Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Miss Moneypenny“verlässt die Börse
Der erste weibliche Investmentclub des Schussentals hat sich nach 18 Jahren aufgelöst
Der erste weibliche Investmentclub des Schussentals hat sich aufgelöst.
WEINGARTEN - Der erste weibliche Investmentclub des Schussentals, „Miss Moneypenny“, hat sich aufgelöst. 18 Jahre lang investierte die Gesellschaft an der Börse, erlebte dabei viele Glücksmomente, aber auch drastische Kurseinbrüche. Mit Renditeerwartungen von bis zu zehn Prozent gestartet, lag zeitweise fast eine viertel Million Euro im Depot – doch Finanz- und Wirtschaftskrisen setzen „Miss Moneypenny“auch immer wieder gehörig zu. „Es war ein Hype. Da ging es nur um Aktien“, erinnert sich die Vorsitzende Andrea Rexer. Und: „Es war klar: Wir hatten keine Ahnung.“
Alles begann im Januar 1999. 21 Frauen aus und um Weingarten schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen. Die Idee stammte von einem Club aus Friedrichshafen. Allerdings war die Zielsetzung ein wenig anders. „Unser Ziel war es, die Börse zu verstehen und außerdem etwas anzusparen“, sagt Rexer. Daher stellte jedes Gründungsmitglied einen gewissen Betrag, sodass zu Beginn 20 000 D-Mark im Depot lagen. Monatlich zahlte jedes Mitglied weiter Geld ein. Meist waren es 100 D-Mark. Je nachdem, wer sich was leisten konnte und wollte. Nach einem Jahr waren so bereits 60 000 D-Mark zusammengekommen. „Es ging relativ schnell um viel Geld“, sagt Rexer.
Damit all das auch rechtlich abgesichert war und der Überblick über die einzelnen Einzahlungen behalten werden konnte, holten sich die Damen Unterstützung bei der Sparkasse Ravensburg. Natürlich musste es auch in diesem Fall eine Frau sein. Und da die einzige weibliche Anlageberaterin der Ravensburger Sparkasse in Weingarten saß, wurde die Gesellschaft in Weingarten gegründet. „Das war schon reizvoll. Es war ein bisschen Aufbauarbeit“, erinnert sich Sabine Nagel, die sich fortan um „Miss Moneypenny“kümmerte.
Renditeerwartung: Zehn Prozent Mit ihrer Unterstützung wurde ein dreiköpfiger Vorstand und ein Anlageausschuss gegründet. Die Verwaltung lief in Teilen über ein Anlageprogramm, das auf einer Diskette abgespeichert war. „Das war damals alles sehr aufwendig“, sagt Nagel. Federführend arbeitete sich Rexer in die vielen Neuerungen ein, um den Erwartungen der Gesellschaft, die sich monatlich in der Weinstube „Zum Muke“traf, gerecht zu werden. „Es ging um Renditevorstellungen von 8 bis 10 Prozent. Nach einem Jahr hatten wir 20 Prozent mehr in der Kasse. Das war richtig fett“, freut sich Rexer rückblickend.
Neue Märkte brechen ein Doch bereits in den Folgejahren brachen die sogenannten Neuen Märkte ein. „Miss Moneypenny“machte Verluste von bis zu 70 Prozent, da in Unternehmen wie „NorCom“oder „Q-Cells“investiert wurde, deren Kurse drastisch einbrachen. Daher mussten die Renditevorstellungen der Frauen nach unten korrigiert werden. „Das war schon ernüchternd. Es gab einzelne Absturzwerte von Minus 98 Prozent“, sagt Rexer, die mit ihren Gesellschafterinnen auch immer Wert darauf legte, dass sie keine Aktien von Firmen in der Rüstungs-Industrie kauften. Nichtsdestotrotz schlug sich der Investmentclub wacker, die Anlagen vermehrten sich kontinuierlich.
Verluste von bis zu 50 Prozent Im Jahr 2008 dann der nächste Rückschlag: Die Finanz- und Immobilienkrise sorgte für Verluste von bis zu 50 Prozent. Und auch personell schrumpfte die „Miss Moneypenny“. Waren zeitweise 27 Frauen an der Gesellschaft beteiligt, gab es als Folge der Krise einige Austritte. Fünf Frauen ließen sich ihren Anteil ausbezahlen. „Da hat es etwas gebröckelt“, sagt Rexer. Doch erholte sich nicht nur die Börse, sondern auch die Gesellschaft von der Krise – bis 2012 und der europäischen Schuldenkrise. Wieder rauschten die Kurse in den Keller und trafen „Miss Moneypenny“mit voller Härte. „Da hatten wir schon richtig viel Geld im Depot – fast eine viertel Million Euro“, erinnert sich Rexer, die fortan nur noch 17 Frauen an ihrer Seite wusste. „Die Verluste damals waren schmerzhaft, wurden aber aufgeholt“, sagt Nagel.
Konstrukt ist zu starr Doch offenbarte die Krise auch das grundsätzliche Problem einer reinen Aktiengesellschaft. Lieber hätte man neben Aktien auch in anderen Bereichen investiert. Zu starr war das Konstrukt der Gesellschaft, die nicht schnell genug reagieren konnte. „Das können sie nicht mit einer persönlichen Anlagestrategie vergleichen“, erklärt Nagel. Aus rechtlichen Gründen war die Umstellung aber nicht möglich beziehungsweise zu umständlich. Doch obwohl immer stärkere Bedenken aufkamen, machten die Damen weiter – auch wenn sie sich längst nicht mehr monatlich trafen.
In dieser Zeit übernahm auch Elisabeth Schmid die Geschicke von Nagel bei der Sparkasse und betreute „Miss Moneypenny“fortan. Mit ihrer Unterstützung ging es abermals bergauf. Doch als im Sommer 2015 die Kurse wieder drastisch zu fallen drohten, verkaufte die Gesellschaft zwei Drittel der Aktien, um den Gewinn abzusichern. Im März 2016 wurde dann die Auflösung von „Miss Moneypenny“beschlossen, die nun vollzogen wurde.
Gute Rendite Das bedeutet aber nicht, dass die 16 Damen, die bis zuletzt der Gesellschaft angehörten, sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen. Zwölf von ihnen sind persönlich weiterhin an der Börse aktiv. So auch Andrea Rexer: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es richtig ist, in Aktien zu investieren“, sagt sie – mit einer durchschnittlichen Rendite von 4,2 Prozent in 18 Jahren.