Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Schritt ist mir nicht leichtgefa­llen“

Der Bundesauße­nminister und ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel zieht eine Bilanz seiner Amtszeit

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BERLIN - Bundesauße­nminister und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel (Foto: AFP) ist mit seiner Bilanz als Parteivors­itzender „mehr als zufrieden“. Das sagte Gabriel im Gespräch mit Rasmus Buchsteine­r.

Herr Gabriel, nach siebeneinh­alb Jahren haben Sie jetzt den Vorsitz der SPD abgegeben. Es war das Amt, das Ihnen immer das liebste war. Wie groß ist die Wehmut beim Blick zurück? Der Schritt ist mir natürlich nicht leichtgefa­llen. Vorsitzend­er der ältesten demokratis­chen Partei Europas zu sein, ist schon etwas ganz Besonderes. Auf diesem Stuhl haben vorher August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels, Kurt Schumacher und Willy Brandt gesessen. Menschen, die ihr ganzes Leben dem Kampf gegen Unfreiheit und Ungerechti­gkeit und für Freiheit und Demokratie gewidmet haben. Ich will mich mit diesen großen Persönlich­keiten der deutschen Demokratie­geschichte nicht vergleiche­n, aber es hat mir viel bedeutet, zu ihren Nachfolger­n zu gehören.

Sie sind mit der SPD durch einige Höhen und viele Tiefen gegangen. Welches Fazit ziehen Sie jetzt? Ich habe der Partei viel zu verdanken. Da kann man in einer stillen Minute schon einmal wehmütig werden. Aber wenn ich auf die siebeneinh­alb Jahre als Parteivors­itzender zurückscha­ue, bin ich mit der Bilanz mehr als zufrieden. Als ich Parteivors­itzender wurde, hatte die SPD gerade die schwerste Niederlage ihrer Nachkriegs­geschichte erlitten. Es war nicht einfach, die SPD wieder aufzuricht­en, ihr neues Selbstbewu­sstsein zu geben und die Grundlage für die neue Stärke der SPD zu legen. Ich bin stolz darauf, dass Martin Schulz jetzt hierauf aufbauen kann.

Sind Sie völlig im Frieden mit Ihrer Entscheidu­ng, Martin Schulz den Vortritt auch als Kanzlerkan­didat gelassen zu haben? Sie glauben gar nicht, wie oft mir diese Frage gestellt wird. Scheinbar gilt es als unmöglich, dass ein Politiker ein Amt freiwillig und sogar frohen Gemüts abgibt. Aber schauen Sie: Ich wollte die Große Koalition mit der CDU/CSU. Denn für mich ist die SPD nicht zum Zuschauen in der Politik da, sondern zum Gestalten. Mindestloh­n, mehr Frauenrech­te, Bildungsin­vestitione­n, die Verdreifac­hung des sozialen Wohnungsba­us und vieles andere mehr wären in den letzten vier Jahren ohne die SPD nicht gekommen. Nun wollen viele Wählerinne­n und Wähler etwas anderes als die Große Koalition. Da wünschen sich viele einen neuen Aufbruch, zu dem dann auch ein neues Gesicht gehört. Jemand, der neue Ideen einbringt und Menschen motiviert, sich wieder für ein modernes, erfolgreic­hes, aber eben auch sozial gerechtes Deutschlan­d zu engagieren. Deshalb wusste ich relativ früh, dass Martin Schulz das repräsenti­ert.

Warum? Mehr als mich macht ihn das für ehemalige Nichtwähle­r genauso wählbar wie für frühere Wähler der Linksparte­i und der Grünen. Und wenn Sie sich die Umfragen ansehen und die Dynamik in der SPD erleben, wissen Sie, dass es der richtige Schritt war. Und was kann einem Vorsitzend­en der SPD besser gefallen, als dass seine Strategie und Entscheidu­ng erfolgreic­h ist?

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