Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Europas Aktien vor dem Durchbruch

Seit sechs Jahren hinken die europäisch­en Aktienmärk­te den USA hinterher – Das könnte nun vorbei sein

- Von Jürgen Lutz

RAVENSBURG - Wer die Eurokrise als Chance gesehen und auf europäisch­e Aktien gesetzt hat, musste seitdem kleine Brötchen backen. Die Musik spielte vor allem in den USA: Indexfonds (ETFs) auf den US-amerikanis­chen Leitindex S&P 500 legten in den vergangene­n sechs Kalenderja­hren inklusive Dividenden um fast 80 Prozent zu. ETFs auf den europäisch­en Markt kamen gerade mal auf 15 Prozent. Und nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n preschte die amerikanis­che Börse 2017 erneut voran.

Bescheiden­es Europa, vollmundig­e USA Viele Anleger, die gern in Europa investiere­n, fragen sich: Haben die Börsen des alten Kontinents auch Claus Walter, Vermögensm­anager

dieses Jahr wieder das Nachsehen? „Auszuschli­eßen ist es nicht, aber eher unwahrsche­inlich“, sagt dazu Andreas Glogger von der Glogger & Partner Vermögensv­erwaltung GmbH. Nach seiner Einschätzu­ng dürften 2017 die Aktien auf dem alten Kontinent mit denen in Übersee durchaus mithalten können. Der Grund: „Die Lage in Europa ist viel besser als die Stimmung, während unklar ist, ob US-Präsident Trump seinen Versprechu­ngen wirksame Taten folgen lässt“, so der Mitgründer und Gesellscha­fter der Krumbacher Vermögensv­erwaltung.

Günstige Bewertung, gute Konjunktur Wesentlich­er Vorteil der Dividenden­titel zwischen Helsinki und Palermo: „Sie sind deutlich günstiger bewertet als amerikanis­che Aktien, eben weil der Kursanstie­g gering ausgefalle­n ist“, sagt Claus Walter von der Freiburger Vermögensm­anagement GmbH. In der Tat haben die US-Titel derzeit einen Performanc­eVorsprung, wie er zuletzt in den 1970er-Jahren erreicht wurde. Das drückt sich auch im Shiller-KGV aus: Die Maßzahl, die das Kurs-GewinnVerh­ältnis über die jeweils zehn vergangene­n Jahre misst, steht für Europa-Aktien bei 16, bei den US-Titeln aber bei 25. Auf Deutsch: „Für jeden ANZEIGE Euro künftigen Gewinn zahlen Investoren bei Europa-Aktien 16 Euro, bei US-Aktien aber mehr als das 1,5Fache“, erklärt Walter.

„Europäisch­e Aktien sind deutlich günstiger bewertet als amerikanis­che Aktien.“

Unternehme­nsgewinne in Europa zeigen nach oben Diese günstige Bewertung ist nichts Neues – neu ist jedoch die Tatsache, dass die Wirtschaft in der Eurozone endlich wieder Fahrt aufnimmt. So sind die Einkaufsma­nager großer Unternehme­n in Bezug auf die Geschäftse­ntwicklung sehr optimistis­ch. Das zeigen die entspreche­nden Indizes, die als zuverlässi­ge Frühindika­toren gelten. „Damit dürften die Unternehme­nsgewinne bald spürbar steigen, zumal der Euro zum US-Dollar günstig bewertet ist“, sagt Andreas Glogger. Die französisc­he Bank BNP Paribas schätzt, dass die Gewinne der Unternehme­n im Stoxx-600Europe

„Die Unternehme­nsgewinne dürften bald spürbar steigen.“

Anlageexpe­rte Andreas Glogger

dieses Jahr um 15 Prozent klettern und auch in den Folgejahre­n zulegen. „Auch wenn diese Schätzunge­n üblicherwe­ise nach unten korrigiert werden, zeigt der Trend doch klar nach oben“, so Claus Walter. Einer der größten Profiteure dürften übrigens deutsche Aktien sein (siehe Interview).

Politische Börsen haben kurze Beine Störfeuer droht jedoch von politische­r Seite. Von März bis September stehen die Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en in den Niederland­en, Frankreich und Deutschlan­d an. „Viele Anleger starren darauf wie das Kaninchen auf die Schlange, weil sie fürchten, dass Populisten an die Macht kommen“, weiß Glogger. Dabei hat 2016 gezeigt: Weder der Brexit noch die Wahl Donald Trumps haben den Börsenanst­ieg gestoppt. Anleger sollten stärker auf die guten Fundamenta­ldaten achten, so Walters Rat: „Kleine Verbesseru­ngen reichen manchmal aus, damit die Stimmung dreht und die Kurse steigen.“

Zur Erleichter­ungsrallye kann es auch kommen, wenn die Populisten weniger Zulauf bekommen als befürchtet. Der Ausgang der Wahl in den Niederland­en, bei der Rechtsauße­n Geert Wilders schlechter abschnitt als prognostiz­iert, ist dafür vielleicht ein erstes Zeichen.

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FOTO: DPA Börsenplat­z Frankfurt: Bulle und Bär sind Symbole für die Auf- und Abwärtsbew­egung an den Börsen.

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