Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Landkreis hebt Haushaltssperre auf
Kreistag hat zudem Strategiepapier über Unterbringung von Flüchtlingen beschlossen
ISNY - Der Landkreis Ravensburg hat seine Haushaltssperre wieder aufgehoben. Landrat Harald Sievers informierte die Mitglieder des Kreistages bei der öffentlichen Sitzung am Donnerstag im Isnyer Kurhaus von einem Gespräch, das er am Vormittag in Stuttgart zur Übernahme der Flüchtlingskosten, die sogenannte Spitzabrechnung, geführt hat. Der Pressesprecher von Innenminister Thomas Strobl habe ihm mündlich zugesichert, das Land werde die „tatsächlichen Kosten tragen, auch für Unterkünfte, die leer stehen“, sagte Sievers. Das Gespräch in der Landeshauptstadt habe die „Sachlage grundsätzlich“geändert, woraufhin Kämmerer Franz Baur verkündete: „Ich sehe mich in der Lage, die Haushaltssperre wieder aufzuheben.“
Ein Bericht der „Schwäbischen Zeitung“über die Spitzabrechnung hatte Anfang der Woche mächtig für Wirbel gesorgt. Umso mehr, weil die Kreisräte erst dadurch erfuhren, dass Kreiskämmerer Franz Baur eine Haushaltssperre verhängt hatte.
Hauptthema der Sitzung war das weitere Vorgehen bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Fraktionsübergreifend und einstimmig haben die Kreisräte einem Strategiepapier des Landkreises zugestimmt, das die künftige Unterbringung von Flüchtlingen regeln soll. Darin geht es zum einen um die künftige Nutzung der Gebäude. Sie sollen aus dem Besitz des Kreises an die Städte und Gemeinden übergehen. Zweiter Punkt ist der Übergang von der „vorläufigen“in die „Anschlussunterbringung“, also möglichst der Umzug aus Sammelquartieren in Einzelunterkünfte, wenn der Status der Flüchtlinge rechtlich geklärt ist.
Ein schwieriges Thema sind die unbegleiteten Minderjährigen Breiten Raum im Strategiepapier der Ersten Landesbeamtin Eva-Maria Meschenmoser, das samt Anlagen 38 Seiten umfasst, nimmt drittens die Regelung für die sogenannten ehemaligen „unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber (UMA)“ein, die volljährig geworden sind. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres sind für sie rechtlich nicht mehr die Jugendhilfe sondern die Städte und Kommunen zuständig. Wobei es außerdem zwei Unterscheidungen gibt, nämlich ob ein UMA seinen Asylantrag vor oder nach Eintritt der Volljährigkeit gestellt hat. Generell wird außerdem zwischen „geduldeten Flüchtlingen“und anerkannten Asylbewerbern unterschieden. Erstere werden nach der sogenannten „Genfer Konvention“für Kriegsflüchtlinge behandelt, letztere nach dem deutschen Asylrecht.
Isnys Bürgermeister Rainer Magenreuter erklärte im weiteren Verlauf der Sitzung, dass es in Isny derzeit 330 Asylbewerberplätze gebe. Das seien verglichen mit anderen Kommunen „die zweitmeisten und auf die Zahl der Bevölkerung die meisten“im Landkreis. Meschenmoser hielt fest, dass zum 31. Januar 2017 „knapp 2200 Personen in den Unterkünften der vorläufigen Unterbringung und gut 2500 Personen in der Anschlussunterbringung“wohnen. Es wohnen also inzwischen mehr Menschen in Unterkünften der Städte und Gemeinden sowie privaten Wohnungen als in Sammelunterkünften.
Außerdem seien seit April 2016 überhaupt nur „rund 3000 Personen pro Monat nach Baden-Württemberg gekommen“. Der Landkreis Ravensburg habe bis Januar 2017 lediglich 126 Personen in einer vorläufigen Unterkunft aufgenommen, was durchschnittlich 13 Menschen pro Monat bedeutete. Im Februar sei der Kreis verpflichtet gewesen, 24 Personen aufzunehmen. In den vorläufigen Unterkünften liege der Anteil der Familien derzeit bei 45 Prozent, bei den „Zugängen in den Landkreis“habe er vergangenes Jahr 54 Prozent betragen.
Auch über die Herkunftsländer und die Anerkennungsquote im Asylverfahren gibt das Strategiepapier Auskunft. Demnach kamen 58 Prozent der Flüchtlinge aus Syrien, von denen 98 Prozent anerkannt wurden, 20 Prozent aus Afghanistan (knapp 56 Prozent anerkannt), zehn aus dem Irak (über 70 Prozent anerkannt) und drei Prozent aus dem Iran (fast 51 Anerkannte). Erfasst wurde zudem, wie viele Menschen 2016 aus vorläufigen Unterkünften auszogen, nämlich 1800, von denen wiederum 1300 im Landkreis geblieben seien. Im Januar 2017 lag das Verhältnis bei 117 zu 91. Aktuell lebten noch knapp 800 Menschen in Provisorien, die „bereits die Voraussetzungen für die Anschlussunterbringung“erfüllten.
Mit dem Stand 1. Januar 2017 verfüge der Landkreis über 2342 Plätze für Asylbewerber und Flüchtlinge – in angekauften und angemieteten Gebäuden, Wohnungen und Containern. Sie verteilen sich auf 41 Gebäude und Wohnungen sowie 40 Modul- und Containerbauten. Für eine vorläufige Unterbringung sollen künftig 700 Plätze vorgehalten werden. Gemietete Gewerbehallen werden nicht mehr als Wohnquartiere, sondern als Lager für Ausstattungsgegenstände wie Betten, Schränke oder Trennwände genutzt. Mit den Besitzern laufen Verhandlungen, die Mietverträge zu beenden.
Städte und Kommunen sollen Kreis-Immobilien übernehmen Gebäude und Wohnungen des Landkreises sollen dem Strategiepapier zufolge nach und nach in den Besitz der Kommunen übergehen. Im Laufe des Jahres soll deren Wert ermittelt und in „bilateralen Gesprächen“der Übergang geregelt werden. Offen ist hierbei auch noch, wie die Kosten zwischen dem Land Baden-Württemberg, dem Landkreis und den Kommunen zu regeln sind. SEITE 2