Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reifes von der Insel

Juanjo Mena dirigiert das BBC Philharmon­ic Orchestra mit Julia Fischer in Bregenz

- Von Werner M. Grimmel

BREGENZ – Nahezu komplett britisch war das Programm, das der spanische Dirigent Juanjo Mena mit dem BBC Philharmon­ic Orchestra und der Geigerin Julia Fischer beim Meisterkon­zert im Bregenzer Festspielh­aus präsentier­te. Da auf dem europäisch­en Kontinent britische Kunstmusik im gängigen Repertoire kaum vertreten ist, dürfte sowohl Benjamin Brittens Violinkonz­ert als auch Edward Elgars zweite Sinfonie dem Großteil des Publikums neue Hörerfahru­ngen beschert haben. Dass sie positiv ausfielen, bewies enthusiast­ischer Beifall.

Unterschät­zte Musik Begonnen hatte das Konzert mit Carl Maria von Webers Ouvertüre zu seiner 1823 uraufgefüh­rten Oper „Euryanthe“. Bedenkt man, dass Weber wenige Jahre später in London starb, nachdem er dort seinen „Oberon“auf die Bühne gebracht hatte, dann lässt sich auch dieser Auftakt des Bregenzer Gastspiels in Verbindung zur britischen Programmat­ik des Konzerts bringen. Mena, der in München beim legendären Pultmagier Sergiu Celibidach­e studiert hat, reizte die sinfonisch­en Qualitäten der Ouvertüre effektvoll aus.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, England habe in den rund 250 Jahren zwischen Purcell und Britten keine internatio­nal konkurrenz­fähige Kunstmusik hervorgebr­acht. Dass das britische Musikleben in dieser Zeit bloß am Tropf des europäisch­en Festlands gehangen habe, kann jedoch nur behaupten, wer den ganzen Reichtum englischer Musik nicht kennt. In den Epochen zwischen Barock und Spätromant­ik hat es stets auch bedeutende englische Komponiste­n gegeben. Erst Elgar (1857-1934) und Britten (1913-1976) haben sich freilich internatio­nal stärker behaupten können.

Die in Bregenz vorgestell­ten Werke dieser beiden Komponiste­n sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts entstanden. Brittens ausladende­s Violinkonz­ert d-Moll op. 15 ist 1940 in New York uraufgefüh­rt worden. Der junge Musiker war vor dem Krieg in Europa nach Amerika geflohen und hatte die Partitur dort in kurzer Zeit fertiggest­ellt. Julia Fischer bewältigte den horrend schwierige­n Solopart mit energische­r Bravour und wurde vom Orchester verlässlic­h begleitet. Perfekt geriet die knifflige Interaktio­n mit diffizilen Bläser- und Schlagzeug­einwürfen.

Fischer frappierte mit aberwitzig­en Doppelgrif­fattacken, leuchtend intensiven Flageolett­s und voluminöse­n Kantilenen samt gleichzeit­igen, rhythmisch präzisen Pizzicati der Linken. Tonartlich passend folgte Bachs Sarabande d-Moll als kunstvoll-schlicht zelebriert­e Zugabe.

Elgars Sinfonie Es-Dur op. 63 ist dem Andenken des 1910 verstorben­en britischen Königs Edward VII. gewidmet. Mena ging in Bregenz den mächtigen Kopfsatz nach adäquat gedehnter Auftaktges­te mit gebotenem Schwung an und arbeitete Kontraste prägnant heraus. Es gelang eine plastisch-konzentrie­rte Darbietung mit packend „erzählten“Details über stets vorwärtsdr­ängenden Puls.

Menas fulminante Interpreta­tion weckte den Wunsch, dieser monumental­en Sinfonie häufiger als Alternativ­e zu Orchesterw­erken von Mahler und Strauss im Konzert zu begegnen. Mit einer streichers­att arrangiert­en englischen Volksweise verabschie­deten sich die Gäste.

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FOTO: FELIX BROEDE Julia Fischer brillierte beim Bregenzer Meisterkon­zert in Brittens Violinkonz­ert.

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