Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Datenschützer suchen Personal
Weil die EU ihnen mehr Kompetenzen gibt, brauchen Landesbehörden mehr Juristen und IT-Experten
STUTTGART - Neue Regeln der EU sollen Verbraucher ab 2018 besser vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen. Auf die zuständigen Landesbehörden kommen dann zahlreiche neue Aufgaben zu. Das Gutachten eines renommierten Datenschützers hat jetzt ergeben: Bis zu 30 neue Stellen müssen in jedem einzelnen Landesamt geschaffen werden, um den neuen Pflichten nachzukommen – auch in Baden-Württemberg und Bayern.
Neue Rechte, aber auch zahlreiche neue Pflichten kommen auf die Landesbeauftragten für Datenschutz in Deutschland zu, wenn 2018 die neuen EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt. Dann dürfen die Behörden zum Beispiel hohe Strafen verhängen. Bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes drohen Unternehmen, die gegen Vorgaben verstoßen. Zuständig sind Behörden schon, wenn ein Produkt in ihrem Land auf dem Markt ist. Damit könnte der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink ab 2018 theoretisch auch gegen Facebook oder Google vorgehen. Außerdem müssen die Behörden Beschwerden und Anzeigen von Bürgern innerhalb bestimmter Fristen nachgehen. Firmen können neue Produkte vorab prüfen lassen, zum Teil müssen sie dies sogar. „Wenn ein Unternehmen uns ein neues Produkt zur datenschutzrechtlichen Prüfung vorlegt und wir nicht innerhalb der Fristen antworten, dürfen wir das Unternehmen später bei möglichen Verstößen nicht mehr sanktionieren“, erläutert Brink. „Unternehmen können uns ab 2018 vor Gericht belangen, wenn wir ihre Anfragen nicht fristgerecht bearbeiten.“
Zwar begrüßen die Datenschützer die neuen Kompetenzen grundsätzlich – der Personalbedarf bereitet ihnen aber Kopfzerbrechen. Im Auftrag der Landesbeauftragten für den Datenschutz hat Professor Alexander Roßnagel von der Universität Kassel untersucht, wie viele neue Stellen ab 2018 notwendig sind. Das Ergebnis der jetzt veröffentlichten Studie ist eindeutig. Bis zu 30 Vollzeitstellen pro Bundesland hält der Jurist für notwendig. „Ich halte das Gutachten von Professor Roßnagel für sehr fundiert und gut begründet. Es überzeichnet die Mehraufgaben keineswegs“, sagt Brink der „Schwäbischen Zeitung“. Sein bayerischer Kollege Thomas Petri ist ein wenig vorsichtiger: „Es ist eine gute Grundlage. Aber solche Berechnungen von Stellen beinhalten ja stets auch ein prognostisches Element.“Sprich: Wie viel Personal am Ende wirklich notwendig sei, müsse sich zeigen.
Derzeit 42,5 Vollzeitstellen Wenn es um genaue Personalforderungen für ihre Behörden geht, halten sich beide Experten zurück. „Wir werden unsere konkreten Bedarfe und Pläne zunächst mit den Fraktionen im Landtag erörtern, sagt Brink auf die Frage, wie viel Personal er 2018 benötigt. Diese strichen Brinks Wunschliste für 2017 zusammen – er wollte zwölf bis 14 neue Stellen, acht wurden es. In Baden-Württemberg gibt es nun 42,5 Vollzeitstellen. In Bayern laufen die Beratungen noch, hier sollen 2017 und 2018 sechs Stellen hinzukommen. Dann wäre Bayern bei rund 35 Stellen. Doch selbst nach den jüngsten Aufstockungen werden beide Behörden keinesfalls die Stärke erreichen, die Experte Roßnagel für erforderlich hält.
Baden-Württemberg plagen dabei noch zwei Sonderregelungen, die es so sonst nirgendwo gibt. Zum einen hat der Landesdatenschutzbeauftragte keine eigene Bußgeldstelle. Bußgelder verhängen derzeit in seinem Auftrag die Regierungspräsidien. Außerdem ist er beim Landtag angesiedelt, der einen Teil der Verwaltungsarbeit mit erledigt. Bis 2018 soll Brink eine eigene Oberste Landesbehörde bekommen, mit Bußgeldstelle und eigener Verwaltung. Dafür würden noch einmal vier neue Stellen notwendig. Von den gerade bewilligten acht Posten sind zwar sechs bereits mit Blick auf die EUVerordnung geschaffen worden. Doch wenn man von Roßnagels Prognose ausgeht, blieben immer noch 24 neu zu schaffende Posten. „Der Landtag hat uns für das laufende Jahr mit zusätzlichen Stellen unterstützt, es müssen aber weitere folgen“, sagt Brink.
Diese wären keineswegs billig für das Land. Bis zu 19 Juristen und fünf IT-Experten hält der Gutachter für notwendig. Solche Fachkräfte sind selten auf dem Markt und müssen entsprechend gut bezahlt werden.
Auch Unternehmen pochen darauf, die Behörden zügig mit ausreichend Personal auszustatten. „Eine bessere Ausstattung der Aufsichtsbehörden halten wir für sehr wichtig“, sagt Susanne Dehmel vom ITBranchenverband Bitkom. Es werde offene Fragen bei der genauen Auslegung der EU-Datenschutzgrundverordnung geben, diese sei sehr allgemein formuliert. Unternehmen müssten sich dazu von den zuständigen Stellen beraten lassen können. „Gerade bei Produkten von Digitalunternehmen sind die Innovationszyklen kurz. Da können ein paar Monate Wartezeit auf das Okay einer Behörde schon zu lang sein“, mahnt Dehmel.