Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ermittler auch bei VW-Chef Müller
Staatsanwaltschaft sucht Protokolle und E-Mails des Vorstands – Rätselraten über Piëchs Verkaufspläne
INGOLSTADT/WOLFSBURG (dpa) Bei den Razzien gegen Audi wegen möglichen Betrugs in der Diesel-Affäre hat laut Medienberichten auch das Top-Management des VW-Konzerns Besuch von Ermittlern bekommen. Beamte hätten im Rahmen der Aktionen der vergangenen Tage unter anderem bei VW-Chef Matthias Müller und Audi-Chef Rupert Stadler nach Material mit entsprechenden Hinweisen gesucht, meldeten „Bild am Sonntag“und „Spiegel online“. Der Zeitung lag ein Beschluss des Amtsgerichts München dazu vor. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Sonntag aber nicht, Müller und Stadler persönlich im Visier zu haben. Schon zuvor hatte die Behörde betont, die Ermittlungen richteten sich aktuell gegen Unbekannt.
In den USA, dem Ursprungsland der Abgas-Affäre, wurde bereits eine weitreichende Einigung zwischen der VW-Gruppe und der Justiz zur Beilegung strafrechtlicher Fragen verabredet. Sie kostet den Konzern viel Geld. In Deutschland sind jedoch Staatsanwälte in Braunschweig und München weiter aktiv, um Verantwortlichkeiten zu klären.
Der „Bild am Sonntag“zufolge durchsuchten die Fahnder zuletzt auch Büros der Chefetage. Ziel seien etwa Protokolle oder E-Mails des Vorstands gewesen. Bei der Konzernmutter VW in Wolfsburg hieß es: „Zu Details der laufenden Untersuchungen können wir uns nicht äußern. Wir kooperieren mit den Behörden in vollem Umfang.“Ein AudiSprecher äußerte sich ähnlich. „Spiegel online“meldete, die Ermittler seien auch auf Smartphones und Notizbücher von Stadler aus gewesen.
Mitte der Woche hatten Polizisten und Staatsanwälte an mehreren Orten zugeschlagen, parallel zur Vorstellung der Audi-Jahreszahlen 2016 in Ingolstadt. Durchsucht wurden die Zentrale der VW-Tochter, Räume im Werk Neckarsulm und auch Büros am Wolfsburger VW-Sitz. Zudem gab es Razzien in nicht näher bezeichneten Wohnungen von Mitarbeitern.
Konkrete Beschuldigte im Verfahren wegen des Verdachts auf Betrug und strafbare Werbung gebe es bisher nicht, betonten die Staatsanwälte. Am Donnerstag wurde bekannt, dass auch Büros der von VW mit internen Prüfungen beauftragten USKanzlei Jones Day durchsucht worden waren. Der Konzern kritisierte dies als „in jeder Hinsicht inakzeptabel“.
Derweil rätselt die Autobranche, was mit den Anteilen des früheren VW-Patriarchen Ferdinand Piëch am Haupteigner von Volkswagen – der Porsche-Holding PSE – passiert. Der langjährige Chefaufseher des Konzerns verhandelt über den Verkauf seiner Aktien. Die Machtarchitektur in Europas größtem Autokonzern könnte sich durch den angekündigten Rückzug des 79-Jährigen bei der PSE ändern. Unklar ist, ob der 14,7prozentige Anteil Piëchs an den Stammaktien der Holding ganz oder nur in Teilen weiterverkauft werden soll – und ob das so freiwerdende Paket innerhalb der Großfamilie Porsche/Piëch bleibt oder an außenstehende Investoren gehen könnte.
Wie die „Bild am Sonntag“unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet, soll die Übernahme des 1,1 Milliarden Euro teuren Aktienpaketes durch die Familien Piëch und Porsche vor der Hauptversammlung am 30. Mai abgeschlossen werden. Piëch müsse zunächst den anderen Familienmitgliedern seine Stammaktien anbieten, heißt es weiter. Bei Porsche war für eine Stellungnahme kurzfristig niemand erreichbar.