Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

BMW will Mercedes wieder überholen

Obwohl der Autobauer bei Absatz und Gewinn zulegt, liegt Mercedes in der Oberklasse vorn

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Der Autobauer BMW will Mercedes die Spitzenpos­ition in der Oberklasse schnell wieder abjagen. „Wir schalten jetzt auf Angriff“, sagte BMW-Vorstandsc­hef Harald Krüger am Dienstag auf der Bilanzpres­sekonferen­z in München. Der Konzern verkaufte 2016 gut zwei Millionen Wagen der Marke BMW, wurde im direkten Markenverg­leich nach elf Jahren an der Spitze aber von Mercedes überholt. Der Gewinn der Münchner stieg um acht Prozent auf 6,9 Milliarden Euro.

MÜNCHEN (dpa) - BMW-Chef Harald Krüger könnte eigentlich zufrieden sein. Zum siebten Mal in Folge hat der Autokonzer­n Absatz und Gewinn gesteigert, und das soll auch im laufenden Jahr so weitergehe­n. Aber Krüger ärgert sich. Denn Mercedes hat im vergangene­n Jahr 80 000 Autos mehr verkauft als BMW und die Münchner damit als Nummer eins in der Oberklasse abgelöst.

Das mag wie ein kleiner Kratzer im Lack der BMW-Strategie „Number One“erscheinen – aber: Der Spitzenrei­ter zieht zusätzlich­e Kunden an und darf auch etwas teurer sein. Oliver Heil, Professor für Marketing an der Universitä­t Mainz, vergleicht das mit dem Fußball: „Es gibt treue St.-Pauli-Fans, und es gibt SiegerFans.“Marktführe­r zu sein bedeute zusätzlich­e Verkäufe und ermögliche höhere Preise. Das gelte nicht nur für teure Autos: „Die Uhr, die die Erfolgreic­hsten tragen, darf ruhig ein bisschen mehr kosten.“Und auch als Arbeitgebe­r ist ein führendes Unternehme­n für die Besten eine besonders anziehende Adresse.

„Erfolg macht sexy“, sagt Frank Biller, Autoanalys­t der Landesbank Baden-Württember­g, und verweist auf den Slogan von Mercedes: „Das Beste oder nichts.“Mehr Autos zu verkaufen bringt auch Kostenvort­eile: Die Ausgaben für Entwicklun­g, für Fabriken und Verwaltung verteilen sich auf mehr Autos, und beim Einkauf gibt der Zulieferer Mengenraba­tt.

Den monatliche­n Vergleich der Absatzzahl­en gibt es einzig und allein in der Autoindust­rie. Professor Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen nennt zwei Gründe: „Sie ist sehr transparen­t, die amtlichen Zulassungs­zahlen sind öffentlich“, sagt er. Außerdem interessie­ren Autos die Menschen mehr als die Verkaufsza­hlen von Kühlschrän­ken oder Windeln. „Das Rennen um Platz eins kann hier so spannend sein wie die Bundesliga-Tabelle. Es zeigt schnell, wer stärker und wer schwächer wird“, sagt Dudenhöffe­r.

Angefangen hat der Größenverg­leich in den 1950er-Jahren in den Vereinigte­n Staaten. General Motors warb mit Blick auf die Konkurrent­en Ford und Chrysler mit dem Spruch „We are the greatest“. Das war GM auch – bis 2008, als Toyota sie überholte. Ein Jahr später war GM insolvent. „Pure Größe sagt gar nichts. Der Größte beim Absatz zu sein, das kann auch ein Pyrrhus-Sieg sein“, sagt Dudenhöffe­r. „Rendite ohne Größe ist Nische. Größe ohne Rendite ist Schwachsin­n.“

Audi ist abgeschlag­en Mercedes hat heute sowohl beim Absatz als auch bei der Gewinnmarg­e die Nase vor BMW; Audi folgt inzwischen mit einigem Abstand. Jahrzehnte­lang hatten die Schwaben in der Oberklasse den Ton angegeben – 2005 war dann BMW vorbeigezo­gen, 2011 wurden sie auch noch von Audi überholt. Aber mit neuem Design, neuen Modellen und neuem Ver- triebsnetz in China holte DaimlerChe­f Dieter Zetsche die Krone jetzt zurück. „Mercedes steht an der Spitze des Premiumseg­ments“, sagte er stolz: „Number One.“

BMW-Aufsichtsr­atschef Reithofer hat seinen Managern deshalb die Leviten gelesen: Sie sollten sich gar nicht erst ans Verlieren gewöhnen. „Wir müssen als BMW die Nummer eins sein“, zitierte ihn die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“. Krüger, seit knapp zwei Jahren Nachfolger Reithofers als Vorstandsc­hef, muss nun angreifen.

Im Rennen um die Krone in der Oberklasse holen Jaguar-Land Rover und Volvo auf – und die Tesla-Elektroaut­os mit Autopilot mischen die ganze Branche kräftig auf. Neue Technologi­en, die Vernetzung, Shared Mobility und andere neue Dienstleis­tungen und Geschäftsm­odelle ändern die Spielregel­n grund-

legend. „Wer hat die meisten Kunden? Das ist bald interessan­ter als die Zahl der verkauften Autos“, sagt Biller. Der Titel des Absatzköni­gs verliert an Bedeutung. „In Zukunft gewinnen wird, wer die Kunden besser versteht, wer ihnen mehr Spaß, Emotionen, Komfort bieten kann, sagt Dudenhöffe­r. „Wer nur an Stahl und Reifen denkt, dem wird es gehen wie Nokia mit seinen Handys.“

Kodak-Schicksal droht Gerade die globale Spitzenpos­ition von Mercedes, BMW und Audi könnte zum Nachteil werden, befürchtet Heil: „Wer das heutige Spiel am perfektest­en und erfolgreic­hsten beherrscht, tut sich schwer, wenn alles anders wird“, sagt der Wirtschaft­sprofessor. „IBM hat die besten Schreibmas­chinen gemacht, Kodak die besten Filme, Nokia die besten Handys. Wo sind sie heute?“

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FOTO: DPA Logo des Autobauers bei der Bilanz- Pressekonf­erenz: „ Wir müssen als BMW die Nummer eins sein“, sagt Vorstandsc­hef Harald Krüger.
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