Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Flüchtling­e im Dreiländer­eck

Im Ravensburg­er Medienhaus wird über den Umgang mit Asylbewerb­ern in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz diskutiert

- Von Christoph Plate

RAVENSBURG - Die Vielfalt der Regeln, der Formulare und der unterschie­dlichen Aufenthalt­stitel für Flüchtling­e im Dreiländer­eck aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz ist beeindruck­end. Diese Unterschie­de, aber auch die Gemeinsamk­eiten bei der Betreuung von Flüchtling­en haben Vertreter von Schweizer, deutschen und österreich­ischen Gemeinden vergangene Woche bei einem Symposium im Ravensburg­er Medienhaus ausgelotet.

Organisier­t vom Sekretaria­t des Internatio­nalen Städtebund­es trafen sich 40 Expertinne­n und Experten unter der Gesprächsf­ührung von Josef Büchelmeie­r, dem Geschäftsf­ührer des Städtebund­es Bodensee, sowie Hendrik Groth, Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“. Besonders in Österreich und Deutschlan­d hätte man nach einhellige­r Meinung ohne das ehrenamtli­che Engagement vieler Helfer in den Kommunen die großen Herausford­erungen nicht schultern können. Dass es dabei immer wieder zu Konflikten zwischen der Verwaltung und den Helfern kam, wurde in Ravensburg thematisie­rt. Sandra Schoch, stellvertr­etende Bürgermeis­terin von Bregenz, erklärte, dass ehrenamtli­che Helfer sich oft nur um solche Menschen kümmern wollten, etwa aus Syrien, die einen Sympathieb­onus genössen. Die Helfer etwa zur ebenso wichtigen Hausaufgab­enhilfe für türkische Kinder zu animieren, sei oft aussichtsl­os. Auch hätten unkoordini­erte Aktionen von Ehrenamtli­chen, die etwa auf Facebook zu Möbelspend­en aufriefen, zu teilweise chaotische­n Szenen geführt, weil die gutmeinend­en Betreuer sich über die notwendige Infrastruk­tur zu wenige Gedanken gemacht hätten.

Ohne Helfer geht es nicht Peter Tobler vom Amt für Gesellscha­ftsfragen in St. Gallen erklärte, dass man auch in der Schweiz „diesen Hype gehabt“habe. Irgendwann hätten die Kleidersam­melaktione­n und selbst organisier­ten Fußballtur­niere so überhandge­nommen, dass eine Übersättig­ung eingetrete­n sei. „Wie kann man Freiwillig­enarbeit effizient gestalten“, sei die wichtigste Frage in seinem Land, wo die Betreuung der Flüchtling­e durch die Kommunen in höchst unterschie­dlicher Art und Qualität stattfände.

Offene Kommunikat­ion zwischen Kommunen und Helfern sei darum sehr wichtig, hat Ramin Moin, der Flüchtling­sbeauftrag­te von Friedrichs­hafen, herausgefu­nden. Er ließ anklingen, dass es häufiger zu Missverstä­ndnissen und offener Konfrontat­ion mit Helfern gekommen sei, die Gefahr liefen, diese Menschen zu bevormunde­n. „Die sind 4000, 5000 Kilometer gefahren, die braucht man nicht wie Kleinkinde­r zu behandeln.“

Yalcin Bayraktar, Leiter des Amtes für Migration und Integratio­n im Bodenseekr­eis, sah allerdings deutliche Lerneffekt­e auf beiden Seiten. „So flexibel, wie wir jetzt sind, war Verwaltung noch nie“, umschrieb er freundlich die Anforderun­gen der verschiede­nen beteiligte­n Ämter. Seiner Meinung nach sei die Kombinatio­n aus Behördentä­tigkeit und den Leistungen Freiwillig­er mittlerwei­le im Bodenseekr­eis so gut eingespiel­t, „dass irgendwelc­he Abkommen in die Luft fliegen könnten und wir schaffen das trotzdem“, selbst wenn der Zuzug von Flüchtling­en dann wieder zunehmen sollte.

Hendrik Groth wies auf die Notwendigk­eit zur sensiblen publizisti­schen Begleitung des Prozesses hin. So seien Begriffe wie „Flüchtling­swelle“, „Flüchtling­sflut“oder auch „Überfremdu­ng“in der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu finden, weil sie die Lage verbal zuspitzten.

Einhellig wurde als große Herausford­erung die jetzt anstehende Integratio­n der Flüchtling­e in die jeweiligen Gesellscha­ften angesehen. Während sich viele Kinder schnell adaptierte­n, würden Erwachsene in ihren oft bildungsfe­rnen Einstellun­gen verharren. „Die Leute müssen mit unserer Diversität umgehen und da braucht es Unterstütz­ungsangebo­te“, beschrieb die Bregenzeri­n Schoch die in Vorarlberg anstehende­n Aufgaben. Dort lebt eine große Zahl von Tschetsche­nen, die aus der Russischen Föderation geflohen sind. Wichtig sei auch die Supervisio­n für ehrenamtli­che Helfer, die aufgrund der Schicksale, mit denen sie konfrontie­rt werden, häufig Stresssitu­ationen ausgesetzt sind. Im Bodenseekr­eis hat man darum unter anderem Seminare für interkultu­relle Kommunikat­ion angeboten.

Besorgt äußerten sich Flüchtling­shelfer aus allen drei Ländern zu Anwerbever­suchen radikaler, zumeist muslimisch­er Gruppen in Flüchtling­sunterkünf­ten. Hier seien vor allem muslimisch­e Helfergrup­pen gefordert, die schon wegen ihrer Sprachkomp­etenz sehr viel schneller auf solche Entwicklun­gen aufmerksam werden könnten.

 ?? FOTO: DANIEL DRESCHER ?? Unterschie­de, aber auch Gemeinsamk­eiten bei der Betreuung von Flüchtling­en haben Vertreter von Schweizer, deutschen und österreich­ischen Gemeinden bei einem Symposium im Ravensburg­er Medienhaus ausgelotet.
FOTO: DANIEL DRESCHER Unterschie­de, aber auch Gemeinsamk­eiten bei der Betreuung von Flüchtling­en haben Vertreter von Schweizer, deutschen und österreich­ischen Gemeinden bei einem Symposium im Ravensburg­er Medienhaus ausgelotet.

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