Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mitten im Leben zwischen Alltag und Lebenslust

Zsuzsa Bánk las in der Buchhandlu­ng Ravensbuch aus ihrem neuen Roman

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Volles Haus bei RavensBuch zur Lesung von Zsuzsa Bánk. Vor kurzem ist ihr Briefroman „Schlafen werden wir später“, die Korrespond­enz von zwei Freundinne­n, erschienen. Die 51-Jährige Autorin, die als Tochter ungarische­r Eltern in Frankfurt aufwuchs und dort mit Mann und Kindern lebt, wurde 2002 mit ihrem ersten Roman „Der Schwimmer“bekannt.

Mit ihrer sanften und schönen Stimme gelang es Zsuzsa Bánk, das Publikum zu fesseln, obwohl es durchaus ein Wagnis bedeutet, aus einem Briefroman vorzulesen, der eigentlich ein Roman aus zeitlich oft eng getakteten E-Mails ist. Bánk begann mit dem Anfang und eine kurze Weile musste man bei ihrem zügigen Lesen aufpassen, dass man die Zäsuren zwischen den Mails und die Datumsund Zeitangabe­n mitbekam. Ohne die persönlich­en Anreden dazwischen wäre nämlich nicht immer auf Anhieb zu erkennen gewesen, wer da gerade sprach. Denn der Ton der beiden Briefschre­iberinnen liegt nicht so weit auseinande­r.

Die Lehrerin Johanna und die Autorin Márta, die sich gerade mit Annette von Droste-Hülshoff beschäftig­t, leben an entgegen gesetzten Enden der Republik, im ewig dunklen Schwarzwal­d und im ständig verregnete­n Hamburg, ein Nebenthema in den eingestreu­ten atmosphäri­schen Schilderun­gen. Die allein lebende Johanna und die mit Simon verheirate­te Márta, die vor kurzem noch ein drittes Kind bekommen hat, kennen sich seit ihrer frühen Jugend, sind beide Anfang Vierzig und fühlen sich erschöpft, Johanna von ihrer Krebserkra­nkung und Márta von ihren Kindern und ihrer Ehe. Die Mails zwischen ihnen erzählen vom Jetzt, dem Alltag, von Lebenslust und Lebensfrus­t, von Erinnerung­en, Vergangenh­eit, vom harschen Blick auf die Gegenwart und dem bangen Blick in die Zukunft. Sie sind ein nicht nachlassen­der Strom aus Erfahrungs­schnipseln und ausgereift­en Gedankengä­ngen, durchzogen von warmer Herzlichke­it und zärtlicher Vertrauthe­it, Liebesbrie­fe ohne Erotik.

Rahmen für Gefühlscha­os In einem Interview mit den FischerVer­lagen erklärte Bánk, an einem Briefroman habe sie fasziniert, dass sie in dieser Form „zwei Ichs“und damit auch ein ganz anderes Vokabular zur Verfügung habe. Der geballte Alltag interessie­re sie vor allem. Diese Stellen mit treffenden Beobachtun­gen und amüsanten Analysen goutierte auch das Publikum mit Freude. Aber wichtiger in diesen Texten ist wohl doch der bisweilen wuchtige poetische Impetus, der vor allem bei Márta, sich immer wieder Bahn bricht und sehr schöne einzelne Bilder vermittelt. Trotzdem: Niemand würde jeden Tag so lange und inhaltssch­were Mails produziere­n, in denen viel auch über das „Schreiben als Beruf“und die deutsche Sprache reflektier­t wird. Und so ist die Briefroman­form eher der haltbare Rahmen für das Chaos der Gefühle und Gedanken, die das Leben bedeuten, und nicht so sehr ein persönlich­es Portrait eines Menschen oder einer Lebenssitu­ation.

Man könnte sich einen ähnlichen Briefwechs­el unter Männern nur schwer vorstellen. Sind Frauen also die besseren Freunde? Vielleicht. In jedem Fall verfügen sie bei Bánk im Gegensatz zu Männern neben einer konstanten Reflexion auch über einen konsistent­en und durchaus inspiriere­nden Redefluss.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHÄFER ?? Die Autorin Zsuzsa Bánk (links) erfüllte gerne auch Autogrammw­ünsche der Besucher bei Ravensbuch.
FOTO: DOROTHEE L. SCHÄFER Die Autorin Zsuzsa Bánk (links) erfüllte gerne auch Autogrammw­ünsche der Besucher bei Ravensbuch.

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