Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Flüchtlinge im Dreiländereck
Im Ravensburger Medienhaus wird über den Umgang mit Asylbewerbern in Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutiert
RAVENSBURG - Die Vielfalt der Regeln, der Formulare und der unterschiedlichen Aufenthaltstitel für Flüchtlinge im Dreiländereck aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist beeindruckend. Diese Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten bei der Betreuung von Flüchtlingen haben Vertreter von Schweizer, deutschen und österreichischen Gemeinden vergangene Woche bei einem Symposium im Ravensburger Medienhaus ausgelotet.
Organisiert vom Sekretariat des Internationalen Städtebundes trafen sich 40 Expertinnen und Experten unter der Gesprächsführung von Josef Büchelmeier, dem Geschäftsführer des Städtebundes Bodensee, sowie Hendrik Groth, Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“. Besonders in Österreich und Deutschland hätte man nach einhelliger Meinung ohne das ehrenamtliche Engagement vieler Helfer in den Kommunen die großen Herausforderungen nicht schultern können. Dass es dabei immer wieder zu Konflikten zwischen der Verwaltung und den Helfern kam, wurde in Ravensburg thematisiert. Sandra Schoch, stellvertretende Bürgermeisterin von Bregenz, erklärte, dass ehrenamtliche Helfer sich oft nur um solche Menschen kümmern wollten, etwa aus Syrien, die einen Sympathiebonus genössen. Die Helfer etwa zur ebenso wichtigen Hausaufgabenhilfe für türkische Kinder zu animieren, sei oft aussichtslos. Auch hätten unkoordinierte Aktionen von Ehrenamtlichen, die etwa auf Facebook zu Möbelspenden aufriefen, zu teilweise chaotischen Szenen geführt, weil die gutmeinenden Betreuer sich über die notwendige Infrastruktur zu wenige Gedanken gemacht hätten.
Ohne Helfer geht es nicht Peter Tobler vom Amt für Gesellschaftsfragen in St. Gallen erklärte, dass man auch in der Schweiz „diesen Hype gehabt“habe. Irgendwann hätten die Kleidersammelaktionen und selbst organisierten Fußballturniere so überhandgenommen, dass eine Übersättigung eingetreten sei. „Wie kann man Freiwilligenarbeit effizient gestalten“, sei die wichtigste Frage in seinem Land, wo die Betreuung der Flüchtlinge durch die Kommunen in höchst unterschiedlicher Art und Qualität stattfände.
Offene Kommunikation zwischen Kommunen und Helfern sei darum sehr wichtig, hat Ramin Moin, der Flüchtlingsbeauftragte von Friedrichshafen, herausgefunden. Er ließ anklingen, dass es häufiger zu Missverständnissen und offener Konfrontation mit Helfern gekommen sei, die Gefahr liefen, diese Menschen zu bevormunden. „Die sind 4000, 5000 Kilometer gefahren, die braucht man nicht wie Kleinkinder zu behandeln.“
Yalcin Bayraktar, Leiter des Amtes für Migration und Integration im Bodenseekreis, sah allerdings deutliche Lerneffekte auf beiden Seiten. „So flexibel, wie wir jetzt sind, war Verwaltung noch nie“, umschrieb er freundlich die Anforderungen der verschiedenen beteiligten Ämter. Seiner Meinung nach sei die Kombination aus Behördentätigkeit und den Leistungen Freiwilliger mittlerweile im Bodenseekreis so gut eingespielt, „dass irgendwelche Abkommen in die Luft fliegen könnten und wir schaffen das trotzdem“, selbst wenn der Zuzug von Flüchtlingen dann wieder zunehmen sollte.
Hendrik Groth wies auf die Notwendigkeit zur sensiblen publizistischen Begleitung des Prozesses hin. So seien Begriffe wie „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingsflut“oder auch „Überfremdung“in der „Schwäbischen Zeitung“nicht zu finden, weil sie die Lage verbal zuspitzten.
Einhellig wurde als große Herausforderung die jetzt anstehende Integration der Flüchtlinge in die jeweiligen Gesellschaften angesehen. Während sich viele Kinder schnell adaptierten, würden Erwachsene in ihren oft bildungsfernen Einstellungen verharren. „Die Leute müssen mit unserer Diversität umgehen und da braucht es Unterstützungsangebote“, beschrieb die Bregenzerin Schoch die in Vorarlberg anstehenden Aufgaben. Dort lebt eine große Zahl von Tschetschenen, die aus der Russischen Föderation geflohen sind. Wichtig sei auch die Supervision für ehrenamtliche Helfer, die aufgrund der Schicksale, mit denen sie konfrontiert werden, häufig Stresssituationen ausgesetzt sind. Im Bodenseekreis hat man darum unter anderem Seminare für interkulturelle Kommunikation angeboten.
Besorgt äußerten sich Flüchtlingshelfer aus allen drei Ländern zu Anwerbeversuchen radikaler, zumeist muslimischer Gruppen in Flüchtlingsunterkünften. Hier seien vor allem muslimische Helfergruppen gefordert, die schon wegen ihrer Sprachkompetenz sehr viel schneller auf solche Entwicklungen aufmerksam werden könnten.