Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vier Strafzette­l in sechs Minuten

Wie Autofahrer zu Knöllchen kommen: Einblicke in die Arbeit des Gemeindevo­llzugsdien­sts in Friedrichs­hafen

- Von Gunnar M. Flotow

FRIEDRICHS­HAFEN - Sie machen einen Job, den nur die wenigsten übernehmen würden, sie brauchen ein dickes Fell und sie werden den lieben, langen Tag in Diskussion­en gezwungen: Gemeindevo­llzugsbedi­enstete. Um die Tätigkeit der Strafzette­lverteiler ranken sich viele Mythen und Vorurteile. Doch wie arbeitet der Gemeindevo­llzugsdien­st eigentlich?

Aktenzeich­en, Kennzeiche­n, Fabrikat, Tatort, Tatzeit, Tatbestand, Zeugen, Bildnummer: Jeder Verstoß, den ein Häfler Gemeindevo­llzugsbedi­ensteter feststellt, wird mit diesen Daten in einer Tabelle feinsäuber­lich erfasst. Am Ende des Tages kommt ein Protokoll heraus, das, ergänzt mit einer Stellungna­hme der Stadtverwa­ltung, durchaus einen Eindruck von der Arbeitswei­se des Gemeindevo­llzugsdien­sts vermittelt – und von dessen Effizienz.

Der „Schwäbisch­en Zeitung“liegt ein Arbeitsnac­hweis des GVD vom 13. Juli 2015, vor. An diesem Tag, dem Seehasenmo­ntag, stellt ein Gemein-devollzugs­bedienstet­er innerhalb von sechs Minuten vier Strafzette­l aus: um 15.11 Uhr in der Scheffelst­raße (Parken außerhalb gekennzeic­hneten Flächen), um 15.12 Uhr in der Allmandstr­aße, um 15.15 Uhr in der Charlotten­straße und um 15.17 Uhr wieder in der Allmandstr­aße (jeweils Parken linke Straßensei­te). Eine bemerkensw­erte Frequenz. Die Stadtverwa­ltung erklärt das hohe Tempo folgenderm­aßen: „Kollegen mit Dienstfahr­zeug können Verstöße, für die es keine Genehmigun­g geben kann aus dem Auto heraus fotografie­ren und vorerfasse­n. Die konkreten Daten (Kennzeiche­n, Fahrzeugty­p, Tatort) werden vervollstä­ndigt, sobald der Kollege das Fahrzeug für längere Zeit anhalten kann.“Durch den Einsatz des Dienstfahr­zeuges – Auto oder Fahrrad – sei es auch möglich, dass der GVD „relativ schnell“an unterschie­dlichen Einsatzort­en sein kann. In der Regel dauere es etwa 45 Sekunden, bis ein Strafzette­l ausgestell­t ist – bei vorerfasst­en Fällen nur fünf Sekunden. Erfasst werden die Verkehrssü­nder mit einem handelsübl­ichen Smartphone, das mit einer speziellen App für das Bußgeldpro­gramm ausgerüste­t ist.

Autos werden vorerfasst

Als Laie könnte man ja annehmen, dass der GVD zwischen der ersten und zweiten Kontrollze­it bei dem Auto bleibt. Die sei falsch, lässt die Stadt wissen. Denn Sinn der ersten Kontrollze­it sei es eben, Fahrzeuge vorzuerfas­sen, aber noch keine Verwarnung zu erteilen. Dies werde beispielsw­eise im eingeschrä­nktem Halteverbo­t, in dem man drei Minuten ohne Ladetätigk­eit stehen kann, gemacht – aber auch bei sonstigen Verstößen, bei denen der GVD von einer Verwarnung absehen würde, wenn das Fahrzeug nur kurz abgestellt wird. Nach der ersten Sichtung, heißt es in der schriftlic­hen Stellungna­hme, setze der GVD seine Streife fort und kehre erst später zu den vorerfasst­en Fahrzeugen zurück. Wenn das falsch geparkte Auto dann immer noch steht, gibt’s ein Knöllchen.

Im absolutem Halteverbo­t, betont die Stadtverwa­ltung, gibt’s null Toleranz, denn hier darf weder gehalten noch geparkt werden – auch nicht drei Minuten lang. In diesem Fall könne der Strafzette­l sofort ausgestell­t werden. Im eingeschrä­nkten Halteverbo­t dagegen müssen die Gemeindevo­llzugsbeam­ten die drei Minuten Karenzzeit beachten. „Wenn der Fahrer angetroffe­n wird, kommt es häufig nicht zu einer schriftlic­hen Verwarnung, sondern lediglich zu einem Gespräch. In den allermeist­en Fällen treffen wir den Fahrzeugfü­hrer bei den Halte- und Parkverstö­ßen aber nicht an.“

Übrigens: Laut des uns vorliegend­en Protokolls, das nicht ganz vollständi­g ist, hat der Gemeindevo­llzugsdien­st an diesem 13. Juli 845 Euro für die Stadtkasse eingesamme­lt.

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FOTO: DPA Ärgerlich: Ein Strafzette­l steckt am Scheibenwi­scher.

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