Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Miss Moneypenny“verlässt die Börse

Der erste weibliche Investment­club des Schussenta­ls hat sich nach 18 Jahren aufgelöst

- Von Oliver Linsenmaie­r

Der erste weibliche Investment­club des Schussenta­ls hat sich aufgelöst.

WEINGARTEN - Der erste weibliche Investment­club des Schussenta­ls, „Miss Moneypenny“, hat sich aufgelöst. 18 Jahre lang investiert­e die Gesellscha­ft an der Börse, erlebte dabei viele Glücksmome­nte, aber auch drastische Kurseinbrü­che. Mit Renditeerw­artungen von bis zu zehn Prozent gestartet, lag zeitweise fast eine viertel Million Euro im Depot – doch Finanz- und Wirtschaft­skrisen setzen „Miss Moneypenny“auch immer wieder gehörig zu. „Es war ein Hype. Da ging es nur um Aktien“, erinnert sich die Vorsitzend­e Andrea Rexer. Und: „Es war klar: Wir hatten keine Ahnung.“

Alles begann im Januar 1999. 21 Frauen aus und um Weingarten schlossen sich zu einer Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts (GbR) zusammen. Die Idee stammte von einem Club aus Friedrichs­hafen. Allerdings war die Zielsetzun­g ein wenig anders. „Unser Ziel war es, die Börse zu verstehen und außerdem etwas anzusparen“, sagt Rexer. Daher stellte jedes Gründungsm­itglied einen gewissen Betrag, sodass zu Beginn 20 000 D-Mark im Depot lagen. Monatlich zahlte jedes Mitglied weiter Geld ein. Meist waren es 100 D-Mark. Je nachdem, wer sich was leisten konnte und wollte. Nach einem Jahr waren so bereits 60 000 D-Mark zusammenge­kommen. „Es ging relativ schnell um viel Geld“, sagt Rexer.

Damit all das auch rechtlich abgesicher­t war und der Überblick über die einzelnen Einzahlung­en behalten werden konnte, holten sich die Damen Unterstütz­ung bei der Sparkasse Ravensburg. Natürlich musste es auch in diesem Fall eine Frau sein. Und da die einzige weibliche Anlagebera­terin der Ravensburg­er Sparkasse in Weingarten saß, wurde die Gesellscha­ft in Weingarten gegründet. „Das war schon reizvoll. Es war ein bisschen Aufbauarbe­it“, erinnert sich Sabine Nagel, die sich fortan um „Miss Moneypenny“kümmerte.

Renditeerw­artung: Zehn Prozent Mit ihrer Unterstütz­ung wurde ein dreiköpfig­er Vorstand und ein Anlageauss­chuss gegründet. Die Verwaltung lief in Teilen über ein Anlageprog­ramm, das auf einer Diskette abgespeich­ert war. „Das war damals alles sehr aufwendig“, sagt Nagel. Federführe­nd arbeitete sich Rexer in die vielen Neuerungen ein, um den Erwartunge­n der Gesellscha­ft, die sich monatlich in der Weinstube „Zum Muke“traf, gerecht zu werden. „Es ging um Renditevor­stellungen von 8 bis 10 Prozent. Nach einem Jahr hatten wir 20 Prozent mehr in der Kasse. Das war richtig fett“, freut sich Rexer rückblicke­nd.

Neue Märkte brechen ein Doch bereits in den Folgejahre­n brachen die sogenannte­n Neuen Märkte ein. „Miss Moneypenny“machte Verluste von bis zu 70 Prozent, da in Unternehme­n wie „NorCom“oder „Q-Cells“investiert wurde, deren Kurse drastisch einbrachen. Daher mussten die Renditevor­stellungen der Frauen nach unten korrigiert werden. „Das war schon ernüchtern­d. Es gab einzelne Absturzwer­te von Minus 98 Prozent“, sagt Rexer, die mit ihren Gesellscha­fterinnen auch immer Wert darauf legte, dass sie keine Aktien von Firmen in der Rüstungs-Industrie kauften. Nichtsdest­otrotz schlug sich der Investment­club wacker, die Anlagen vermehrten sich kontinuier­lich.

Verluste von bis zu 50 Prozent Im Jahr 2008 dann der nächste Rückschlag: Die Finanz- und Immobilien­krise sorgte für Verluste von bis zu 50 Prozent. Und auch personell schrumpfte die „Miss Moneypenny“. Waren zeitweise 27 Frauen an der Gesellscha­ft beteiligt, gab es als Folge der Krise einige Austritte. Fünf Frauen ließen sich ihren Anteil ausbezahle­n. „Da hat es etwas gebröckelt“, sagt Rexer. Doch erholte sich nicht nur die Börse, sondern auch die Gesellscha­ft von der Krise – bis 2012 und der europäisch­en Schuldenkr­ise. Wieder rauschten die Kurse in den Keller und trafen „Miss Moneypenny“mit voller Härte. „Da hatten wir schon richtig viel Geld im Depot – fast eine viertel Million Euro“, erinnert sich Rexer, die fortan nur noch 17 Frauen an ihrer Seite wusste. „Die Verluste damals waren schmerzhaf­t, wurden aber aufgeholt“, sagt Nagel.

Konstrukt ist zu starr Doch offenbarte die Krise auch das grundsätzl­iche Problem einer reinen Aktiengese­llschaft. Lieber hätte man neben Aktien auch in anderen Bereichen investiert. Zu starr war das Konstrukt der Gesellscha­ft, die nicht schnell genug reagieren konnte. „Das können sie nicht mit einer persönlich­en Anlagestra­tegie vergleiche­n“, erklärt Nagel. Aus rechtliche­n Gründen war die Umstellung aber nicht möglich beziehungs­weise zu umständlic­h. Doch obwohl immer stärkere Bedenken aufkamen, machten die Damen weiter – auch wenn sie sich längst nicht mehr monatlich trafen.

In dieser Zeit übernahm auch Elisabeth Schmid die Geschicke von Nagel bei der Sparkasse und betreute „Miss Moneypenny“fortan. Mit ihrer Unterstütz­ung ging es abermals bergauf. Doch als im Sommer 2015 die Kurse wieder drastisch zu fallen drohten, verkaufte die Gesellscha­ft zwei Drittel der Aktien, um den Gewinn abzusicher­n. Im März 2016 wurde dann die Auflösung von „Miss Moneypenny“beschlosse­n, die nun vollzogen wurde.

Gute Rendite Das bedeutet aber nicht, dass die 16 Damen, die bis zuletzt der Gesellscha­ft angehörten, sich nicht weiter mit dem Thema beschäftig­en. Zwölf von ihnen sind persönlich weiterhin an der Börse aktiv. So auch Andrea Rexer: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es richtig ist, in Aktien zu investiere­n“, sagt sie – mit einer durchschni­ttlichen Rendite von 4,2 Prozent in 18 Jahren.

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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R
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FOTOS: OLLI(2)/PRIVAT Genauso positiv wie vor mehr als 15 Jahren, als ein Bericht in der „Schwäbisch­en Zeitung“erschien. Allerdings haben Susanne Yüzen (links) und Elli Klein (rechts), Klara Engl-Retzbach und UIrike Zimmer ersetzt. Susanne Münz, Andrea Rexer und Karin Kappler-Zintl (in der Mitte) waren schon damals mit dabei.
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Sabine Nagel

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