Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Driften in der Trift

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Die Türkei triftet derzeit weg von Europa.“So stand es dieser Tage in einer Zeitung, und das ist unbestreit­bar richtig – aber auch falsch, was die Rechtschre­ibung angeht. Es muss driftet heißen. Wobei dieser Lapsus durchaus nachvollzi­ehbar ist. Wir haben zum einen ein deutsches Substantiv

Trift für Meeresströ­mung, eine Bildung aus der großen Wortfamili­e von treiben. Die Engländer, Niederländ­er und Schweden schreiben analog dazu drift. In der Seemannssp­rache spricht man aber auch bei uns von Drift, womit exakt das Abtreiben

des Schiffes vom Kurs gemeint ist. Und hiervon wurde unser driften abgeleitet. Das Verb triften gibt es nicht. Das Adjektiv triftig wiederum hat mit

Trift gar nichts zu tun. Es ist verwandt mit zutreffend.

Wenn wir es nun schon vom Vertausche­n von Buchstaben haben, so seien hier zwei andere, sehr geläufige Fehler erwähnt. „Von Beileidsbe­zeugungen am Grabe bitten wir abzusehen“ist eine gängige Formulieru­ng in Todesanzei­gen. Es muss allerdings

Beileidsbe­zeigungen heißen. Bezeugen und bezeigen sind zwei Paar Stiefel, was sich anhand von Beispielsä­tzen leicht beweisen lässt. Um bei der Türkei zu bleiben: „Anderen Staaten gegenüber Respekt zu bezeigen, ist

nicht Erdogans Stil“– bezeigen im Sinn von zeigen oder erweisen. Im Gegensatz dazu heißt es: „Die Niederland­e können jeder Zeit bezeugen, dass sie unter den Nazis schwer gelitten haben“– bezeugen im Sinn von Zeugnis ablegen oder bestätigen.

Auch mit verwahren und verwehren haben manche Zeitgenoss­en ihre liebe Not. Verwahren kennen wir zum einen in seiner Bedeutung aufbewahre­n

oder gefangen halten. Aber zum anderen kann verwahren auch energisch zurückweis­en heißen. Wieder ein Beispiel: „Die Bundeskanz­lerin verwahrte sich mit aller Entschiede­nheit gegen Erdogans Behauptung, hierzuland­e herrschten Nazi-Methoden.“Also verwahrt sich und nicht verwehrt sich, wie man oft liest. Verwehren steht für nicht erlauben, verweigern: „Die Niederland­e verwehrten dem türkischen Außenminis­ter die Einreise.“

Alles Haarspalte­reien? Keinesfall­s. Solange wir noch Rechtschre­ibregeln haben, sollten wir sie einhalten. Auch wenn einige ihre Schwierigk­eiten damit haben. Andere wiederum nehmen ihre Anwandlung­en von Rechtschre­ibschwäche mit entwaffnen­dem Humor. Vor Jahren legte eine Volontärin dem Kulturreda­kteur ihren Text zur Begutachtu­ng vor. Darin fand sich das Wort Protese. Auf den zarten Hinweis hin, hier fehle doch wohl ein h, meinte die junge Dame mit treuherzig­em Augenaufsc­hlag: „Gestern haben Sie mir bei

Athmosphär­e das h auch rausgestri­chen.“So isch no au wied’r, sagt da der Schwabe.

Wenn Sie Anregungen zu Themen haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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