Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Külis
Ein Blick hinter die Kulissen
RAVENSBURG - Die Küchenliederleute sie sind Teil der Museumsgesellschaft Ravensburg e.V. und gehören eigentlich ins Humpishaus am Roßbach. Aber: im Gegensatz zu den Museumspädagoginnen und -pädagogen, die im Humpishaus ihre Arbeitsplätze in den Werkstätten haben, sind die Küchenliederleute (kurz „Külis“genannt), unterwegs, um ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, nämlich dem Singen. Und das hat mit ihrem Namen zu tun: mit dem Singen in der Küche.
Allerdings: Mit dem Singen damals, als es im 18., 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein noch herrschaftliche Villen in den Städten gab, wo z.B. Küchenmädchen unter der Regie einer professionellen Köchin dafür sorgten, dass die Herrschaften samt Gästen gutes, sorgfältig zubereitetes Essen serviert bekamen (und übrigens die ganze Villa blitzblank geputzt - und die Wäsche sauber gewaschen war). - Küchenmaschinen gab es damals noch nicht, auch keine Radios, Plattenspieler und ähnliches. Was lag da näher, als neben der Arbeit her zu singen! Das half sicher nicht nur gegen Langeweile bei eintönigen Küchenarbeiten - nein! Es war Balsam für die Seelen der Mädchen, die unter Heimweh, mangelnder Zuwendung und Wertschätzung litten, aber auch unter oft ausbeuterischen Bedingungen leben mussten und sich auch nicht gegen Übergriffe wehren konnten.
Die Küchenlieder sind, genau betrachtet, Balladen, die in einfacher Sprache Geschichten erzählen, in denen Liebe, Treue, Untreue, Unglücke, Untaten, seltsame Ereignisse eine Rolle spielen und die von der Sehnsucht nach ein wenig Lebensglück erzählen. Die Küchenlieder hörte man zu ihrer Zeit in Hinterhöfen und bei Volksfesten, wo sie von Drehorgelmännern und Bänkelsängern dargeboten wurden.
Als „rosarote Trostpflästerchen auf geschundene Mädchenseelen“bezeichnete ein Volkskundler die Küchenlieder und diese besondere Liedgattung. - Genau betrachtet handelt es sich also um das Kulturgut einer bestimmten Bevölkerungsschicht, die es in unserem Land heute nicht mehr gibt.
Kulturgut pflegen: Das praktiziert die Museumsgesellschaft auf vielfältige Art und Weise. Die Külis (übrigens Frauen und Männer) tun dies auf ihre Art: Sie wollen die Küchenlieder vor dem Vergessen bewahren und tragen sie seit über 20 Jahren hinaus in viele Gemeinden. Sie treten auf in der damaligen Dienstbotenkleidung - und oft werden bestimmte Szenen als Stegreifspiele gezeigt. Ihr Singen ist ansteckend, bereitet viel Freude, ältere Zuhörer singen oft mit - und manchmal lässt sich das Berührtsein nicht verstecken.
Wer die Külis erleben möchte: Nächster Auftritt im Heilig-GeistSpital am Samstag, 18. März, 15 Uhr. (Für ihre Auftritte nehmen die Külis weder Eintrittsgeld noch Honorar. Es werden jedoch Spenden fürs Humpishaus gesammelt.)