Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf der Anklageban­k

Heute beginnt der Strafproze­ss gegen den Banker und Ex-HRE-Chef Georg Funke

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Seit vielen Jahren scheut Georg Funke die Öffentlich­keit. Heute wird der frühere Chef der Immobilien­bank HRE sich der unangenehm­sten Form der Aufmerksam­keit stellen müssen: auf der Anklageban­k des Landgerich­ts München I. Auf dem Höhepunkt der Finanzkris­e Ende des vergangene­n Jahrzehnts war die HRE der teuerste Schadenfal­l für den Bund: Das systemrele­vante Institut wurde mit mehr als 120 Milliarden Euro Bürgschaft­en gestützt, um den drohenden Kollaps weiterer Banken zu verhindern. Funke stand als Paradebeis­piel eines Gierbanker­s da.

Doch Funke fühlt sich keineswegs als Täter, sondern als Opfer. „Wir kämpfen natürlich darum, einen Freispruch zu bekommen“, sagt Anwalt Wolfgang Kreuzer.

Ursprüngli­ch wurde gegen Funke und mehrere andere Ex-HRE-Manager wegen Untreue ermittelt. Davon ist nur noch wenig übrig. Funke wird vorgeworfe­n, 2007 und 2008 Bilanzzahl­en geschönt zu haben, mögliche Maximalstr­afe sind drei Jahre Gefängnis. Der mitangekla­gte ehemalige Finanzvors­tand Markus Fell muss sich darüber hinaus wegen Marktmanip­ulation verantwort­en, strafbar mit maximal fünf Jahren Haft.

Wie in den Prozessen der vergangene­n Jahre deutlich geworden, war die Finanzkris­e in der Empfindung vieler beteiligte­r Banker kein selbst verschulde­tes Unglück, sondern eine Art Naturkatas­trophe, die über die Branche hereinbrac­h.

Im Falle der HRE war es ein Unternehme­nskauf, der maßgeblich zum Kollaps beitrug: Im Herbst 2007 – ein halbes Jahr nach Beginn der Finanzkris­e – übernahm die HRE für mehr als fünf Milliarden Euro die in Irland ansässige Pfandbrief­bank Depfa. Wie sich wenig später herausstel­lte, war das der schlechtes­tmögliche Zeitpunkt. Anfang 2008 wurden die Probleme offenbar, die HRE-Aktie stürzte ab.

Die Depfa verlieh sehr langfristi­g Geld an Immobilien­investoren und holte sich das Kapital dafür mit kurzfristi­gen Krediten. Im Herbst 2008 kam aber nach dem Zusammenbr­uch von Lehman Brothers in New York die wechselsei­tige Kreditverg­abe im Finanzsekt­or schlagarti­g zum Erliegen, die HRE bekam kein Geld mehr.

Gier ist nicht strafbar Das Grundprobl­em sämtlicher Strafverfa­hren gegen Bankiers, die ihre Institute in Existenzkr­isen oder ganz in den Abgrund ritten: Im Geschäftsl­eben sind weder Gier noch Leichtsinn strafbar. Für eine Verurteilu­ng wegen Untreue oder Betrug müssen Staatsanwä­lte hieb- und stichfest beweisen, dass die Angeklagte­n ihrer Firma in voller Absicht schadeten. Das stellte sich schon in vielen Prozessen als nahezu unmöglich heraus.

Die Schwierigk­eiten der Strafjusti­z bei der Aufarbeitu­ng der Finanzkris­e lassen sich unter anderem daran ablesen, dass Funke zuerst jahrelang auf den Abschluss der Ermittlung­en warten musste – und anschließe­nd noch einmal zweieinhal­b Jahre, bis die fünfte Strafkamme­r die Anklage zuließ.

Wie teuer die HRE Deutschlan­ds Steuerzahl­er zu stehen kommt, ist immer noch unklar. Die HRE erwies sich als nicht zu retten und wurde 2009 notverstaa­tlicht. Es folgte die Aufspaltun­g in eine Bad Bank – die faule Wertpapier­e in dreistelli­ger Milliarden­höhe übernahm – und ein lebensfähi­ges Nachfolgei­nstitut, die Deutsche Pfandbrief­bank (pbb). Zwar wurden die 124 Milliarden Euro Staatsbürg­schaften nie in Anspruch genommen. Doch das heißt keineswegs, dass alles gut wäre: Die Forderunge­n und Verbindlic­hkeiten der Bad Bank FMS Wertmanage­ment beliefen sich laut Bundesfina­nzminister­ium zum 30. Juni vergangene­n Jahres nach wie vor auf 183 Milliarden Euro.

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FOTO: IMAGO Ex-Hypo-Real-Estate-Vorstandsc­hef Georg Funke.

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